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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Schnabelkerfe. Läuse.

Es scheint vollkommen gerechtfertigt, mit denjenigen dieser Thiere zu beginnen, welche lange
Zeit hindurch in der Vereinigung der eben besprochenen von den Systematikern abgehandelt wurden,
mit den echten Läusen, jenen Quälgeistern auf Menschen und Säugethieren -- alle sechsbeinigen
Schmarotzer auf Vögeln, obschon sie im gewöhnlichen Leben denselben schreckenerregenden Namen
führen, saugen kein Blut, sondern gehören den Federlingen an. -- Die Läuse (Pediculina) haben
keine Flügel, fadenförmige, fünfgliedrige Fühler, zweigliedrige Füße, deren letztes, hakiges Glied
gegen das angeschwollene vorletzte zurückgeschlagen werden kann und ihnen hierdurch die Fähigkeit
zum Klettern sichert. Der Kopf steht wagrecht nach vorn, trägt sehr kleine, einfache Augen,
welche sich mitunter gar nicht erkennen lassen, und weit vorn die nur beim Gebrauche sicht-
bar werdenden Mundtheile.
Dieselben bestehen aus einem weichen, einstülpbaren kurzen
Kegel, dessen Vorderrand von Häkchenreihen eingefaßt wird. Jn dieser Röhre finden sich, wie
in einer Scheide, vier hornige Halbröhren, welche sich zu zwei und zwei zu einer engern und weitern
Röhre vereinigen. Das innerste Rohr wird aus dem umschließenden äußeren weiter herausgestreckt,
in die Haut eingebohrt und dient als Saugrohr bei der Aufnahme des Blutes; der Hakenkranz
der äußern Schnabelscheide bewirkt das Festhalten und den luftdichten Verschluß des Pumpenwerkes
und verursacht ohne Zweifel die fressende Empfindung; denn Jedermann wird seinem Gefühle
nach behaupten, die Laus fresse und steche nicht. Der kleine Mittelleib enthält nur schwache
Andeutung von drei Ringen und setzt sich bei Haematopinus, wozu die Schweinelaus gehört,
deutlich gegen den ovalen oder runden Hinterleib ab, während er bei Pediculus ganz unmerklich
in denselben übergeht. Der in den Umrissen meist eiförmige Hinterleib läßt durch Einschnürung
mehr oder weniger deutlich neun Abschnitte erkennen und bleibt ziemlich durchsichtig, so daß der
Darmkanal, besonders der mit Nahrung gefüllte, wahrgenommen werden kann. Die Läuse ver-
mehren sich durch birnförmige Eier, die sogenannten Nisse oder Knitten stark. Sie kleben
dieselben an den Grund der Haare an, und die Wärme der thierischen Ausdünstung brütet sie
nach acht Tagen aus. Durch ein Deckelchen oben kommt das Läuschen herausspaziert, welches
wahrscheinlich ohne Häutungen in längerer oder kürzerer Zeit, aber immer schnell genug zu der
fortpflanzungsfähigen Laus wird. Leeuwenhoek hat ausgerechnet, daß ein Weibchen nach acht
Wochen Zeuge der Geburt von fünftausend Abkömmlingen sein kann, wonach also nach dem Eier-
legen der Tod nicht einträte. Eine Menge von Säugethieren, wie Schweine, Wiederkäuer, Ein-
hufer, Nager, Affen werden von ihnen bewohnt, jedes von einer bestimmten, auch von mehreren
Arten zugleich, selbst der Mensch ernährt deren drei.

Die Kopflaus (Pediculus capitis) tummelt sich nur auf den Köpfen, vorzugsweise unsauberer
Kinder. Sie ist graugelb von Farbe, an den Rändern der Hinterleibsglieder dunkler und hat
einen ziemlich quadratischen Mittelleib. Bei dem schlankeren, kleineren Männchen ist der Kopf
deutlicher abgesetzt; es wird leicht an dem stachelartig hervorstehenden Geschlechtswerkzeuge erkannt,

[Abbildung] Männchen der
Kopflaus
(Pediculus
capitis)
.
dessen Lage darauf hinweist, daß es sich bei der Paarung vom Weibchen besteigen
läßt. Dieses legt hierauf ungefähr funfzig Eier, deren Jnhalt nach vier Wochen
wiederum fortpflanzungsfähig ist.

