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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Zweiflügler. Fliegen.
Wesen und meist auch in der Färbung dem Blicke des Unkundigen nur Stubenfliegen zu sein, scheinen
sich aber bei näherer Betrachtung durch den Mangel der Spitzenquerader von ihnen unterscheiden.
Sie sind die echten Proletarier unter den Fliegen, welche man verhältnißmäßig am wenigsten der
Beachtung würdigt, und welche ihrer Einförmigkeit halber selbst dem Forscher große Schwierigkeiten
bereiten. Allein von der Gattung Anthomyia kennt man über zweihundert Europäer, deren Larven
theilweise Unfug an den verschiedensten Kulturgewächsen treiben. So findet man A. furcata einzeln im
Herzen der Speisezwiebeln (Allium Cepa) und A. ceparum in zwei bis drei Generationen vom
Mai bis Oktober gleichfalls da, aber in anderer Art. Sie arbeitet nämlich Gänge in der Nähe
des Zwiebelbodens und vernichtet dadurch sehr viele Zwiebeln. Die Kohlfliege (A. brassicae)
durchwühlt als Larve vom Juli bis November die Kohlstrünke und tödtet sie; die Radieschen-
fliege
(A. radicum) zerstört die bekannten Radieschen; die Made der Runkelfliege (A. conformis)
minirt in den jungen Runkelblättern; die der Lattichfliege (A. lactucae) frißt im Angust und
September die Samen der Salatarten aus, und andere leben in gleicher Weise in anderen Gewächsen,
die meisten jedoch halten sich in faulenden Pflanzenstoffen auf. Sie alle und Hunderte von
anderen Arten und Gattungen gehören zu denjenigen Fliegen, bei denen die Flügelschüppchen die
Schwingen mehr oder weniger vollständig bedecken. Weit mauchfaltiger sind die Mitglieder der andern
Gruppe, bei welcher jene frei liegen; einige derselben müssen hier gleichfalls vorgeführt werden.

Von den zahlreichen Arten, welche sich durch netzartig oder sonstwie zierlich gezeichnete,
bisweilen auch durchaus dunkle Flügel, durch eigenthümliche Bildung ihrer dreigliedrigen Fühler
oder die Gestalt des Kopfes auszeichnen (Tetanocera. Elgiva, Sepedon, Ortalis u. a.), wollen wir
nur der hübschen Bohrfliegen (Trypetinae) gedenken, bei welchen der weibliche Hinterleib in
eine lange, gegliederte Legröhre auslänft, womit sie ihre Eier in die verschiedensten Theile lebender
Pflanzen, wie z. B. an den Fruchtboden der Disteln u. a. Compositen legen, damit sich die Larven von
deren Samen ernähren. Neuerdings hat die Made der Spargelfliege (Platyparea poeciloptera)
stellenweise die Anfmerksamkeit der Gärtner auf sich gezogen. Bald nach dem Erscheinen der ersten

[Abbildung] Spargelftiege (Piatyparea poccilop-
tera
), Eier legendes Weidchen in natürlicher
Größe, vergrößertes Männchen.
Keime genannter Pflanze, also Anfangs Mai stellt sich die
Fliege ein und legt ihre Eier zwischen die Schuppen des
Spargelkopfes. Nach vierzehn bis einundzwanzig Tagen, je
nach der Witterung, kriechen die weißen Maden aus und fressen
sich von oben herab durch den Stengel bis auf dessen untern,
holzigen Theil. Diese Wanderung ist nach etwa 14 Tagen
beendet und die Made dann, in der Länge dreier Linien,
erwachsen und zur Verpuppung reif. Diese beginnt also Mitte
Juni und ist bis Ende genannten Monats bei allen Jndividuen
erfolgt, deren bis acht und mehr in einem Stengel sitzen können.
