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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Geradflügler. Heuschrecken.
man von vorn her in den Zug hinein, so springen sie wohl zur Seite, aber die Nachfolgenden
drängen die Vordermänner und es schließt sich der Strom hinter dem Reiter von Neuem."

"Unter mehrfachen Häutungen wachsen die "Rothröcke" schnell heran, bis sie endlich bei der
letzten Häutung ihre bekannte grauröthliche Färbung und die Flügel bekommen, durch welche sie
ihrer Reiselust in noch viel befriedigenderer Weise Rechnung tragen können. Jm vollkommenen
Zustande nennt sie der Bauer "Springhaaner" und schaut ängstlich nach ihnen aus, falls ihm
irgend sein Garten lieb ist; denn er weiß, daß ihr Erscheinen Verderben über den Schmuck der
Felder bringt. Sieht er die düstern Wolken der Springhaauer am Horizonte auftauchen, so greift
er zum letzten, verzweifelten Hilfsmittel: er zündet um seinen Garten möglichst viele Feuer an,
um durch den Rauch die Heuschrecken davon abzuhalten; doch ist auch dieses Mittel häufig nur
von geringem Erfolge. Weht der Wind frisch, so ziehen sie hoch und frei und können sicher
bedeutende Strecken zurücklegen; denn sie lassen sich dann vollständig treiben, während sie bei
mäßiger Luftströmung mehr oder weniger dagegen steuern. Bei Windstille ist ihr Flug nur ein
langsames Schwärmen ohne bedeutende Erhebung vom Boden, indem sich aus den vorderen
Gliedern stets ein Theil niederläßt und sich hinten wieder anschließt. Das ewige Auf- und
Niedersteigen, das Schwirren der Tausende von Flügeln und das Knirschen der gefräßigen Kinn-
backen am Boden verursacht ein eigenthümliches, schwer zu beschreibendes Geräusch, welches sich
mit dem Rauschen eines starken Hagelschauers noch am besten vergleichen läßt. Auch die Folgen
ihres Auftretens gleichen den furchtbaren Wirkungen der eben erwähnten Naturerscheinung." --
Um diesen kolossalen Verlust an pflanzlichen Stoffen wieder etwas auszugleichen, bewahrheitet
man an den Zerstörern den biblischen Ausspruch: "Speise ging aus von dem Fresser", indem
Menschen und Thiere dieselben als Nahrungsmittel verwerthen. Die Eingebornen rösten die
Heuschrecken schwach am Feuer und verspeisen sie in unglaublichen Mengen, Hinterbeine und Flügel
oder gar nichts übrig lassend. Der Geschmack ist widerlich und die ernährende Kraft sehr gering.
Bei Pferden schlagen sie jedoch besser an; denn sie werden fett davon und fressen sie auch gern;
merkwürdigerweise ist der Bör ganz allgemein der Ansicht, daß der Genuß von denjenigen
Weibchen, welche ihre Eier abgelegt haben, für die Pferde giftige Wirkungen hervorbringe.

Auch Amerika, besonders das südliche, ist nicht frei von jener Landplage. "Gegen Abend",
erzählt Temple in seiner peruanischen Reise, "hatten wir in einiger Entfernung von uns auf der
Fläche des Landes einen ungewöhnlichen Anblick: statt der grünen Farbe des Grases und der
Baumblätter in allen Schattirungen bemerkten wir eine gleichförmige rothbraune Masse, so daß
Einige von uns glaubten, es sei Haide, auf welche die Sonne scheine; in der Wirklichkeit waren
es aber -- Heuschrecken. Dieselben bedeckten buchstäblich Erde, Bäume und Sträucher, so weit
das Auge reichte. Die Zweige der Bäume bogen sich unter ihrer Menge wie bei starkem Schnee-
fall, oder wenn sie mit Früchten überladen sind. Wir passirten mitten durch den von ihnen ein-
genommenen Raum und brauchten eine volle Stunde, ehe wir an das Ende kamen, während wir
mit unserer gewöhnlichen Schnelligkeit reisten --." Ein Engländer besaß zu Conohos in Südamerika
beträchtliche Tabakspflanzungen. Da er bei seiner Niederlassung in jener Gegend gehört hatte,
daß sich dann und wann verbeerende Heuschreckenschwärme in derselben gezeigt hatten, so con-
centrirte er alle Tabakspflanzen, 40,000 Stück an der Zahl, bei seinem Hause, um sie besser
schützen zu können. Hier wuchsen und grünten sie vortrefflich und hatten etwa die Höhe von
einem Fuße erreicht, als eines Mittags der Ruf erscholl: "Die Heuschrecken kommen!" Der Pflanzer
eilte vor das Haus und sah sie in eine dichte Wolke rund um dasselbe geschaart. Der Schwarm
verdichtete sich unmittelbar über dem Tabaksfelde, fiel plötzlich in dasselbe und bedeckte es so, als
wenn ein brauner Mantel darüber gebreitet worden wäre. Jn etwa zwanzig Sekunden,
also nach keiner halben Minnte, erhob sich der Schwarm eben so plötzlich, als er gekommen
war und setzte seinen Flug fort. Von den etwa 40,000 Tabakspflanzen sah man aber keine Spur
mehr. Bei Doob (Calcutta) bemerkte Herr Playfair auf einem Spazierritte in der Nähe eines

