Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geradflügler. Schaben.
in die schwarze Farbe übergeht. Dieselbe, hier in ihrer natürlichen und von verschiedenen Seiten
in übernatürlicher Größe dargestellt, hat gleichfalls eine Längsscheidewand, in jedem Fache aber
nur acht Eizellen. Vom April bis zum August entwickelt sich die Kapsel im Leibe der Mutter
und soll nach der Ansicht der Einen sehr bald nachdem sie abgelegt wurde, wie Andere meinen,
erst nach fast Jahresfrist die Lärvchen entlassen. Beim Ausschlüpfen bleibt die erste Haut zurück
und ein sechsmaliger Wechsel folgt nach, aber in viel größeren Zwischenräumen als bei der vorigen
Art, wie man behauptet: zunächst nach vier Wochen, dann aber immer erst nach je einem
Jahre, so daß die Larve im zweiten Sommer die dritte Häutung bestände und so fort im sechsten
die letzte, die Schabe also fünf Jahre alt werden müßte, ehe sie sich fortpflanzt. Jch habe keine
eigenen Erfahrungen darüber angestellt, finde aber die Angabe des Alters etwas sehr hoch.

Die Küchenschabe, welche man wohl auch "Schwabe, Käfer" neunen hört, müßte ihres wissen-
schaftlichen Beinamens zufolge aus dem Morgenlande stammen, jedoch fehlen die Beweise dafür,
um dies mit voller Bestimmtheit aussprechen zu können. Man weiß nur, daß sie sich in Ostindien
wie in Amerika, nicht blos in Küstenstädten, sondern auch im Binnenlande und in ganz Europa
mehr oder weniger häufig findet, daß sie sich gern auf Schiffen aufhält und daß endlich ihre Ent-
wickelungsweise durch die Eikapsel sich ganz vorzüglich dazu eignet, durch Waarensendungen überall
hin verschleppt zu werden. Zuverlässige Nachrichten über ihr Vorhandensein in Europa reichen
etwa einhundertunddreißig Jahre zurück. Ob es wahr sei, daß sie hie und da durch die deutsche Schabe
verdrängt worden, wie man behauptet, wage ich ebenfalls nicht zu entscheiden, weiß nur, daß bei-
spielsweise zur Zeit beide Arten neben einander den Hamburgern lästig fallen. Die Liebhaberei der
Thiere, nasse Stellen aufzusuchen und besonders gern Bier zu lecken, kann zu ihrem Verderben benutzt
werden, wenn man feuchte Scheuerlappen auslegt, neben und unter welchen sie sich ansammeln
und diese dann mit Holzpantoffeln gründlich bearbeitet. Es gibt beim Zertreten eines Schaben-
weibchens einen kräftigen Knall, etwa so, wie wenn man eine Fischblase zertritt.

Auch die größere amerikanische Schabe (Periplaneta americana), deren Weibchen mit
vollkommen entwickelten Flügeln ausgestattet ist, hat sich in europäischen Seestädten, ja hie und
da im Binnenlande angesiedelt und kommt nicht selten, aber todt, mit den Tabaksballen zu uns
herüber. Eine rothbraune, auf der Unterseite lichtere Färbung kennzeichnet ihren 11/4 Zoll
messenden Körper, so wie eine helle Binde vor seinem Hinterrande das ziemlich runde Halsschild.

Die Riesenschabe (Blabera gigantea), in Westindien auch der "Trommler" genannt, weil
sie ein Geräusch bei ihren nächtlichen Umzügen hervorbringen soll, welches dem Knacken mit den
Fingern gleich kommt, umgibt ihr querelliptisches Halsschild mit einer feinen Randleiste und hat
weder Stacheln an den Schenkeln, nach Haftlappen zwischen den Krallen, aber deutliche Fußsohlen.
Das nahezu 2 Zoll messende Thier erscheint gestreckt und sehr flach, schmuzigbraun von Farbe,
über die Mitte der Flügeldecken zieht ein leichter Schattenstreif und mitten auf dem Halsschilde
grenzt sich ein schwarzer Fleck ziemlich quadratisch ab. Jm südlichen Amerika stellt sich dieser
Riese nicht selten in den Häusern ein. Zahlreiche ausländische Arten schließen sich ihm als nächste
Verwandte dadurch an, daß die Haftlappen fehlen, beiden Geschlechtern jedoch Flügel zukommen.
