als wenn das Thier selbst noch darin säße, freilich schrumpfen die Hinterränder der Flügelscheiden alsbald zusammen (s. vorige Abbildung). Dieser Umstand veranlaßte wohl den Namen "Haft", und nicht das Klebenbleiben der Thiere an frisch getheerten Schiffen, wovon ihn Rösel ableitet. Mir ist aus meiner Jugendzeit, wo ich dergleichen Dinge mit andern Augen ansah, als heutigentages noch in der Erinnerung, eine solche Häutung in der Luft, während des Fluges wahrgenommen zu haben. War es Tänschung, war es Wahrheit? Nach dem eben geschilderten Hergange scheint mir die Möglichkeit eines solchen Vorganges nicht ausgeschlossen. Die Verschiedenheiten zwischen Subimago und Jmago aufzufinden, setzt einige Uebung voraus. Jenes erscheint wegen der schlotternden Haut plumper, seine Glieder sind dicker und kürzer, besonders die männlichen Vorder- beine, die Färbung ist unbestimmter und schmutziger; bei diesem treten alle Umrisse und Formen schärfer, die Farben reiner hervor. Alles ist glänzender und frischer, das Bild (Jmago) jetzt erst klar und wahr. Uebrigens geben die Flügel untrügliche Merkmale ab, wie Pictet ausführlicher auseinandersetzt.
An einem stillen Mai- oder Juni-Abende gewährt es einen Zauber eigenthümlicher Art, diese Sylphiden im hochzeitlichen Florkleide bestrahlt vom Golde der sinkenden Sonne sich in der würzigen Luft wiegen zu sehen. Wie verklärte Geister steigen sie auf und nieder ohne sichtliche Bewegung ihrer glitzernden Flügel und trinken Lust und Wonne in den wenigen Stunden, welche zwischen ihrem Erscheinen und Verschwinden, ihrem Leben und Sterben liegen; denn sie führen den Hochzeitsreigen auf, wiewohl merkwürdigerweise unter Tausenden von Männchen nur wenige Weibchen vorkommen. Man kann diese Tänze bei uns zu Lande am besten beobachten an der gemeinen Eintagsfliege (Ephemera vulgata), weil sie die größte ist, am häufigsten in Deutschland und zwar schon im Mai vorkommt und sich in Folge ihrer dunkeln Färbung am schärfsten gegen den Abendhimmel abgrenzt. Sie mißt 8 bis 9 Linien ohne die Schwanzborsten, welche beim Weibchen eine gleiche, beim Männchen fast die doppelte Länge haben und ist dunkelbraun; einige gereihete, bisweilen zusammenstoßende Flecke von pommeranzengelber Farbe auf dem Hinterleibe, abwechselnd lichte und dunkle Ringel der drei unter sich gleichen Schwanzfäden verleihen dem düstern Gewande einigen Schmuck, so wie eine braune, gekürzte Mittelbinde auf den dreieckigen Vorderflügeln den dicht netzförmig und dunkel geaderten, in den Zwischenräumen durchsichtigen Flügeln etwas Abwechselung. An jedem Beine zählt man fünf Fußglieder, deren zweites das erste beinahe um das Achtsache an Länge übertrifft. Die gesperrt ge- druckten Merkmale kommen allen Arten der Gattung Ephemera zu, deren neuerdings nur noch wenige verblieben sind.
Fragen wir nun, wo kommen sie her, jene ephemeren Erscheinungen? Sie entsteigen, gleich den vorigen, dem fließenden Wasser, wo die Larven ihre Lebenszeit mit Raub
[Abbildung]
Männchen der gemeinen Eintagsfliege (Ephemera vulgata).
verbrachten, nachdem die Weibchen die Eier in dasselbe ausgestreut hatten. Die gestreckte Larve unserer Art hat auf jeder Seite des Hinterleibes sechs Kiemenbüschel oder Quasten, keine Kiemen- blättchen. Der Kopf länft vorn in zwei Spitzen aus, trägt fein behaarte Fühler und lange, sichelförmig nach oben gekrümmte Kinnbacken und Kiefertaster, welche dreimal länger als die Lippentaster sind. Die einklauigen Beine sind glatt und bewimpert, Schenkel und Schienen der vordersten stärker, zum Graben eingerichtet; denn sie arbeiten sich in sandige Ufer, der Bäche lieber als der Flüsse hinein. Die Wohnungen bestehen aus wagrechten, höchstens zwei Zoll weit nach hinten führenden Röhren, meist zweien neben einander, welche durch eine schmale Scheidewand
Gemeine Eintagsfliege.