Die Geradflügler. Heuſchrecken.
man von vorn her in den Zug hinein, ſo ſpringen ſie wohl zur Seite, aber die Nachfolgenden
drängen die Vordermänner und es ſchließt ſich der Strom hinter dem Reiter von Neuem.“

„Unter mehrfachen Häutungen wachſen die „Rothröcke“ ſchnell heran, bis ſie endlich bei der
letzten Häutung ihre bekannte grauröthliche Färbung und die Flügel bekommen, durch welche ſie
ihrer Reiſeluſt in noch viel befriedigenderer Weiſe Rechnung tragen können. Jm vollkommenen
Zuſtande nennt ſie der Bauer „Springhaaner“ und ſchaut ängſtlich nach ihnen aus, falls ihm
irgend ſein Garten lieb iſt; denn er weiß, daß ihr Erſcheinen Verderben über den Schmuck der
Felder bringt. Sieht er die düſtern Wolken der Springhaauer am Horizonte auftauchen, ſo greift
er zum letzten, verzweifelten Hilfsmittel: er zündet um ſeinen Garten möglichſt viele Feuer an,
um durch den Rauch die Heuſchrecken davon abzuhalten; doch iſt auch dieſes Mittel häufig nur
von geringem Erfolge. Weht der Wind friſch, ſo ziehen ſie hoch und frei und können ſicher
bedeutende Strecken zurücklegen; denn ſie laſſen ſich dann vollſtändig treiben, während ſie bei
mäßiger Luftſtrömung mehr oder weniger dagegen ſteuern. Bei Windſtille iſt ihr Flug nur ein
langſames Schwärmen ohne bedeutende Erhebung vom Boden, indem ſich aus den vorderen
Gliedern ſtets ein Theil niederläßt und ſich hinten wieder anſchließt. Das ewige Auf- und
Niederſteigen, das Schwirren der Tauſende von Flügeln und das Knirſchen der gefräßigen Kinn-
backen am Boden verurſacht ein eigenthümliches, ſchwer zu beſchreibendes Geräuſch, welches ſich
mit dem Rauſchen eines ſtarken Hagelſchauers noch am beſten vergleichen läßt. Auch die Folgen
ihres Auftretens gleichen den furchtbaren Wirkungen der eben erwähnten Naturerſcheinung.“ —
Um dieſen koloſſalen Verluſt an pflanzlichen Stoffen wieder etwas auszugleichen, bewahrheitet
man an den Zerſtörern den bibliſchen Ausſpruch: „Speiſe ging aus von dem Freſſer“, indem
Menſchen und Thiere dieſelben als Nahrungsmittel verwerthen. Die Eingebornen röſten die
Heuſchrecken ſchwach am Feuer und verſpeiſen ſie in unglaublichen Mengen, Hinterbeine und Flügel
oder gar nichts übrig laſſend. Der Geſchmack iſt widerlich und die ernährende Kraft ſehr gering.
Bei Pferden ſchlagen ſie jedoch beſſer an; denn ſie werden fett davon und freſſen ſie auch gern;
merkwürdigerweiſe iſt der Bör ganz allgemein der Anſicht, daß der Genuß von denjenigen
Weibchen, welche ihre Eier abgelegt haben, für die Pferde giftige Wirkungen hervorbringe.