Die von Maden bewohnten Spargelpflanzen zeigen sehr bald
ein krüppelhaftes, meist oben gebogenes Wachsthum und werden
gelb und faulig, noch ehe die Verpuppung vollendet ist. Das
Tonnenpüppchen, an den äußersten Enden schwarz, sonst ziemlich glänzend bräunlichgelb, erscheint
am Rücken etwas gewölbter, als am Bauche. Das Hinterende trägt ein ankerartiges, kurzes
Doppelhäkchen, das vorn mehr oder weniger gerade abgestutzte Vorderende ist etwas runzelig ein-
geschnürt. Jm nächsten Frühjahre stößt die Fliege eine Schuppe in der Nackengegend los und
kommt zum Vorscheine. Dieselbe erreicht die Größe unserer Stubenfliege kaum, ist am Kopf, an
den Brustseiten und Beinen glänzend braunroth, das Gesicht mit den Backen, Mundtheilen und
Fühlern am hellsten, mehr rostgelb. Das Brustschild ist zart graulich bereift, von drei schmalen,
mehr oder weniger deutlichen, schwarzen Längsstriemen durchzogen, das Schildchen glänzend schwarz,
der Hinterleib bräunlich schwarz, an den Hinterrändern der Segmente grau, beim Weibchen zugespitzt
und tief schwarz, die Legröhre dagegen rostgelb, beim Männchen stumpf, im ganzen Verlaufe

Die Zweiflügler. Fliegen.
Weſen und meiſt auch in der Färbung dem Blicke des Unkundigen nur Stubenfliegen zu ſein, ſcheinen
ſich aber bei näherer Betrachtung durch den Mangel der Spitzenquerader von ihnen unterſcheiden.
Sie ſind die echten Proletarier unter den Fliegen, welche man verhältnißmäßig am wenigſten der
Beachtung würdigt, und welche ihrer Einförmigkeit halber ſelbſt dem Forſcher große Schwierigkeiten
bereiten. Allein von der Gattung Anthomyia kennt man über zweihundert Europäer, deren Larven
theilweiſe Unfug an den verſchiedenſten Kulturgewächſen treiben. So findet man A. furcata einzeln im
Herzen der Speiſezwiebeln (Allium Cepa) und A. ceparum in zwei bis drei Generationen vom
Mai bis Oktober gleichfalls da, aber in anderer Art. Sie arbeitet nämlich Gänge in der Nähe
des Zwiebelbodens und vernichtet dadurch ſehr viele Zwiebeln. Die Kohlfliege (A. brassicae)
durchwühlt als Larve vom Juli bis November die Kohlſtrünke und tödtet ſie; die Radieschen-
fliege
(A. radicum) zerſtört die bekannten Radieschen; die Made der Runkelfliege (A. conformis)
minirt in den jungen Runkelblättern; die der Lattichfliege (A. lactucae) frißt im Anguſt und
September die Samen der Salatarten aus, und andere leben in gleicher Weiſe in anderen Gewächſen,
die meiſten jedoch halten ſich in faulenden Pflanzenſtoffen auf. Sie alle und Hunderte von
anderen Arten und Gattungen gehören zu denjenigen Fliegen, bei denen die Flügelſchüppchen die
Schwingen mehr oder weniger vollſtändig bedecken. Weit mauchfaltiger ſind die Mitglieder der andern
Gruppe, bei welcher jene frei liegen; einige derſelben müſſen hier gleichfalls vorgeführt werden.

Von den zahlreichen Arten, welche ſich durch netzartig oder ſonſtwie zierlich gezeichnete,
bisweilen auch durchaus dunkle Flügel, durch eigenthümliche Bildung ihrer dreigliedrigen Fühler
oder die Geſtalt des Kopfes auszeichnen (Tetanocera. Elgiva, Sepedon, Ortalis u. a.), wollen wir
nur der hübſchen Bohrfliegen (Trypetinae) gedenken, bei welchen der weibliche Hinterleib in
eine lange, gegliederte Legröhre auslänft, womit ſie ihre Eier in die verſchiedenſten Theile lebender
Pflanzen, wie z. B. an den Fruchtboden der Diſteln u. a. Compoſiten legen, damit ſich die Larven von
deren Samen ernähren. Neuerdings hat die Made der Spargelfliege (Platyparea poeciloptera)
ſtellenweiſe die Anfmerkſamkeit der Gärtner auf ſich gezogen. Bald nach dem Erſcheinen der erſten

[Abbildung] Spargelftiege (Piatyparea poccilop-
tera
), Eier legendes Weidchen in natürlicher
Größe, vergrößertes Männchen.