als wenn das Thier ſelbſt noch darin ſäße, freilich ſchrumpfen die Hinterränder der Flügelſcheiden alsbald zuſammen (ſ. vorige Abbildung). Dieſer Umſtand veranlaßte wohl den Namen „Haft“, und nicht das Klebenbleiben der Thiere an friſch getheerten Schiffen, wovon ihn Röſel ableitet. Mir iſt aus meiner Jugendzeit, wo ich dergleichen Dinge mit andern Augen anſah, als heutigentages noch in der Erinnerung, eine ſolche Häutung in der Luft, während des Fluges wahrgenommen zu haben. War es Tänſchung, war es Wahrheit? Nach dem eben geſchilderten Hergange ſcheint mir die Möglichkeit eines ſolchen Vorganges nicht ausgeſchloſſen. Die Verſchiedenheiten zwiſchen Subimago und Jmago aufzufinden, ſetzt einige Uebung voraus. Jenes erſcheint wegen der ſchlotternden Haut plumper, ſeine Glieder ſind dicker und kürzer, beſonders die männlichen Vorder- beine, die Färbung iſt unbeſtimmter und ſchmutziger; bei dieſem treten alle Umriſſe und Formen ſchärfer, die Farben reiner hervor. Alles iſt glänzender und friſcher, das Bild (Jmago) jetzt erſt klar und wahr. Uebrigens geben die Flügel untrügliche Merkmale ab, wie Pictet ausführlicher auseinanderſetzt.
An einem ſtillen Mai- oder Juni-Abende gewährt es einen Zauber eigenthümlicher Art, dieſe Sylphiden im hochzeitlichen Florkleide beſtrahlt vom Golde der ſinkenden Sonne ſich in der würzigen Luft wiegen zu ſehen. Wie verklärte Geiſter ſteigen ſie auf und nieder ohne ſichtliche Bewegung ihrer glitzernden Flügel und trinken Luſt und Wonne in den wenigen Stunden, welche zwiſchen ihrem Erſcheinen und Verſchwinden, ihrem Leben und Sterben liegen; denn ſie führen den Hochzeitsreigen auf, wiewohl merkwürdigerweiſe unter Tauſenden von Männchen nur wenige Weibchen vorkommen. Man kann dieſe Tänze bei uns zu Lande am beſten beobachten an der gemeinen Eintagsfliege (Ephemera vulgata), weil ſie die größte iſt, am häufigſten in Deutſchland und zwar ſchon im Mai vorkommt und ſich in Folge ihrer dunkeln Färbung am ſchärfſten gegen den Abendhimmel abgrenzt. Sie mißt 8 bis 9 Linien ohne die Schwanzborſten, welche beim Weibchen eine gleiche, beim Männchen faſt die doppelte Länge haben und iſt dunkelbraun; einige gereihete, bisweilen zuſammenſtoßende Flecke von pommeranzengelber Farbe auf dem Hinterleibe, abwechſelnd lichte und dunkle Ringel der drei unter ſich gleichen Schwanzfäden verleihen dem düſtern Gewande einigen Schmuck, ſo wie eine braune, gekürzte Mittelbinde auf den dreieckigen Vorderflügeln den dicht netzförmig und dunkel geaderten, in den Zwiſchenräumen durchſichtigen Flügeln etwas Abwechſelung. An jedem Beine zählt man fünf Fußglieder, deren zweites das erſte beinahe um das Achtſache an Länge übertrifft. Die geſperrt ge- druckten Merkmale kommen allen Arten der Gattung Ephemera zu, deren neuerdings nur noch wenige verblieben ſind.
Fragen wir nun, wo kommen ſie her, jene ephemeren Erſcheinungen? Sie entſteigen, gleich den vorigen, dem fließenden Waſſer, wo die Larven ihre Lebenszeit mit Raub
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Männchen der gemeinen Eintagsfliege (Ephemera vulgata).
verbrachten, nachdem die Weibchen die Eier in daſſelbe ausgeſtreut hatten. Die geſtreckte Larve unſerer Art hat auf jeder Seite des Hinterleibes ſechs Kiemenbüſchel oder Quaſten, keine Kiemen- blättchen. Der Kopf länft vorn in zwei Spitzen aus, trägt fein behaarte Fühler und lange, ſichelförmig nach oben gekrümmte Kinnbacken und Kiefertaſter, welche dreimal länger als die Lippentaſter ſind. Die einklauigen Beine ſind glatt und bewimpert, Schenkel und Schienen der vorderſten ſtärker, zum Graben eingerichtet; denn ſie arbeiten ſich in ſandige Ufer, der Bäche lieber als der Flüſſe hinein. Die Wohnungen beſtehen aus wagrechten, höchſtens zwei Zoll weit nach hinten führenden Röhren, meiſt zweien neben einander, welche durch eine ſchmale Scheidewand
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Gemeine Eintagsfliege.