Auch Amerika, beſonders das ſüdliche, iſt nicht frei von jener Landplage. „Gegen Abend“,
erzählt Temple in ſeiner peruaniſchen Reiſe, „hatten wir in einiger Entfernung von uns auf der
Fläche des Landes einen ungewöhnlichen Anblick: ſtatt der grünen Farbe des Graſes und der
Baumblätter in allen Schattirungen bemerkten wir eine gleichförmige rothbraune Maſſe, ſo daß
Einige von uns glaubten, es ſei Haide, auf welche die Sonne ſcheine; in der Wirklichkeit waren
es aber — Heuſchrecken. Dieſelben bedeckten buchſtäblich Erde, Bäume und Sträucher, ſo weit
das Auge reichte. Die Zweige der Bäume bogen ſich unter ihrer Menge wie bei ſtarkem Schnee-
fall, oder wenn ſie mit Früchten überladen ſind. Wir paſſirten mitten durch den von ihnen ein-
genommenen Raum und brauchten eine volle Stunde, ehe wir an das Ende kamen, während wir
mit unſerer gewöhnlichen Schnelligkeit reiſten —.“ Ein Engländer beſaß zu Conohos in Südamerika
beträchtliche Tabakspflanzungen. Da er bei ſeiner Niederlaſſung in jener Gegend gehört hatte,
daß ſich dann und wann verbeerende Heuſchreckenſchwärme in derſelben gezeigt hatten, ſo con-
centrirte er alle Tabakspflanzen, 40,000 Stück an der Zahl, bei ſeinem Hauſe, um ſie beſſer
ſchützen zu können. Hier wuchſen und grünten ſie vortrefflich und hatten etwa die Höhe von
einem Fuße erreicht, als eines Mittags der Ruf erſcholl: „Die Heuſchrecken kommen!“ Der Pflanzer
eilte vor das Haus und ſah ſie in eine dichte Wolke rund um daſſelbe geſchaart. Der Schwarm
verdichtete ſich unmittelbar über dem Tabaksfelde, fiel plötzlich in daſſelbe und bedeckte es ſo, als
wenn ein brauner Mantel darüber gebreitet worden wäre. Jn etwa zwanzig Sekunden,
alſo nach keiner halben Minnte, erhob ſich der Schwarm eben ſo plötzlich, als er gekommen
war und ſetzte ſeinen Flug fort. Von den etwa 40,000 Tabakspflanzen ſah man aber keine Spur
mehr. Bei Doob (Calcutta) bemerkte Herr Playfair auf einem Spazierritte in der Nähe eines