Es fehlt aber keineswegs an wieder andern, deren Weibchen allein oder gleichzeitig auch den
Männchen die Flügel mehr oder weniger mangeln. Hier wie dort hat es dann seine Schwierigkeiten,
die Larve vom vollkommenen Jnsekt zu unterscheiden, obschon einige Kennzeichen von den Forschern
aufgefunden worden sind.

Die Gesammtheit der Schaben oder Kakerlake (Blattina) gehört gleich den Termiten,
wenigstens in ihren auffälligen Formen den heißen Erdstrichen an, treibt, wie diese, der Mehr-
zahl nach, scheu vor dem Lichte, ihr Wesen im Verborgenen, und gleicht ihnen, wenn auch nicht
dem äußern Ansehen nach, so doch wesentlich im innern Baue. Jn den vorgeführten Formen
kommen alle Schaben so ziemlich überein; besonders sind es die Stellung des Kopfes, welcher nicht
immer vollständig vom Halsschild zugedeckt wird, die Schlankheit der breiten, häßlichen Beine,

Die Geradflügler. Schaben.
in die ſchwarze Farbe übergeht. Dieſelbe, hier in ihrer natürlichen und von verſchiedenen Seiten
in übernatürlicher Größe dargeſtellt, hat gleichfalls eine Längsſcheidewand, in jedem Fache aber
nur acht Eizellen. Vom April bis zum Auguſt entwickelt ſich die Kapſel im Leibe der Mutter
und ſoll nach der Anſicht der Einen ſehr bald nachdem ſie abgelegt wurde, wie Andere meinen,
erſt nach faſt Jahresfriſt die Lärvchen entlaſſen. Beim Ausſchlüpfen bleibt die erſte Haut zurück
und ein ſechsmaliger Wechſel folgt nach, aber in viel größeren Zwiſchenräumen als bei der vorigen
Art, wie man behauptet: zunächſt nach vier Wochen, dann aber immer erſt nach je einem
Jahre, ſo daß die Larve im zweiten Sommer die dritte Häutung beſtände und ſo fort im ſechſten
die letzte, die Schabe alſo fünf Jahre alt werden müßte, ehe ſie ſich fortpflanzt. Jch habe keine
eigenen Erfahrungen darüber angeſtellt, finde aber die Angabe des Alters etwas ſehr hoch.

Die Küchenſchabe, welche man wohl auch „Schwabe, Käfer“ neunen hört, müßte ihres wiſſen-
ſchaftlichen Beinamens zufolge aus dem Morgenlande ſtammen, jedoch fehlen die Beweiſe dafür,
um dies mit voller Beſtimmtheit ausſprechen zu können. Man weiß nur, daß ſie ſich in Oſtindien
wie in Amerika, nicht blos in Küſtenſtädten, ſondern auch im Binnenlande und in ganz Europa
mehr oder weniger häufig findet, daß ſie ſich gern auf Schiffen aufhält und daß endlich ihre Ent-
wickelungsweiſe durch die Eikapſel ſich ganz vorzüglich dazu eignet, durch Waarenſendungen überall
hin verſchleppt zu werden. Zuverläſſige Nachrichten über ihr Vorhandenſein in Europa reichen
etwa einhundertunddreißig Jahre zurück. Ob es wahr ſei, daß ſie hie und da durch die deutſche Schabe
verdrängt worden, wie man behauptet, wage ich ebenfalls nicht zu entſcheiden, weiß nur, daß bei-
ſpielsweiſe zur Zeit beide Arten neben einander den Hamburgern läſtig fallen. Die Liebhaberei der
Thiere, naſſe Stellen aufzuſuchen und beſonders gern Bier zu lecken, kann zu ihrem Verderben benutzt
werden, wenn man feuchte Scheuerlappen auslegt, neben und unter welchen ſie ſich anſammeln
und dieſe dann mit Holzpantoffeln gründlich bearbeitet. Es gibt beim Zertreten eines Schaben-
weibchens einen kräftigen Knall, etwa ſo, wie wenn man eine Fiſchblaſe zertritt.

