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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Thomas-Tranermücke. Getreideverwüster.
gehalten werden und mit dem Vordertheile ihres Leibes sich meist, auch während der Ruhe, in
tastender Bewegung befinden. Unsere Figur stellt eine erwachsene bedeutend vergrößert von der
Rückenansicht dar. Der schwarze Kopf hat zwei einfache Augen, das erste und vierte bis zehnte
Körperglied seitlich je ein schwarzes Luftloch. Sechs verkehrt tellerförmige Fleischwarzen an den drei
Thoraxringen vertreten die Stelle der Füße. Auf dem Rücken scheint der Darm durch, den Dammerde,
feine Wurzeln von Moos und Gras, welche unter lebhafter Bewegung der Kiefern und Vor- und
Zurückschieben des Kopfes eingenommen werden, stellenweise schwarz färben. Der aus solchen Maden
gebildete Zug gestaltet sich manchfach je nach dem Boden, auf welchem er sich bewegt; geringere
Hindernisse werden überschritten, bedeutendere verursachen eine vorübergehende Spaltung, unter
Laub verschwindet bisweilen ein Theil und läßt das Ganze unterbrochen erscheinen. Erfolgt ein
gewaltsamer Querbruch, etwa durch Pferdehuse und über den Zug gehende Wagenräder, so schließen
sich die Lücken bald wieder, wie bei den Wanderungen der Prozessionsraupe; auch hat man beobachtet,
daß mehrere Züge sich mit der Zeit nach verschiedenen Schwenkungen zu einem einzigen vereinigten.
Als man die Erscheinung des Heerwurms sich noch nicht zu erklären bemühte, sondern nur als
Omen ansah, wollte man wohl auch behaupten, er ließe sich nur zwischen acht und neun Uhr des
Morgens sehen und zöge von Ost nach West, was sich aber bei genauerer Beobachtung als unge-
gründet herausstellte. Jn seinen Wanderungen bindet sich der Heerwurm an keine Zeit, nur den
Sonnenschein kann er nicht vertragen, sonst scheint ihm Tag wie Nacht gleich zu sein. Einer seiner
ersten Beobachter hatte einen solchen Zug in seinen Garten verpflanzt, wo er ihn eines Morgens
nach sehr heftigem Gewitterregen in einen Klumpen zusammengedrängt, etwa wie einen Ameisen-
haufen, im Schlamme und theilweise im Wasser liegend vorfand. Als nach etwa vierundzwanzig
Stunden der Boden wieder so leidlich abgetrocknet war, formirte sich der freilich stark gelichtete
Zug von Neuem, und die nicht fortgeschwemmten oder sonst verkommenen Maden ließen eben nichts
von erlittenem Ungemach merken und entwickelten ungeschwächt ihre frühere Energie. Bald nach
dem Auftreten des Heerwurms fangen die Larven an sich in Puppen zu verwandeln, einzelne schon
während des Ziehens, die meisten aber kriechen schließlich zusammen flach unter die Dammerde und
verwandeln sich unter einem gemeinsamen Gespinnst in schmuzig gelbe, allmälig dunkler werdende
Puppen von buckeligem Ansehen. Nach zehn bis zwölf Tagen kommt das bereits vorher näher
bezeichnete und leicht kenntliche Mückchen zum Vorschein. Die gelbe Farbe am Bauche und an den
Seiten des Hinterleibes, die beim Weibchen auch in den Gelenkeinschnitten des Rückens sichtbar ist,
verschwindet mehr oder weniger nach dem Tode durch Eintrocknen. Die Weibchen legen ihre Anfangs
durchscheinenden weißen, später schwärzlichen Eier haufenweise und gemeinschaftlich auf Lauberde.
Das Auftreten der so massenhaften Larven, welches in den verschiedenen Gegenden für die Jahre
1756, 1774, 1777, 1780, 1781, 1826, 1844, 1845, 1849, 1850, 1853, 1856 angemerkt worden
ist, beweist natürlich, daß im vorangegangenen Jahre die Thomas-Trauermücke an bestimmten
Oertlichkeiten sich anhäufte und in ungewöhnlichen Mengen vorhanden war. Mangel an Nahrung ist
entschieden nicht der Grund, warum die Larve im erwachsenen Alter wandert, sondern die ihr
kommende Unruhe vor dem wichtigen Abschnitte ihres Lebens, wo sie aus dem beweglichen, der
Ernährung gewidmeten Zustande in den der Ruhe übergeht, und sicher ist diese Wanderung, welche
auch bei anderen Larven, z. B. mehreren Schmetterlingsraupen, beobachtet wurde, nöthig, um die
große Umwälzung im Jnnern und im äußern Ansehen zu Stande bringen zu können.