als wenn das Thier ſelbſt noch darin ſäße, freilich ſchrumpfen die Hinterränder der Flügelſcheiden
alsbald zuſammen (ſ. vorige Abbildung). Dieſer Umſtand veranlaßte wohl den Namen „Haft“, und
nicht das Klebenbleiben der Thiere an friſch getheerten Schiffen, wovon ihn Röſel ableitet. Mir
iſt aus meiner Jugendzeit, wo ich dergleichen Dinge mit andern Augen anſah, als heutigentages
noch in der Erinnerung, eine ſolche Häutung in der Luft, während des Fluges wahrgenommen
zu haben. War es Tänſchung, war es Wahrheit? Nach dem eben geſchilderten Hergange ſcheint
mir die Möglichkeit eines ſolchen Vorganges nicht ausgeſchloſſen. Die Verſchiedenheiten zwiſchen
Subimago und Jmago aufzufinden, ſetzt einige Uebung voraus. Jenes erſcheint wegen der
ſchlotternden Haut plumper, ſeine Glieder ſind dicker und kürzer, beſonders die männlichen Vorder-
beine, die Färbung iſt unbeſtimmter und ſchmutziger; bei dieſem treten alle Umriſſe und Formen
ſchärfer, die Farben reiner hervor. Alles iſt glänzender und friſcher, das Bild (Jmago) jetzt erſt
klar und wahr. Uebrigens geben die Flügel untrügliche Merkmale ab, wie Pictet ausführlicher
auseinanderſetzt.
An einem ſtillen Mai- oder Juni-Abende gewährt es einen Zauber eigenthümlicher Art,
dieſe Sylphiden im hochzeitlichen Florkleide beſtrahlt vom Golde der ſinkenden Sonne ſich in der
würzigen Luft wiegen zu ſehen. Wie verklärte Geiſter ſteigen ſie auf und nieder ohne ſichtliche
Bewegung ihrer glitzernden Flügel und trinken Luſt und Wonne in den wenigen Stunden, welche
zwiſchen ihrem Erſcheinen und Verſchwinden, ihrem Leben und Sterben liegen; denn ſie führen
den Hochzeitsreigen auf, wiewohl merkwürdigerweiſe unter Tauſenden von Männchen nur wenige
Weibchen vorkommen. Man kann dieſe Tänze bei uns zu Lande am beſten beobachten an der
gemeinen Eintagsfliege (Ephemera vulgata), weil ſie die größte iſt, am häufigſten in
Deutſchland und zwar ſchon im Mai vorkommt und ſich in Folge ihrer dunkeln Färbung am
ſchärfſten gegen den Abendhimmel abgrenzt. Sie mißt 8 bis
9 Linien ohne die Schwanzborſten, welche beim Weibchen eine
gleiche, beim Männchen faſt die doppelte Länge haben und iſt
dunkelbraun; einige gereihete, bisweilen zuſammenſtoßende
Flecke von pommeranzengelber Farbe auf dem Hinterleibe,
abwechſelnd lichte und dunkle Ringel der drei unter ſich
gleichen Schwanzfäden verleihen dem düſtern Gewande
einigen Schmuck, ſo wie eine braune, gekürzte Mittelbinde
auf den dreieckigen Vorderflügeln den dicht netzförmig
und dunkel geaderten, in den Zwiſchenräumen durchſichtigen
Flügeln etwas Abwechſelung. An jedem Beine zählt man
fünf Fußglieder, deren zweites das erſte beinahe um
das Achtſache an Länge übertrifft. Die geſperrt ge-
druckten Merkmale kommen allen Arten der Gattung Ephemera
zu, deren neuerdings nur noch wenige verblieben ſind.
Fragen wir nun, wo kommen ſie her, jene ephemeren
Erſcheinungen? Sie entſteigen, gleich den vorigen, dem
fließenden Waſſer, wo die Larven ihre Lebenszeit mit Raub
[Abbildung Männchen der gemeinen Eintagsfliege
(Ephemera vulgata).]
verbrachten, nachdem die Weibchen die Eier in daſſelbe ausgeſtreut hatten. Die geſtreckte Larve
unſerer Art hat auf jeder Seite des Hinterleibes ſechs Kiemenbüſchel oder Quaſten, keine Kiemen-
blättchen. Der Kopf länft vorn in zwei Spitzen aus, trägt fein behaarte Fühler und lange,
ſichelförmig nach oben gekrümmte Kinnbacken und Kiefertaſter, welche dreimal länger als die
Lippentaſter ſind. Die einklauigen Beine ſind glatt und bewimpert, Schenkel und Schienen der
vorderſten ſtärker, zum Graben eingerichtet; denn ſie arbeiten ſich in ſandige Ufer, der Bäche lieber
als der Flüſſe hinein. Die Wohnungen beſtehen aus wagrechten, höchſtens zwei Zoll weit nach
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/469>, abgerufen am 23.11.2024.
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