Auch die größere amerikaniſche Schabe (Periplaneta americana), deren Weibchen mit
vollkommen entwickelten Flügeln ausgeſtattet iſt, hat ſich in europäiſchen Seeſtädten, ja hie und
da im Binnenlande angeſiedelt und kommt nicht ſelten, aber todt, mit den Tabaksballen zu uns
herüber. Eine rothbraune, auf der Unterſeite lichtere Färbung kennzeichnet ihren 1¼ Zoll
meſſenden Körper, ſo wie eine helle Binde vor ſeinem Hinterrande das ziemlich runde Halsſchild.

Die Rieſenſchabe (Blabera gigantea), in Weſtindien auch der „Trommler“ genannt, weil
ſie ein Geräuſch bei ihren nächtlichen Umzügen hervorbringen ſoll, welches dem Knacken mit den
Fingern gleich kommt, umgibt ihr querelliptiſches Halsſchild mit einer feinen Randleiſte und hat
weder Stacheln an den Schenkeln, nach Haftlappen zwiſchen den Krallen, aber deutliche Fußſohlen.
Das nahezu 2 Zoll meſſende Thier erſcheint geſtreckt und ſehr flach, ſchmuzigbraun von Farbe,
über die Mitte der Flügeldecken zieht ein leichter Schattenſtreif und mitten auf dem Halsſchilde
grenzt ſich ein ſchwarzer Fleck ziemlich quadratiſch ab. Jm ſüdlichen Amerika ſtellt ſich dieſer
Rieſe nicht ſelten in den Häuſern ein. Zahlreiche ausländiſche Arten ſchließen ſich ihm als nächſte
Verwandte dadurch an, daß die Haftlappen fehlen, beiden Geſchlechtern jedoch Flügel zukommen.
Es fehlt aber keineswegs an wieder andern, deren Weibchen allein oder gleichzeitig auch den
Männchen die Flügel mehr oder weniger mangeln. Hier wie dort hat es dann ſeine Schwierigkeiten,
die Larve vom vollkommenen Jnſekt zu unterſcheiden, obſchon einige Kennzeichen von den Forſchern
aufgefunden worden ſind.

Die Geſammtheit der Schaben oder Kakerlake (Blattina) gehört gleich den Termiten,
wenigſtens in ihren auffälligen Formen den heißen Erdſtrichen an, treibt, wie dieſe, der Mehr-
zahl nach, ſcheu vor dem Lichte, ihr Weſen im Verborgenen, und gleicht ihnen, wenn auch nicht
dem äußern Anſehen nach, ſo doch weſentlich im innern Baue. Jn den vorgeführten Formen
kommen alle Schaben ſo ziemlich überein; beſonders ſind es die Stellung des Kopfes, welcher nicht
immer vollſtändig vom Halsſchild zugedeckt wird, die Schlankheit der breiten, häßlichen Beine,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div n="1">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0502" n="472"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Geradflügler. Schaben.</hi></fw><lb/>
in die &#x017F;chwarze Farbe übergeht. Die&#x017F;elbe, hier in ihrer natürlichen und von ver&#x017F;chiedenen Seiten<lb/>
in übernatürlicher Größe darge&#x017F;tellt, hat gleichfalls eine Längs&#x017F;cheidewand, in jedem Fache aber<lb/>
nur acht Eizellen. Vom April bis zum Augu&#x017F;t entwickelt &#x017F;ich die Kap&#x017F;el im Leibe der Mutter<lb/>
und &#x017F;oll nach der An&#x017F;icht der Einen &#x017F;ehr bald nachdem &#x017F;ie abgelegt wurde, wie Andere meinen,<lb/>
er&#x017F;t nach fa&#x017F;t Jahresfri&#x017F;t die Lärvchen entla&#x017F;&#x017F;en. Beim Aus&#x017F;chlüpfen bleibt die er&#x017F;te Haut zurück<lb/>
und ein &#x017F;echsmaliger Wech&#x017F;el folgt nach, aber in viel größeren Zwi&#x017F;chenräumen als bei der vorigen<lb/>
Art, wie man behauptet: zunäch&#x017F;t nach vier Wochen, dann aber immer er&#x017F;t nach je einem<lb/>
