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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Lichtschene Termite.
im Freien nur dann schwärmen, wenn er zu der bestimmten Zeit ein Nest öffnete; seine Gefangenen
starben im Juli. Einmal, als das Glas in der Sonne stand, kamen sie an die Oberfläche des
Nestes, die Weibchen verfolgt von sehr hitzigen Männchen, meist von einem, seltener von zweien, und
zwar so nahe, daß man hätte meinen sollen, es habe die Hinterleibsspitze mit den Kinnbacken
gefaßt. Die Paarung konnte er weder hier noch im Freien beobachten und ich bin nach dem,
was ich darüber gelesen habe, der Ueberzeugung, daß sie nicht in der Luft, sondern nach dem
Verlust der Flügel auf der Erde und zwar in einem dunkeln Winkel oder während der Nacht
erfolgt. Dieses emsige Nachlaufen des Männchens, was auch bei andern Arten beobachtet wurde,
die Licht- und Luftscheue der Thiere, welche sie während ihrer ganzen Lebenszeit als Eigenthüm-
lichkeit bewahren, läßt mit voller Bestimmtheit erwarten, daß sie es nicht den Honigbienen, den
Kindern des Lichts, nachthuen. -- Wie es scheint, sind Königinnen selten aufzufinden, und was
Lespes über sie berichtet, enthält zum Theil Widersprüche. Er traf wohl Eier, allemal in
Klumpen vereinigt, an, niemals aber eine Königin dabei und meint, daß sie von den im August
schwärmenden Jmagos kommen müsse. Wenn einmal zwei Schwärme vorhanden sind, so sehe ich
gar keinen Grund ein, warum nicht von jedem ein Königspaar abstammen könne! Nach eifrigem
Suchen gelang es ihm endlich, den 28. Juli zwei Pärchen und zwar in einem und demselben
Baumstumpfe anzutreffen, jedes aber in einer besonderen Zelle, die beide in keinem Zusammen-
hange standen und die Vermuthung nahe legten, daß hier zwei Kolonien neben einander hausten,
wie im oben erwähnten Falle eine neben einer Ameisenkolonie. Arbeiter und Soldaten leisteten
Gesellschaft, so wie Larven und -- Eier, aber keine Nymphen. Daß die Eier nicht von dem
Weibchen sein konnten, ergab dessen anatomische Untersuchung. Auch im November traf Lespes
ein derartiges Pärchen in einem kleinen Neste und in den Eierstöcken des Weibchens Eier mit Schale.
Königinnen fand er im December, März und Juli in Gesellschaft eines Königs oder ohne solchen.
Von jenen gibt er an, daß sie mehr und mehr wachsen, je älter sie würden, sich in keiner
besonderen Zelle, sondern nur in einer tiefer gelegenen Gallerie mit dem sehr lebhaften König
zusammen aufhielten, daß sie trotz ihrer Wohlbeleibtheit behend kriechen könnten und erst ein Jahr
nach der letzten Häutung mit dem Legen der Eier anfingen, was nur kurze Zeit und zwar im
Juli geschehen müsse.

Wie ungeachtet der eifrigen Forschungen Einzelner die Natur in ihrem Walten der Geheim-
nisse noch gar viele birgt, auch solcher, welche der menschliche Scharfblick durch unermüdliche
Beobachtung zu enthüllen vermag, hat wiederum das Leben der "weißen Ameisen" bewiesen und
den Mahnruf an alle Strebsame erneuert: Suchet, so werdet Jhr finden!



"Preußen" nennt in Rußland der gemeine Mann Thiere, welche der oberösterreichische Bauer
als "Russen" bezeichnet und welche hier wie dort und noch anderwärts in den Häusern ungemein
lästig fallen. Die Russen meinen, dieselben seien durch die nach Beendigung des siebenjährigen
Krieges aus Deutschland zurückkehrenden Truppen eingeschleppt worden, bis dahin wenigstens habe
man sie in Petersburg noch nicht gekannt. Die Oesterreicher rechtfertigen ihre Benennung mit der
Ansicht, die Thiere seien durch Teichgräber aus Böhmen nach Oberösterreich (Traunkreis) gebracht
worden und dorthin vorher durch russische Unterthanen gelangt, welche zum Stöckeausrotten von
böhmischen Glashüttenbesitzern als Tagelöhner verwendet worden seien. Wie leicht sich die deutsche
Schabe
(Blatta germanica), um welche es sich hier handelt, von einem Orte zu einem andern
verschleppen lasse, davon legt folgende Thatsache Zeugniß ab. Jn einer Brauerei zu Breslau hatten
die Schaben so überhand genommen, daß sie auf den Tischen der Bierstuben umherliefen, den
Gästen an die Kleider krochen und sich besonders gern unter die Rockkragen versteckten. Sie kommen