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[482/0512] Die Geradflügler. Heuſchrecken. man von vorn her in den Zug hinein, ſo ſpringen ſie wohl zur Seite, aber die Nachfolgenden drängen die Vordermänner und es ſchließt ſich der Strom hinter dem Reiter von Neuem.“ „Unter mehrfachen Häutungen wachſen die „Rothröcke“ ſchnell heran, bis ſie endlich bei der letzten Häutung ihre bekannte grauröthliche Färbung und die Flügel bekommen, durch welche ſie ihrer Reiſeluſt in noch viel befriedigenderer Weiſe Rechnung tragen können. Jm vollkommenen Zuſtande nennt ſie der Bauer „Springhaaner“ und ſchaut ängſtlich nach ihnen aus, falls ihm irgend ſein Garten lieb iſt; denn er weiß, daß ihr Erſcheinen Verderben über den Schmuck der Felder bringt. Sieht er die düſtern Wolken der Springhaauer am Horizonte auftauchen, ſo greift er zum letzten, verzweifelten Hilfsmittel: er zündet um ſeinen Garten möglichſt viele Feuer an, um durch den Rauch die Heuſchrecken davon abzuhalten; doch iſt auch dieſes Mittel häufig nur von geringem Erfolge. Weht der Wind friſch, ſo ziehen ſie hoch und frei und können ſicher bedeutende Strecken zurücklegen; denn ſie laſſen ſich dann vollſtändig treiben, während ſie bei mäßiger Luftſtrömung mehr oder weniger dagegen ſteuern. Bei Windſtille iſt ihr Flug nur ein langſames Schwärmen ohne bedeutende Erhebung vom Boden, indem ſich aus den vorderen Gliedern ſtets ein Theil niederläßt und ſich hinten wieder anſchließt. Das ewige Auf- und Niederſteigen, das Schwirren der Tauſende von Flügeln und das Knirſchen der gefräßigen Kinn- backen am Boden verurſacht ein eigenthümliches, ſchwer zu beſchreibendes Geräuſch, welches ſich mit dem Rauſchen eines ſtarken Hagelſchauers noch am beſten vergleichen läßt. Auch die Folgen ihres Auftretens gleichen den furchtbaren Wirkungen der eben erwähnten Naturerſcheinung.“ — Um dieſen koloſſalen Verluſt an pflanzlichen Stoffen wieder etwas auszugleichen, bewahrheitet man an den Zerſtörern den bibliſchen Ausſpruch: „Speiſe ging aus von dem Freſſer“, indem Menſchen und Thiere dieſelben als Nahrungsmittel verwerthen. Die Eingebornen röſten die Heuſchrecken ſchwach am Feuer und verſpeiſen ſie in unglaublichen Mengen, Hinterbeine und Flügel oder gar nichts übrig laſſend. Der Geſchmack iſt widerlich und die ernährende Kraft ſehr gering. Bei Pferden ſchlagen ſie jedoch beſſer an; denn ſie werden fett davon und freſſen ſie auch gern; merkwürdigerweiſe iſt der Bör ganz allgemein der Anſicht, daß der Genuß von denjenigen Weibchen, welche ihre Eier abgelegt haben, für die Pferde giftige Wirkungen hervorbringe. Auch Amerika, beſonders das ſüdliche, iſt nicht frei von jener Landplage. „Gegen Abend“, erzählt Temple in ſeiner peruaniſchen Reiſe, „hatten wir in einiger Entfernung von uns auf der Fläche des Landes einen ungewöhnlichen Anblick: ſtatt der grünen Farbe des Graſes und der Baumblätter in allen Schattirungen bemerkten wir eine gleichförmige rothbraune Maſſe, ſo daß Einige von uns glaubten, es ſei Haide, auf welche die Sonne ſcheine; in der Wirklichkeit waren es aber — Heuſchrecken. Dieſelben bedeckten buchſtäblich Erde, Bäume und Sträucher, ſo weit das Auge reichte. Die Zweige der Bäume bogen ſich unter ihrer Menge wie bei ſtarkem Schnee- fall, oder wenn ſie mit Früchten überladen ſind. Wir paſſirten mitten durch den von ihnen ein- genommenen Raum und brauchten eine volle Stunde, ehe wir an das Ende kamen, während wir mit unſerer gewöhnlichen Schnelligkeit reiſten —.“ Ein Engländer beſaß zu Conohos in Südamerika beträchtliche Tabakspflanzungen. Da er bei ſeiner Niederlaſſung in jener Gegend gehört hatte, daß ſich dann und wann verbeerende Heuſchreckenſchwärme in derſelben gezeigt hatten, ſo con- centrirte er alle Tabakspflanzen, 40,000 Stück an der Zahl, bei ſeinem Hauſe, um ſie beſſer ſchützen zu können. Hier wuchſen und grünten ſie vortrefflich und hatten etwa die Höhe von einem Fuße erreicht, als eines Mittags der Ruf erſcholl: „Die Heuſchrecken kommen!“ Der Pflanzer eilte vor das Haus und ſah ſie in eine dichte Wolke rund um daſſelbe geſchaart. Der Schwarm verdichtete ſich unmittelbar über dem Tabaksfelde, fiel plötzlich in daſſelbe und bedeckte es ſo, als wenn ein brauner Mantel darüber gebreitet worden wäre. Jn etwa zwanzig Sekunden, alſo nach keiner halben Minnte, erhob ſich der Schwarm eben ſo plötzlich, als er gekommen war und ſetzte ſeinen Flug fort. Von den etwa 40,000 Tabakspflanzen ſah man aber keine Spur mehr. Bei Doob (Calcutta) bemerkte Herr Playfair auf einem Spazierritte in der Nähe eines

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/512>, abgerufen am 23.11.2024.