Jahre, &#x017F;o daß die Larve im zweiten Sommer die dritte Häutung be&#x017F;tände und &#x017F;o fort im &#x017F;ech&#x017F;ten<lb/>
die letzte, die Schabe al&#x017F;o fünf Jahre alt werden müßte, ehe &#x017F;ie &#x017F;ich fortpflanzt. Jch habe keine<lb/>
eigenen Erfahrungen darüber ange&#x017F;tellt, finde aber die Angabe des Alters etwas &#x017F;ehr hoch.</p><lb/>
              <p>Die Küchen&#x017F;chabe, welche man wohl auch &#x201E;Schwabe, Käfer&#x201C; neunen hört, müßte ihres wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaftlichen Beinamens zufolge aus dem Morgenlande &#x017F;tammen, jedoch fehlen die Bewei&#x017F;e dafür,<lb/>
um dies mit voller Be&#x017F;timmtheit aus&#x017F;prechen zu können. Man weiß nur, daß &#x017F;ie &#x017F;ich in O&#x017F;tindien<lb/>
wie in Amerika, nicht blos in Kü&#x017F;ten&#x017F;tädten, &#x017F;ondern auch im Binnenlande und in ganz Europa<lb/>
mehr oder weniger häufig findet, daß &#x017F;ie &#x017F;ich gern auf Schiffen aufhält und daß endlich ihre Ent-<lb/>
wickelungswei&#x017F;e durch die Eikap&#x017F;el &#x017F;ich ganz vorzüglich dazu eignet, durch Waaren&#x017F;endungen überall<lb/>
hin ver&#x017F;chleppt zu werden. Zuverlä&#x017F;&#x017F;ige Nachrichten über ihr Vorhanden&#x017F;ein in Europa reichen<lb/>
etwa einhundertunddreißig Jahre zurück. Ob es wahr &#x017F;ei, daß &#x017F;ie hie und da durch die deut&#x017F;che Schabe<lb/>
verdrängt worden, wie man behauptet, wage ich ebenfalls nicht zu ent&#x017F;cheiden, weiß nur, daß bei-<lb/>
&#x017F;pielswei&#x017F;e zur Zeit beide Arten neben einander den Hamburgern lä&#x017F;tig fallen. Die Liebhaberei der<lb/>
Thiere, na&#x017F;&#x017F;e Stellen aufzu&#x017F;uchen und be&#x017F;onders gern Bier zu lecken, kann zu ihrem Verderben benutzt<lb/>
werden, wenn man feuchte Scheuerlappen auslegt, neben und unter welchen &#x017F;ie &#x017F;ich an&#x017F;ammeln<lb/>
und die&#x017F;e dann mit Holzpantoffeln gründlich bearbeitet. Es gibt beim Zertreten eines Schaben-<lb/>
weibchens einen kräftigen Knall, etwa &#x017F;o, wie wenn man eine Fi&#x017F;chbla&#x017F;e zertritt.</p><lb/>
              <p>Auch die größere <hi rendition="#g">amerikani&#x017F;che Schabe</hi> <hi rendition="#aq">(Periplaneta americana),</hi> deren Weibchen mit<lb/>
vollkommen entwickelten Flügeln ausge&#x017F;tattet i&#x017F;t, hat &#x017F;ich in europäi&#x017F;chen See&#x017F;tädten, ja hie und<lb/>
da im Binnenlande ange&#x017F;iedelt und kommt nicht &#x017F;elten, aber todt, mit den Tabaksballen zu uns<lb/>
herüber. Eine rothbraune, auf der Unter&#x017F;eite lichtere Färbung kennzeichnet ihren 1¼ Zoll<lb/>
me&#x017F;&#x017F;enden Körper, &#x017F;o wie eine helle Binde vor &#x017F;einem Hinterrande das ziemlich runde Hals&#x017F;child.</p><lb/>
              <p>Die <hi rendition="#g">Rie&#x017F;en&#x017F;chabe</hi> <hi rendition="#aq">(Blabera gigantea),</hi> in We&#x017F;tindien auch der &#x201E;Trommler&#x201C; genannt, weil<lb/>
&#x017F;ie ein Geräu&#x017F;ch bei ihren nächtlichen Umzügen hervorbringen &#x017F;oll, welches dem Knacken mit den<lb/>
Fingern gleich kommt, umgibt ihr querellipti&#x017F;ches Hals&#x017F;child mit einer feinen Randlei&#x017F;te und hat<lb/>
weder Stacheln an den Schenkeln, nach Haftlappen zwi&#x017F;chen den Krallen, aber deutliche Fuß&#x017F;ohlen.<lb/>