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Lichtſchene Termite.
im Freien nur dann ſchwärmen, wenn er zu der beſtimmten Zeit ein Neſt öffnete; ſeine Gefangenen
ſtarben im Juli. Einmal, als das Glas in der Sonne ſtand, kamen ſie an die Oberfläche des
Neſtes, die Weibchen verfolgt von ſehr hitzigen Männchen, meiſt von einem, ſeltener von zweien, und
zwar ſo nahe, daß man hätte meinen ſollen, es habe die Hinterleibsſpitze mit den Kinnbacken
gefaßt. Die Paarung konnte er weder hier noch im Freien beobachten und ich bin nach dem,
was ich darüber geleſen habe, der Ueberzeugung, daß ſie nicht in der Luft, ſondern nach dem
Verluſt der Flügel auf der Erde und zwar in einem dunkeln Winkel oder während der Nacht
erfolgt. Dieſes emſige Nachlaufen des Männchens, was auch bei andern Arten beobachtet wurde,
die Licht- und Luftſcheue der Thiere, welche ſie während ihrer ganzen Lebenszeit als Eigenthüm-
lichkeit bewahren, läßt mit voller Beſtimmtheit erwarten, daß ſie es nicht den Honigbienen, den
Kindern des Lichts, nachthuen. — Wie es ſcheint, ſind Königinnen ſelten aufzufinden, und was
Lespès über ſie berichtet, enthält zum Theil Widerſprüche. Er traf wohl Eier, allemal in
Klumpen vereinigt, an, niemals aber eine Königin dabei und meint, daß ſie von den im Auguſt
ſchwärmenden Jmagos kommen müſſe. Wenn einmal zwei Schwärme vorhanden ſind, ſo ſehe ich
gar keinen Grund ein, warum nicht von jedem ein Königspaar abſtammen könne! Nach eifrigem
Suchen gelang es ihm endlich, den 28. Juli zwei Pärchen und zwar in einem und demſelben
Baumſtumpfe anzutreffen, jedes aber in einer beſonderen Zelle, die beide in keinem Zuſammen-
hange ſtanden und die Vermuthung nahe legten, daß hier zwei Kolonien neben einander hausten,
wie im oben erwähnten Falle eine neben einer Ameiſenkolonie. Arbeiter und Soldaten leiſteten
Geſellſchaft, ſo wie Larven und — Eier, aber keine Nymphen. Daß die Eier nicht von dem
Weibchen ſein konnten, ergab deſſen anatomiſche Unterſuchung. Auch im November traf Lespès
ein derartiges Pärchen in einem kleinen Neſte und in den Eierſtöcken des Weibchens Eier mit Schale.
Königinnen fand er im December, März und Juli in Geſellſchaft eines Königs oder ohne ſolchen.
Von jenen gibt er an, daß ſie mehr und mehr wachſen, je älter ſie würden, ſich in keiner
beſonderen Zelle, ſondern nur in einer tiefer gelegenen Gallerie mit dem ſehr lebhaften König
zuſammen aufhielten, daß ſie trotz ihrer Wohlbeleibtheit behend kriechen könnten und erſt ein Jahr
nach der letzten Häutung mit dem Legen der Eier anfingen, was nur kurze Zeit und zwar im
Juli geſchehen müſſe.

Wie ungeachtet der eifrigen Forſchungen Einzelner die Natur in ihrem Walten der Geheim-
niſſe noch gar viele birgt, auch ſolcher, welche der menſchliche Scharfblick durch unermüdliche
Beobachtung zu enthüllen vermag, hat wiederum das Leben der „weißen Ameiſen“ bewieſen und
den Mahnruf an alle Strebſame erneuert: Suchet, ſo werdet Jhr finden!



Preußen“ nennt in Rußland der gemeine Mann Thiere, welche der oberöſterreichiſche Bauer
als „Ruſſen“ bezeichnet und welche hier wie dort und noch anderwärts in den Häuſern ungemein
läſtig fallen. Die Ruſſen meinen, dieſelben ſeien durch die nach Beendigung des ſiebenjährigen
Krieges aus Deutſchland zurückkehrenden Truppen eingeſchleppt worden, bis dahin wenigſtens habe
man ſie in Petersburg noch nicht gekannt. Die Oeſterreicher rechtfertigen ihre Benennung mit der
Anſicht, die Thiere ſeien durch Teichgräber aus Böhmen nach Oberöſterreich (Traunkreis) gebracht
worden und dorthin vorher durch ruſſiſche Unterthanen gelangt, welche zum Stöckeausrotten von
böhmiſchen Glashüttenbeſitzern als Tagelöhner verwendet worden ſeien. Wie leicht ſich die deutſche
Schabe
(Blatta germanica), um welche es ſich hier handelt, von einem Orte zu einem andern
verſchleppen laſſe, davon legt folgende Thatſache Zeugniß ab. Jn einer Brauerei zu Breslau hatten
die Schaben ſo überhand genommen, daß ſie auf den Tiſchen der Bierſtuben umherliefen, den
Gäſten an die Kleider krochen und ſich beſonders gern unter die Rockkragen verſteckten. Sie kommen