Jn mehr wie einer Hinsicht bieten die Gallmücken (Cecidomyia) ein nicht geringes Jnteresse.
Es sind kleine, oft sehr kleine, zarte Mückchen, durch deren breite und stumpfe, häufig behaarte, am
Rande immer lang bewimperte Flügel drei, höchstens vier Längsadern ziehen (eins, drei, fünf),
deren mittelste charakteristisch vor der Flügelspitze in den Vorderrand mündet. Die Onerader pflegt
so zart zu sein, daß man sie nur bei sehr günstig auffallendem Lichte bemerkt. Die mondförmigen
Augen berühren einander auf dem Scheitel des kleinen Kopfes, und am dicken Rüssel stehen nach

Taschenberg, wirbellose Thiere. (Brehm, Thierleben. VI.) 25

Thomas-Tranermücke. Getreideverwüſter.
gehalten werden und mit dem Vordertheile ihres Leibes ſich meiſt, auch während der Ruhe, in
taſtender Bewegung befinden. Unſere Figur ſtellt eine erwachſene bedeutend vergrößert von der
Rückenanſicht dar. Der ſchwarze Kopf hat zwei einfache Augen, das erſte und vierte bis zehnte
Körperglied ſeitlich je ein ſchwarzes Luftloch. Sechs verkehrt tellerförmige Fleiſchwarzen an den drei
Thoraxringen vertreten die Stelle der Füße. Auf dem Rücken ſcheint der Darm durch, den Dammerde,
feine Wurzeln von Moos und Gras, welche unter lebhafter Bewegung der Kiefern und Vor- und
Zurückſchieben des Kopfes eingenommen werden, ſtellenweiſe ſchwarz färben. Der aus ſolchen Maden
gebildete Zug geſtaltet ſich manchfach je nach dem Boden, auf welchem er ſich bewegt; geringere
Hinderniſſe werden überſchritten, bedeutendere verurſachen eine vorübergehende Spaltung, unter
Laub verſchwindet bisweilen ein Theil und läßt das Ganze unterbrochen erſcheinen. Erfolgt ein
gewaltſamer Querbruch, etwa durch Pferdehuſe und über den Zug gehende Wagenräder, ſo ſchließen
ſich die Lücken bald wieder, wie bei den Wanderungen der Prozeſſionsraupe; auch hat man beobachtet,
daß mehrere Züge ſich mit der Zeit nach verſchiedenen Schwenkungen zu einem einzigen vereinigten.
Als man die Erſcheinung des Heerwurms ſich noch nicht zu erklären bemühte, ſondern nur als
Omen anſah, wollte man wohl auch behaupten, er ließe ſich nur zwiſchen acht und neun Uhr des
Morgens ſehen und zöge von Oſt nach Weſt, was ſich aber bei genauerer Beobachtung als unge-
gründet herausſtellte. Jn ſeinen Wanderungen bindet ſich der Heerwurm an keine Zeit, nur den
Sonnenſchein kann er nicht vertragen, ſonſt ſcheint ihm Tag wie Nacht gleich zu ſein. Einer ſeiner
erſten Beobachter hatte einen ſolchen Zug in ſeinen Garten verpflanzt, wo er ihn eines Morgens
nach ſehr heftigem Gewitterregen in einen Klumpen zuſammengedrängt, etwa wie einen Ameiſen-
haufen, im Schlamme und theilweiſe im Waſſer liegend vorfand. Als nach etwa vierundzwanzig
Stunden der Boden wieder ſo leidlich abgetrocknet war, formirte ſich der freilich ſtark gelichtete
Zug von Neuem, und die nicht fortgeſchwemmten oder ſonſt verkommenen Maden ließen eben nichts
von erlittenem Ungemach merken und entwickelten ungeſchwächt ihre frühere Energie. Bald nach
dem Auftreten des Heerwurms fangen die Larven an ſich in Puppen zu verwandeln, einzelne ſchon
während des Ziehens, die meiſten aber kriechen ſchließlich zuſammen flach unter die Dammerde und
verwandeln ſich unter einem gemeinſamen Geſpinnſt in ſchmuzig gelbe, allmälig dunkler werdende
Puppen von buckeligem Anſehen. Nach zehn bis zwölf Tagen kommt das bereits vorher näher
bezeichnete und leicht kenntliche Mückchen zum Vorſchein. Die gelbe Farbe am Bauche und an den
Seiten des Hinterleibes, die beim Weibchen auch in den Gelenkeinſchnitten des Rückens ſichtbar iſt,
verſchwindet mehr oder weniger nach dem Tode durch Eintrocknen. Die Weibchen legen ihre Anfangs
durchſcheinenden weißen, ſpäter ſchwärzlichen Eier haufenweiſe und gemeinſchaftlich auf Lauberde.