Keime genannter Pflanze, alſo Anfangs Mai ſtellt ſich die
Fliege ein und legt ihre Eier zwiſchen die Schuppen des
Spargelkopfes. Nach vierzehn bis einundzwanzig Tagen, je
nach der Witterung, kriechen die weißen Maden aus und freſſen
ſich von oben herab durch den Stengel bis auf deſſen untern,
holzigen Theil. Dieſe Wanderung iſt nach etwa 14 Tagen
beendet und die Made dann, in der Länge dreier Linien,
erwachſen und zur Verpuppung reif. Dieſe beginnt alſo Mitte
Juni und iſt bis Ende genannten Monats bei allen Jndividuen
erfolgt, deren bis acht und mehr in einem Stengel ſitzen können.
Die von Maden bewohnten Spargelpflanzen zeigen ſehr bald
ein krüppelhaftes, meiſt oben gebogenes Wachsthum und werden
gelb und faulig, noch ehe die Verpuppung vollendet iſt. Das
Tonnenpüppchen, an den äußerſten Enden ſchwarz, ſonſt ziemlich glänzend bräunlichgelb, erſcheint
am Rücken etwas gewölbter, als am Bauche. Das Hinterende trägt ein ankerartiges, kurzes
Doppelhäkchen, das vorn mehr oder weniger gerade abgeſtutzte Vorderende iſt etwas runzelig ein-
geſchnürt. Jm nächſten Frühjahre ſtößt die Fliege eine Schuppe in der Nackengegend los und
kommt zum Vorſcheine. Dieſelbe erreicht die Größe unſerer Stubenfliege kaum, iſt am Kopf, an
den Bruſtſeiten und Beinen glänzend braunroth, das Geſicht mit den Backen, Mundtheilen und
Fühlern am hellſten, mehr roſtgelb. Das Bruſtſchild iſt zart graulich bereift, von drei ſchmalen,
mehr oder weniger deutlichen, ſchwarzen Längsſtriemen durchzogen, das Schildchen glänzend ſchwarz,
der Hinterleib bräunlich ſchwarz, an den Hinterrändern der Segmente grau, beim Weibchen zugeſpitzt
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[412/0438] Die Zweiflügler. Fliegen. Weſen und meiſt auch in der Färbung dem Blicke des Unkundigen nur Stubenfliegen zu ſein, ſcheinen ſich aber bei näherer Betrachtung durch den Mangel der Spitzenquerader von ihnen unterſcheiden. Sie ſind die echten Proletarier unter den Fliegen, welche man verhältnißmäßig am wenigſten der Beachtung würdigt, und welche ihrer Einförmigkeit halber ſelbſt dem Forſcher große Schwierigkeiten bereiten. Allein von der Gattung Anthomyia kennt man über zweihundert Europäer, deren Larven theilweiſe Unfug an den verſchiedenſten Kulturgewächſen treiben. So findet man A. furcata einzeln im Herzen der Speiſezwiebeln (Allium Cepa) und A. ceparum in zwei bis drei Generationen vom Mai bis Oktober gleichfalls da, aber in anderer Art. Sie arbeitet nämlich Gänge in der Nähe des Zwiebelbodens und vernichtet dadurch ſehr viele Zwiebeln. Die Kohlfliege (A. brassicae) durchwühlt als Larve vom Juli bis November die Kohlſtrünke und tödtet ſie; die Radieschen- fliege (A. radicum) zerſtört die bekannten Radieschen; die Made der Runkelfliege (A. conformis) minirt in den jungen Runkelblättern; die der Lattichfliege (A. lactucae) frißt im Anguſt und September die Samen der Salatarten aus, und andere leben in gleicher Weiſe in anderen Gewächſen, die meiſten jedoch halten ſich in faulenden Pflanzenſtoffen