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[467/0497] Lichtſchene Termite. im Freien nur dann ſchwärmen, wenn er zu der beſtimmten Zeit ein Neſt öffnete; ſeine Gefangenen ſtarben im Juli. Einmal, als das Glas in der Sonne ſtand, kamen ſie an die Oberfläche des Neſtes, die Weibchen verfolgt von ſehr hitzigen Männchen, meiſt von einem, ſeltener von zweien, und zwar ſo nahe, daß man hätte meinen ſollen, es habe die Hinterleibsſpitze mit den Kinnbacken gefaßt. Die Paarung konnte er weder hier noch im Freien beobachten und ich bin nach dem, was ich darüber geleſen habe, der Ueberzeugung, daß ſie nicht in der Luft, ſondern nach dem Verluſt der Flügel auf der Erde und zwar in einem dunkeln Winkel oder während der Nacht erfolgt. Dieſes emſige Nachlaufen des Männchens, was auch bei andern Arten beobachtet wurde, die Licht- und Luftſcheue der Thiere, welche ſie während ihrer ganzen Lebenszeit als Eigenthüm- lichkeit bewahren, läßt mit voller Beſtimmtheit erwarten, daß ſie es nicht den Honigbienen, den Kindern des Lichts, nachthuen. — Wie es ſcheint, ſind Königinnen ſelten aufzufinden, und was Lespès über ſie berichtet, enthält zum Theil Widerſprüche. Er traf wohl Eier, allemal in Klumpen vereinigt, an, niemals aber eine Königin dabei und meint, daß ſie von den im Auguſt ſchwärmenden Jmagos kommen müſſe. Wenn einmal zwei Schwärme vorhanden ſind, ſo ſehe ich gar keinen Grund ein, warum nicht von jedem ein Königspaar abſtammen könne! Nach eifrigem Suchen gelang es ihm endlich, den 28. Juli zwei Pärchen und zwar in einem und demſelben Baumſtumpfe anzutreffen, jedes aber in einer beſonderen Zelle, die beide in keinem Zuſammen- hange ſtanden und die Vermuthung nahe legten, daß hier zwei Kolonien neben einander hausten, wie im oben erwähnten Falle eine neben einer Ameiſenkolonie. Arbeiter und Soldaten leiſteten Geſellſchaft, ſo wie Larven und — Eier, aber keine Nymphen. Daß die Eier nicht von dem Weibchen ſein konnten, ergab deſſen anatomiſche Unterſuchung. Auch im November traf Lespès ein derartiges Pärchen in einem kleinen Neſte und in den Eierſtöcken des Weibchens Eier mit Schale. Königinnen fand er im December, März und Juli in Geſellſchaft eines Königs oder ohne ſolchen. Von jenen gibt er an, daß ſie mehr und mehr wachſen, je älter ſie würden, ſich in keiner beſonderen Zelle, ſondern nur in einer tiefer gelegenen Gallerie mit dem ſehr lebhaften König zuſammen aufhielten, daß ſie trotz ihrer Wohlbeleibtheit behend kriechen könnten und erſt ein Jahr nach der letzten Häutung mit dem Legen der Eier anfingen, was nur kurze Zeit und zwar im Juli geſchehen müſſe. Wie ungeachtet der eifrigen Forſchungen Einzelner die Natur in ihrem Walten der Geheim- niſſe noch gar viele birgt, auch ſolcher, welche der menſchliche Scharfblick durch unermüdliche Beobachtung zu enthüllen vermag, hat wiederum das Leben der „weißen Ameiſen“ bewieſen und den Mahnruf an alle Strebſame erneuert: Suchet, ſo werdet Jhr finden! „Preußen“ nennt in Rußland der gemeine Mann Thiere, welche der oberöſterreichiſche Bauer als „Ruſſen“ bezeichnet und welche hier wie dort und noch anderwärts in den Häuſern ungemein läſtig fallen. Die Ruſſen meinen, dieſelben ſeien durch die nach Beendigung des ſiebenjährigen Krieges aus Deutſchland zurückkehrenden Truppen eingeſchleppt worden, bis dahin wenigſtens habe man ſie in Petersburg noch nicht gekannt. Die Oeſterreicher rechtfertigen ihre Benennung mit der Anſicht, die Thiere ſeien durch Teichgräber aus Böhmen nach Oberöſterreich (Traunkreis) gebracht worden und dorthin vorher durch ruſſiſche Unterthanen gelangt, welche zum Stöckeausrotten von böhmiſchen Glashüttenbeſitzern als Tagelöhner verwendet worden ſeien. Wie leicht ſich die deutſche Schabe (Blatta germanica), um welche es ſich hier handelt, von einem Orte zu einem andern verſchleppen laſſe, davon legt folgende Thatſache Zeugniß ab. Jn einer Brauerei zu Breslau hatten die Schaben ſo überhand genommen, daß ſie auf den Tiſchen der Bierſtuben umherliefen, den Gäſten an die Kleider krochen und ſich beſonders gern unter die Rockkragen verſteckten. Sie kommen 30*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/497>, abgerufen am 23.11.2024.