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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Zweiflugler.
an Länge gleich, die blaßgelbgrauen Flügelstrahlen erscheinen durch mehrere dunkle Querbinden
wie gewürfelt, zwei verloschen weiß gerandete durchziehen die Vorderflügel, von denen die äußere
mit einem einfachen dunklen Flecke am Vorderrande beginnt. Das sechs Linien spannende
Geistchen verbreitet sich im mittleren Europa allgemein. Die Raupe lebt in der Blüthe des Geis-
blattes (Lonicera periclymenum), in welche sie sich am untern Röhrentheile einbohrt, so daß der
Saum vorn nicht zur Entwickelung gelangt, sondern geschlossen bleibt. Wo sie einmal haust,
findet sie sich alljährlich wieder. An der Erde erfolgt die Verwandlung zur Puppe.



Vierte Ordnung.
Die Zweiflügler (Diptera, Antliata).

Mücken und Fliegen sind zwei bedeutungsvolle Namen, mit welchen sich ein gewisses unbe-
hagliches Gefühl verbindet, weil man zunächst an die blutdürstige Stechmücke und die zudringliche,
Alles besudelnde Stubenfliege denkt, die, wenn sie sich einmal vornahm, unserer Nasenspitze einen
Besuch abzustatten, dieselbe immer wieder zu finden weiß und wenn wir sie auch zehnmal davon
wegjagten; Zähigkeit, Ausdauer in Allem, was sie anfangen, liegt einmal im Charakter der
Kerfe. Wenn ich das Kleeblatt vervollständige und ein geheimes Jucken in der Haut meines
freundlichen Lesers bei Nennung des -- Flohes erzeuge, welcher hier gleichfalls seinen Platz ange-
wiesen bekam: so fürchte ich doch darum nicht, daß sich jemand werde zurückschrecken lassen, diesen
Thieren etwas näher zu treten. Man kann des Jnteressanten genug von ihnen hören und erfahren,
wie auch sie ihre Stelle im Schöpfungsganzen ausfüllen, wie sie nicht mindere Berechtigung zum
Leben haben, wenn sie dem "Herrn der Schöpfung" auch weniger Freude bereiten, wie der
bunte Schmetterling oder die honigspendende Viene oder der harmlose Käfer. Daß einige unter
ihnen sind, welche uns persönlich angreifen, unser Gesicht als Spielplatz ansehen, das Blut in
unseren Adern für einen Leckerbissen halten, wer möchte es ihnen von ihrem Standpunkte aus verdenken?

Die Thiere, um welche es sich hier handelt, sind leicht zu erkennen an nur zwei Flügeln,
einem Saugrüssel, welcher in den wenigsten Fällen Blut abzapft, einem in seinen drei Ringen
verwachsenen Brustkasten, fünf Gliedern der Füße und hinsichtlich der Entwickelung an wesentlich
verschiedenen Formen, in denen Larve, Puppe, Fliege auftreten. Der Rumpf der Zweiflügler
stimmt in seinem Baue mit den beiden vorangegangenen Ordnungen überein. Der Kopf steht
durch ein dünnes Fädchen mit dem Brustkasten in Verbindung und kann sich nach rechts und links
weit drehen. Der erste der drei Thorarringe läßt von oben meist nur die Schulterbeulen sehen,
während der zweite als Träger der beiden Flügel zur größten Entwickelung gelangt; das Schildchen
tritt an ihm stets deutlich heraus und zwar meist in solcher Ausdehnung, daß der Hinterrücken
davon beschattet wird. Die Rücken aller drei Ringe pflegt man in ihrer Vereinigung als Rücken-
schild
zu bezeichnen. Wie bei den Hautflüglern kommen auch hier alle möglichen Verbindungs-
weisen zwischen Brustkasten und Hinterleib vor. Meist ist letzterer sitzend, aber auch anhangend,
und in selteneren Fällen gestielt. Seine Gliederzahl, für gewisse Fälle zur Unterscheidung charak-
teristisch, schwankt zwischen vier und acht Ringen, welche auf der Rückenseite gezählt zu werden
pflegen. Sehr häufig treten die Geschlechtswerkzeuge hinten hervor, manchfaltig gebildet beim
Männchen, als ein- und ausstreckbare Legröhre beim Weibchen, und lehren neben noch anderen
Kennzeichen die Geschlechter unterscheiden. Auch in der Bekleidung stehen die Fliegen den Ader-
flüglern am nächsten; denn wenn nicht Nacktheit vorhanden, so finden sich nur Haare und zwar
meist borstige, dann und wann ein dichter Wollpelz, wie beispielsweise bei gewissen Bienen, höchst

Die Zweiflugler.
an Länge gleich, die blaßgelbgrauen Flügelſtrahlen erſcheinen durch mehrere dunkle Querbinden
wie gewürfelt, zwei verloſchen weiß gerandete durchziehen die Vorderflügel, von denen die äußere
mit einem einfachen dunklen Flecke am Vorderrande beginnt. Das ſechs Linien ſpannende
Geiſtchen verbreitet ſich im mittleren Europa allgemein. Die Raupe lebt in der Blüthe des Geis-
blattes (Lonicera periclymenum), in welche ſie ſich am untern Röhrentheile einbohrt, ſo daß der
Saum vorn nicht zur Entwickelung gelangt, ſondern geſchloſſen bleibt. Wo ſie einmal hauſt,
findet ſie ſich alljährlich wieder. An der Erde erfolgt die Verwandlung zur Puppe.