auf. Sie alle und Hunderte von anderen Arten und Gattungen gehören zu denjenigen Fliegen, bei denen die Flügelſchüppchen die Schwingen mehr oder weniger vollſtändig bedecken. Weit mauchfaltiger ſind die Mitglieder der andern Gruppe, bei welcher jene frei liegen; einige derſelben müſſen hier gleichfalls vorgeführt werden. Von den zahlreichen Arten, welche ſich durch netzartig oder ſonſtwie zierlich gezeichnete, bisweilen auch durchaus dunkle Flügel, durch eigenthümliche Bildung ihrer dreigliedrigen Fühler oder die Geſtalt des Kopfes auszeichnen (Tetanocera. Elgiva, Sepedon, Ortalis u. a.), wollen wir nur der hübſchen Bohrfliegen (Trypetinae) gedenken, bei welchen der weibliche Hinterleib in eine lange, gegliederte Legröhre auslänft, womit ſie ihre Eier in die verſchiedenſten Theile lebender Pflanzen, wie z. B. an den Fruchtboden der Diſteln u. a. Compoſiten legen, damit ſich die Larven von deren Samen ernähren. Neuerdings hat die Made der Spargelfliege (Platyparea poeciloptera) ſtellenweiſe die Anfmerkſamkeit der Gärtner auf ſich gezogen. Bald nach dem Erſcheinen der erſten [Abbildung Spargelftiege (Piatyparea poccilop- tera), Eier legendes Weidchen in natürlicher Größe, vergrößertes Männchen.] Keime genannter Pflanze, alſo Anfangs Mai ſtellt ſich die Fliege ein und legt ihre Eier zwiſchen die Schuppen des Spargelkopfes. Nach vierzehn bis einundzwanzig Tagen, je nach der Witterung, kriechen die weißen Maden aus und freſſen ſich von oben herab durch den Stengel bis auf deſſen untern, holzigen Theil. Dieſe Wanderung iſt nach etwa 14 Tagen beendet und die Made dann, in der Länge dreier Linien, erwachſen und zur Verpuppung reif. Dieſe beginnt alſo Mitte Juni und iſt bis Ende genannten Monats bei allen Jndividuen erfolgt, deren bis acht und mehr in einem Stengel ſitzen können. Die von Maden bewohnten Spargelpflanzen zeigen ſehr bald ein krüppelhaftes, meiſt oben gebogenes Wachsthum und werden gelb und faulig, noch ehe die Verpuppung vollendet iſt. Das Tonnenpüppchen, an den äußerſten Enden ſchwarz, ſonſt ziemlich glänzend bräunlichgelb, erſcheint am Rücken etwas gewölbter, als am Bauche. Das Hinterende trägt ein ankerartiges, kurzes Doppelhäkchen, das vorn mehr oder weniger gerade abgeſtutzte Vorderende iſt etwas runzelig ein- geſchnürt. Jm nächſten Frühjahre ſtößt die Fliege eine Schuppe in der Nackengegend los und kommt zum Vorſcheine. Dieſelbe erreicht die Größe unſerer Stubenfliege kaum, iſt am Kopf, an den Bruſtſeiten und Beinen glänzend braunroth, das Geſicht mit den Backen, Mundtheilen und Fühlern am hellſten, mehr roſtgelb. Das Bruſtſchild iſt zart graulich bereift, von drei ſchmalen, mehr oder weniger deutlichen, ſchwarzen Längsſtriemen durchzogen, das Schildchen glänzend ſchwarz, der Hinterleib bräunlich ſchwarz, an den Hinterrändern der Segmente grau, beim Weibchen zugeſpitzt und tief ſchwarz, die Legröhre dagegen roſtgelb, beim Männchen ſtumpf, im ganzen Verlaufe

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/438>, abgerufen am 23.11.2024.