Das Auftreten der ſo maſſenhaften Larven, welches in den verſchiedenen Gegenden für die Jahre
1756, 1774, 1777, 1780, 1781, 1826, 1844, 1845, 1849, 1850, 1853, 1856 angemerkt worden
iſt, beweiſt natürlich, daß im vorangegangenen Jahre die Thomas-Trauermücke an beſtimmten
Oertlichkeiten ſich anhäufte und in ungewöhnlichen Mengen vorhanden war. Mangel an Nahrung iſt
entſchieden nicht der Grund, warum die Larve im erwachſenen Alter wandert, ſondern die ihr
kommende Unruhe vor dem wichtigen Abſchnitte ihres Lebens, wo ſie aus dem beweglichen, der
Ernährung gewidmeten Zuſtande in den der Ruhe übergeht, und ſicher iſt dieſe Wanderung, welche
auch bei anderen Larven, z. B. mehreren Schmetterlingsraupen, beobachtet wurde, nöthig, um die
große Umwälzung im Jnnern und im äußern Anſehen zu Stande bringen zu können.

Jn mehr wie einer Hinſicht bieten die Gallmücken (Cecidomyia) ein nicht geringes Jntereſſe.
Es ſind kleine, oft ſehr kleine, zarte Mückchen, durch deren breite und ſtumpfe, häufig behaarte, am
Rande immer lang bewimperte Flügel drei, höchſtens vier Längsadern ziehen (eins, drei, fünf),
deren mittelſte charakteriſtiſch vor der Flügelſpitze in den Vorderrand mündet. Die Onerader pflegt
ſo zart zu ſein, daß man ſie nur bei ſehr günſtig auffallendem Lichte bemerkt. Die mondförmigen
Augen berühren einander auf dem Scheitel des kleinen Kopfes, und am dicken Rüſſel ſtehen nach

Taſchenberg, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben. VI.) 25
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[385/0409] Thomas-Tranermücke. Getreideverwüſter. gehalten werden und mit dem Vordertheile ihres Leibes ſich meiſt, auch während der Ruhe, in taſtender Bewegung befinden. Unſere Figur ſtellt eine erwachſene bedeutend vergrößert von der Rückenanſicht dar. Der ſchwarze Kopf hat zwei einfache Augen, das erſte und vierte bis zehnte Körperglied ſeitlich je ein ſchwarzes Luftloch. Sechs verkehrt tellerförmige Fleiſchwarzen an den drei Thoraxringen vertreten die Stelle der Füße. Auf dem Rücken ſcheint der Darm durch, den Dammerde, feine Wurzeln von Moos und Gras, welche unter lebhafter Bewegung der Kiefern und Vor- und Zurückſchieben des Kopfes eingenommen werden, ſtellenweiſe ſchwarz färben. Der aus ſolchen Maden gebildete Zug geſtaltet ſich manchfach je nach dem Boden, auf welchem er ſich bewegt; geringere Hinderniſſe werden überſchritten, bedeutendere verurſachen eine vorübergehende Spaltung, unter Laub verſchwindet bisweilen ein Theil und läßt das Ganze unterbrochen erſcheinen. Erfolgt ein gewaltſamer Querbruch, etwa durch Pferdehuſe und über den Zug gehende Wagenräder, ſo ſchließen ſich die Lücken bald wieder, wie bei den Wanderungen der Prozeſſionsraupe; auch hat man beobachtet, daß mehrere Züge ſich mit der Zeit nach verſchiedenen Schwenkungen zu einem einzigen vereinigten. Als man die Erſcheinung des Heerwurms ſich noch nicht zu erklären bemühte, ſondern nur als Omen anſah, wollte man wohl auch behaupten, er ließe ſich nur zwiſchen acht und neun Uhr des Morgens ſehen und zöge von Oſt nach Weſt, was ſich aber bei genauerer Beobachtung