Vierte Ordnung.
Die Zweiflügler (Diptera, Antliata).

Mücken und Fliegen ſind zwei bedeutungsvolle Namen, mit welchen ſich ein gewiſſes unbe-
hagliches Gefühl verbindet, weil man zunächſt an die blutdürſtige Stechmücke und die zudringliche,
Alles beſudelnde Stubenfliege denkt, die, wenn ſie ſich einmal vornahm, unſerer Naſenſpitze einen
Beſuch abzuſtatten, dieſelbe immer wieder zu finden weiß und wenn wir ſie auch zehnmal davon
wegjagten; Zähigkeit, Ausdauer in Allem, was ſie anfangen, liegt einmal im Charakter der
Kerfe. Wenn ich das Kleeblatt vervollſtändige und ein geheimes Jucken in der Haut meines
freundlichen Leſers bei Nennung des — Flohes erzeuge, welcher hier gleichfalls ſeinen Platz ange-
wieſen bekam: ſo fürchte ich doch darum nicht, daß ſich jemand werde zurückſchrecken laſſen, dieſen
Thieren etwas näher zu treten. Man kann des Jntereſſanten genug von ihnen hören und erfahren,
wie auch ſie ihre Stelle im Schöpfungsganzen ausfüllen, wie ſie nicht mindere Berechtigung zum
Leben haben, wenn ſie dem „Herrn der Schöpfung“ auch weniger Freude bereiten, wie der
bunte Schmetterling oder die honigſpendende Viene oder der harmloſe Käfer. Daß einige unter
ihnen ſind, welche uns perſönlich angreifen, unſer Geſicht als Spielplatz anſehen, das Blut in
unſeren Adern für einen Leckerbiſſen halten, wer möchte es ihnen von ihrem Standpunkte aus verdenken?