Das nahezu 2 Zoll me&#x017F;&#x017F;ende Thier er&#x017F;cheint ge&#x017F;treckt und &#x017F;ehr flach, &#x017F;chmuzigbraun von Farbe,<lb/>
über die Mitte der Flügeldecken zieht ein leichter Schatten&#x017F;treif und mitten auf dem Hals&#x017F;childe<lb/>
grenzt &#x017F;ich ein &#x017F;chwarzer Fleck ziemlich quadrati&#x017F;ch ab. Jm &#x017F;üdlichen Amerika &#x017F;tellt &#x017F;ich die&#x017F;er<lb/>
Rie&#x017F;e nicht &#x017F;elten in den Häu&#x017F;ern ein. Zahlreiche ausländi&#x017F;che Arten &#x017F;chließen &#x017F;ich ihm als näch&#x017F;te<lb/>
Verwandte dadurch an, daß die Haftlappen fehlen, beiden Ge&#x017F;chlechtern jedoch Flügel zukommen.<lb/>
Es fehlt aber keineswegs an wieder andern, deren Weibchen allein oder gleichzeitig auch den<lb/>
Männchen die Flügel mehr oder weniger mangeln. Hier wie dort hat es dann &#x017F;eine Schwierigkeiten,<lb/>
die Larve vom vollkommenen Jn&#x017F;ekt zu unter&#x017F;cheiden, ob&#x017F;chon einige Kennzeichen von den For&#x017F;chern<lb/>
aufgefunden worden &#x017F;ind.</p><lb/>
              <p>Die Ge&#x017F;ammtheit der <hi rendition="#g">Schaben</hi> oder <hi rendition="#g">Kakerlake</hi> <hi rendition="#aq">(Blattina)</hi> gehört gleich den Termiten,<lb/>
wenig&#x017F;tens in ihren auffälligen Formen den heißen Erd&#x017F;trichen an, treibt, wie die&#x017F;e, der Mehr-<lb/>
zahl nach, &#x017F;cheu vor dem Lichte, ihr We&#x017F;en im Verborgenen, und gleicht ihnen, wenn auch nicht<lb/>
dem äußern An&#x017F;ehen nach, &#x017F;o doch we&#x017F;entlich im innern Baue. Jn den vorgeführten Formen<lb/>
kommen alle Schaben &#x017F;o ziemlich überein; be&#x017F;onders &#x017F;ind es die Stellung des Kopfes, welcher nicht<lb/>
immer voll&#x017F;tändig vom Hals&#x017F;child zugedeckt wird, die Schlankheit der breiten, häßlichen Beine,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[472/0502] Die Geradflügler. Schaben. in die ſchwarze Farbe übergeht. Dieſelbe, hier in ihrer natürlichen und von verſchiedenen Seiten in übernatürlicher Größe dargeſtellt, hat gleichfalls eine Längsſcheidewand, in jedem Fache aber nur acht Eizellen. Vom April bis zum Auguſt entwickelt ſich die Kapſel im Leibe der Mutter und ſoll nach der Anſicht der Einen ſehr bald nachdem ſie abgelegt wurde, wie Andere meinen, erſt nach faſt Jahresfriſt die Lärvchen entlaſſen. Beim Ausſchlüpfen bleibt die erſte Haut zurück und ein ſechsmaliger Wechſel folgt nach, aber in viel größeren Zwiſchenräumen als bei der vorigen Art, wie man behauptet: zunächſt nach vier Wochen, dann aber immer erſt nach je einem Jahre, ſo daß die Larve im zweiten Sommer die dritte Häutung beſtände und ſo fort im ſechſten die letzte, die Schabe alſo fünf Jahre alt werden müßte, ehe ſie ſich fortpflanzt. Jch habe keine eigenen Erfahrungen darüber angeſtellt, finde aber die Angabe des Alters etwas ſehr hoch. Die Küchenſchabe, welche man wohl auch „Schwabe, Käfer“ neunen hört, müßte ihres wiſſen- ſchaftlichen Beinamens zufolge aus dem Morgenlande ſtammen, jedoch fehlen die Beweiſe dafür, um dies mit voller Beſtimmtheit ausſprechen zu können. Man weiß nur, daß ſie ſich in Oſtindien wie in Amerika, nicht blos in Küſtenſtädten, ſondern auch im Binnenlande und in ganz Europa mehr