als unge- gründet herausſtellte. Jn ſeinen Wanderungen bindet ſich der Heerwurm an keine Zeit, nur den Sonnenſchein kann er nicht vertragen, ſonſt ſcheint ihm Tag wie Nacht gleich zu ſein. Einer ſeiner erſten Beobachter hatte einen ſolchen Zug in ſeinen Garten verpflanzt, wo er ihn eines Morgens nach ſehr heftigem Gewitterregen in einen Klumpen zuſammengedrängt, etwa wie einen Ameiſen- haufen, im Schlamme und theilweiſe im Waſſer liegend vorfand. Als nach etwa vierundzwanzig Stunden der Boden wieder ſo leidlich abgetrocknet war, formirte ſich der freilich ſtark gelichtete Zug von Neuem, und die nicht fortgeſchwemmten oder ſonſt verkommenen Maden ließen eben nichts von erlittenem Ungemach merken und entwickelten ungeſchwächt ihre frühere Energie. Bald nach dem Auftreten des Heerwurms fangen die Larven an ſich in Puppen zu verwandeln, einzelne ſchon während des Ziehens, die meiſten aber kriechen ſchließlich zuſammen flach unter die Dammerde und verwandeln ſich unter einem gemeinſamen Geſpinnſt in ſchmuzig gelbe, allmälig dunkler werdende Puppen von buckeligem Anſehen. Nach zehn bis zwölf Tagen kommt das bereits vorher näher bezeichnete und leicht kenntliche Mückchen zum Vorſchein. Die gelbe Farbe am Bauche und an den Seiten des Hinterleibes, die beim Weibchen auch in den Gelenkeinſchnitten des Rückens ſichtbar iſt, verſchwindet mehr oder weniger nach dem Tode durch Eintrocknen. Die Weibchen legen ihre Anfangs durchſcheinenden weißen, ſpäter ſchwärzlichen Eier haufenweiſe und gemeinſchaftlich auf Lauberde. Das Auftreten der ſo maſſenhaften Larven, welches in den verſchiedenen Gegenden für die Jahre 1756, 1774, 1777, 1780, 1781, 1826, 1844, 1845, 1849, 1850, 1853, 1856 angemerkt worden iſt, beweiſt natürlich, daß im vorangegangenen Jahre die Thomas-Trauermücke an beſtimmten Oertlichkeiten ſich anhäufte und in ungewöhnlichen Mengen vorhanden war. Mangel an Nahrung iſt entſchieden nicht der Grund, warum die Larve im erwachſenen Alter wandert, ſondern die ihr kommende Unruhe vor dem wichtigen Abſchnitte ihres Lebens, wo ſie aus dem beweglichen, der Ernährung gewidmeten Zuſtande in den der Ruhe übergeht, und ſicher iſt dieſe Wanderung, welche auch bei anderen Larven, z. B. mehreren Schmetterlingsraupen, beobachtet wurde, nöthig, um die große Umwälzung im Jnnern und im äußern Anſehen zu Stande bringen zu können. Jn mehr wie einer Hinſicht bieten die Gallmücken (Cecidomyia) ein nicht geringes Jntereſſe. Es ſind kleine, oft ſehr kleine, zarte Mückchen, durch deren breite und ſtumpfe, häufig behaarte, am Rande immer lang bewimperte Flügel drei, höchſtens vier Längsadern ziehen (eins, drei, fünf), deren mittelſte charakteriſtiſch vor der Flügelſpitze in den Vorderrand mündet. Die Onerader pflegt ſo zart zu ſein, daß man ſie nur bei ſehr günſtig auffallendem Lichte bemerkt. Die mondförmigen Augen berühren einander auf dem Scheitel des kleinen Kopfes, und am dicken Rüſſel ſtehen nach Taſchenberg, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben. VI.) 25

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/409>, abgerufen am 23.11.2024.