Die Thiere, um welche es ſich hier handelt, ſind leicht zu erkennen an nur zwei Flügeln,
einem Saugrüſſel, welcher in den wenigſten Fällen Blut abzapft, einem in ſeinen drei Ringen
verwachſenen Bruſtkaſten, fünf Gliedern der Füße und hinſichtlich der Entwickelung an weſentlich
verſchiedenen Formen, in denen Larve, Puppe, Fliege auftreten. Der Rumpf der Zweiflügler
ſtimmt in ſeinem Baue mit den beiden vorangegangenen Ordnungen überein. Der Kopf ſteht
durch ein dünnes Fädchen mit dem Bruſtkaſten in Verbindung und kann ſich nach rechts und links
weit drehen. Der erſte der drei Thorarringe läßt von oben meiſt nur die Schulterbeulen ſehen,
während der zweite als Träger der beiden Flügel zur größten Entwickelung gelangt; das Schildchen
tritt an ihm ſtets deutlich heraus und zwar meiſt in ſolcher Ausdehnung, daß der Hinterrücken
davon beſchattet wird. Die Rücken aller drei Ringe pflegt man in ihrer Vereinigung als Rücken-
ſchild
zu bezeichnen. Wie bei den Hautflüglern kommen auch hier alle möglichen Verbindungs-
weiſen zwiſchen Bruſtkaſten und Hinterleib vor. Meiſt iſt letzterer ſitzend, aber auch anhangend,
und in ſelteneren Fällen geſtielt. Seine Gliederzahl, für gewiſſe Fälle zur Unterſcheidung charak-
teriſtiſch, ſchwankt zwiſchen vier und acht Ringen, welche auf der Rückenſeite gezählt zu werden
pflegen. Sehr häufig treten die Geſchlechtswerkzeuge hinten hervor, manchfaltig gebildet beim
Männchen, als ein- und ausſtreckbare Legröhre beim Weibchen, und lehren neben noch anderen
Kennzeichen die Geſchlechter unterſcheiden. Auch in der Bekleidung ſtehen die Fliegen den Ader-
flüglern am nächſten; denn wenn nicht Nacktheit vorhanden, ſo finden ſich nur Haare und zwar
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[375/0399] Die Zweiflugler. an Länge gleich, die blaßgelbgrauen Flügelſtrahlen erſcheinen durch mehrere dunkle Querbinden wie gewürfelt, zwei verloſchen weiß gerandete durchziehen die Vorderflügel, von denen die äußere mit einem einfachen dunklen Flecke am Vorderrande beginnt. Das ſechs Linien ſpannende Geiſtchen verbreitet ſich im mittleren Europa allgemein. Die Raupe lebt in der Blüthe des Geis- blattes (Lonicera periclymenum), in welche ſie ſich am untern Röhrentheile einbohrt, ſo daß der Saum vorn nicht zur Entwickelung gelangt, ſondern geſchloſſen bleibt. Wo ſie einmal hauſt, findet ſie ſich alljährlich wieder. An der Erde erfolgt die Verwandlung zur Puppe. Vierte Ordnung. Die Zweiflügler (Diptera, Antliata). Mücken und Fliegen ſind zwei bedeutungsvolle Namen, mit welchen ſich ein gewiſſes unbe- hagliches Gefühl verbindet, weil man zunächſt an die blutdürſtige Stechmücke und die zudringliche, Alles beſudelnde Stubenfliege denkt, die, wenn ſie ſich einmal vornahm, unſerer Naſenſpitze einen Beſuch abzuſtatten, dieſelbe immer wieder zu finden weiß und wenn wir ſie auch zehnmal davon wegjagten; Zähigkeit, Ausdauer in Allem, was ſie anfangen, liegt einmal im Charakter der Kerfe. Wenn ich das Kleeblatt vervollſtändige und ein geheimes Jucken in der Haut meines freundlichen Leſers bei Nennung des — Flohes erzeuge, welcher hier gleichfalls ſeinen Platz ange- wieſen bekam: ſo fürchte ich doch darum nicht, daß ſich jemand werde zurückſchrecken laſſen, dieſen Thieren etwas näher zu treten. Man kann des Jntereſſanten genug von ihnen hören und erfahren, wie auch ſie ihre Stelle im Schöpfungsganzen ausfüllen, wie ſie nicht mindere Berechtigung zum Leben haben, wenn ſie dem „Herrn der Schöpfung“ auch weniger Freude bereiten, wie der bunte Schmetterling oder die honigſpendende Viene oder der harmloſe Käfer. Daß einige unter ihnen ſind, welche uns perſönlich angreifen, unſer Geſicht als Spielplatz anſehen, das Blut in unſeren Adern für einen Leckerbiſſen halten, wer möchte es ihnen von ihrem Standpunkte aus verdenken? Die Thiere, um welche es ſich hier handelt, ſind leicht zu erkennen an nur zwei Flügeln, einem Saugrüſſel, welcher in den wenigſten Fällen Blut abzapft, einem in ſeinen drei Ringen verwachſenen Bruſtkaſten, fünf Gliedern der Füße und hinſichtlich der Entwickelung an weſentlich verſchiedenen Formen, in denen Larve, Puppe, Fliege auftreten. Der Rumpf der Zweiflügler ſtimmt in ſeinem Baue mit den beiden vorangegangenen Ordnungen überein. Der Kopf ſteht durch ein dünnes Fädchen mit dem Bruſtkaſten in Verbindung und kann ſich nach rechts und links weit drehen. Der erſte der drei Thorarringe läßt von oben meiſt nur die Schulterbeulen ſehen, während der zweite als Träger der beiden Flügel zur größten Entwickelung gelangt; das Schildchen tritt an ihm ſtets deutlich heraus und zwar meiſt in ſolcher Ausdehnung, daß der Hinterrücken davon beſchattet wird. Die Rücken aller drei Ringe pflegt man in ihrer Vereinigung als Rücken- ſchild zu bezeichnen. Wie bei den Hautflüglern kommen auch hier alle möglichen Verbindungs- weiſen zwiſchen Bruſtkaſten und Hinterleib vor. Meiſt iſt letzterer ſitzend, aber auch anhangend, und in ſelteneren Fällen geſtielt. Seine Gliederzahl, für gewiſſe Fälle zur Unterſcheidung charak- teriſtiſch, ſchwankt zwiſchen vier und acht Ringen, welche auf der Rückenſeite gezählt zu werden pflegen. Sehr häufig treten die Geſchlechtswerkzeuge hinten hervor, manchfaltig gebildet beim Männchen, als ein- und ausſtreckbare Legröhre beim Weibchen, und lehren neben noch anderen Kennzeichen die Geſchlechter unterſcheiden. Auch in der Bekleidung ſtehen die Fliegen den Ader- flüglern am nächſten; denn wenn nicht Nacktheit vorhanden, ſo finden ſich nur Haare und zwar meiſt borſtige, dann und wann ein dichter Wollpelz, wie beiſpielsweiſe bei gewiſſen Bienen, höchſt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/399>, abgerufen am 23.11.2024.