oder weniger häufig findet, daß ſie ſich gern auf Schiffen aufhält und daß endlich ihre Ent- wickelungsweiſe durch die Eikapſel ſich ganz vorzüglich dazu eignet, durch Waarenſendungen überall hin verſchleppt zu werden. Zuverläſſige Nachrichten über ihr Vorhandenſein in Europa reichen etwa einhundertunddreißig Jahre zurück. Ob es wahr ſei, daß ſie hie und da durch die deutſche Schabe verdrängt worden, wie man behauptet, wage ich ebenfalls nicht zu entſcheiden, weiß nur, daß bei- ſpielsweiſe zur Zeit beide Arten neben einander den Hamburgern läſtig fallen. Die Liebhaberei der Thiere, naſſe Stellen aufzuſuchen und beſonders gern Bier zu lecken, kann zu ihrem Verderben benutzt werden, wenn man feuchte Scheuerlappen auslegt, neben und unter welchen ſie ſich anſammeln und dieſe dann mit Holzpantoffeln gründlich bearbeitet. Es gibt beim Zertreten eines Schaben- weibchens einen kräftigen Knall, etwa ſo, wie wenn man eine Fiſchblaſe zertritt. Auch die größere amerikaniſche Schabe (Periplaneta americana), deren Weibchen mit vollkommen entwickelten Flügeln ausgeſtattet iſt, hat ſich in europäiſchen Seeſtädten, ja hie und da im Binnenlande angeſiedelt und kommt nicht ſelten, aber todt, mit den Tabaksballen zu uns herüber. Eine rothbraune, auf der Unterſeite lichtere Färbung kennzeichnet ihren 1¼ Zoll meſſenden Körper, ſo wie eine helle Binde vor ſeinem Hinterrande das ziemlich runde Halsſchild. Die Rieſenſchabe (Blabera gigantea), in Weſtindien auch der „Trommler“ genannt, weil ſie ein Geräuſch bei ihren nächtlichen Umzügen hervorbringen ſoll, welches dem Knacken mit den Fingern gleich kommt, umgibt ihr querelliptiſches Halsſchild mit einer feinen Randleiſte und hat weder Stacheln an den Schenkeln, nach Haftlappen zwiſchen den Krallen, aber deutliche Fußſohlen. Das nahezu 2 Zoll meſſende Thier erſcheint geſtreckt und ſehr flach, ſchmuzigbraun von Farbe, über die Mitte der Flügeldecken zieht ein leichter Schattenſtreif und mitten auf dem Halsſchilde grenzt ſich ein ſchwarzer Fleck ziemlich quadratiſch ab. Jm ſüdlichen Amerika ſtellt ſich dieſer Rieſe nicht ſelten in den Häuſern ein. Zahlreiche ausländiſche Arten ſchließen ſich ihm als nächſte Verwandte dadurch an, daß die Haftlappen fehlen, beiden Geſchlechtern jedoch Flügel zukommen. Es fehlt aber keineswegs an wieder andern, deren Weibchen allein oder gleichzeitig auch den Männchen die Flügel mehr oder weniger mangeln. Hier wie dort hat es dann ſeine Schwierigkeiten, die Larve vom vollkommenen Jnſekt zu unterſcheiden, obſchon einige Kennzeichen von den Forſchern aufgefunden worden ſind. Die Geſammtheit der Schaben oder Kakerlake (Blattina) gehört gleich den Termiten, wenigſtens in ihren auffälligen Formen den heißen Erdſtrichen an, treibt, wie dieſe, der Mehr- zahl nach, ſcheu vor dem Lichte, ihr Weſen im Verborgenen, und gleicht ihnen, wenn auch nicht dem äußern Anſehen nach, ſo doch weſentlich im innern Baue. Jn den vorgeführten Formen kommen alle Schaben ſo ziemlich überein; beſonders ſind es die Stellung des Kopfes, welcher nicht immer vollſtändig vom Halsſchild zugedeckt wird, die Schlankheit der breiten, häßlichen Beine,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/502
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/502>, abgerufen am 03.07.2024.