Eine zweite, etwas schlankere und größere, an den Hinterrändern der Leibes-
ringe nicht gebräunte Art ist die Kleiderlaus (P. vestimenti), welche sich am Leibe
des Menschen, vorzugsweise an Brust und Rücken ernährt und in seinen Kleidern
versteckt; sie ist es besonders, von denen die Soldaten im Felde und in den Kasernen
zu leiden haben. Die Schlankheit des Thieres wird abgesehen von dem schmäleren
Körper noch durch den hinten halsartig verengten Kopf und die Gelenkeinschnitte
hervorgebracht. Die Weibchen legen ihre Eier zwischen die Nähte der Unterkleider, daher nistet
sich das lästige Ungeziefer besonders da ein, wo diese nicht so häufig gewechselt werden, als es
die Reinlichkeit verlangt. -- Pediculus tabescentium als Ursache der Läusesucht, der sogenannten

Die Schnabelkerfe. Läuſe.

Es ſcheint vollkommen gerechtfertigt, mit denjenigen dieſer Thiere zu beginnen, welche lange
Zeit hindurch in der Vereinigung der eben beſprochenen von den Syſtematikern abgehandelt wurden,
mit den echten Läuſen, jenen Quälgeiſtern auf Menſchen und Säugethieren — alle ſechsbeinigen
Schmarotzer auf Vögeln, obſchon ſie im gewöhnlichen Leben denſelben ſchreckenerregenden Namen
führen, ſaugen kein Blut, ſondern gehören den Federlingen an. — Die Läuſe (Pediculina) haben
keine Flügel, fadenförmige, fünfgliedrige Fühler, zweigliedrige Füße, deren letztes, hakiges Glied
gegen das angeſchwollene vorletzte zurückgeſchlagen werden kann und ihnen hierdurch die Fähigkeit
zum Klettern ſichert. Der Kopf ſteht wagrecht nach vorn, trägt ſehr kleine, einfache Augen,
welche ſich mitunter gar nicht erkennen laſſen, und weit vorn die nur beim Gebrauche ſicht-
bar werdenden Mundtheile.
Dieſelben beſtehen aus einem weichen, einſtülpbaren kurzen
Kegel, deſſen Vorderrand von Häkchenreihen eingefaßt wird. Jn dieſer Röhre finden ſich, wie
in einer Scheide, vier hornige Halbröhren, welche ſich zu zwei und zwei zu einer engern und weitern
Röhre vereinigen. Das innerſte Rohr wird aus dem umſchließenden äußeren weiter herausgeſtreckt,
in die Haut eingebohrt und dient als Saugrohr bei der Aufnahme des Blutes; der Hakenkranz
der äußern Schnabelſcheide bewirkt das Feſthalten und den luftdichten Verſchluß des Pumpenwerkes
und verurſacht ohne Zweifel die freſſende Empfindung; denn Jedermann wird ſeinem Gefühle
nach behaupten, die Laus freſſe und ſteche nicht. Der kleine Mittelleib enthält nur ſchwache
Andeutung von drei Ringen und ſetzt ſich bei Haematopinus, wozu die Schweinelaus gehört,
deutlich gegen den ovalen oder runden Hinterleib ab, während er bei Pediculus ganz unmerklich
in denſelben übergeht. Der in den Umriſſen meiſt eiförmige Hinterleib läßt durch Einſchnürung
mehr oder weniger deutlich neun Abſchnitte erkennen und bleibt ziemlich durchſichtig, ſo daß der
Darmkanal, beſonders der mit Nahrung gefüllte, wahrgenommen werden kann. Die Läuſe ver-
mehren ſich durch birnförmige Eier, die ſogenannten Niſſe oder Knitten ſtark. Sie kleben
dieſelben an den Grund der Haare an, und die Wärme der thieriſchen Ausdünſtung brütet ſie
nach acht Tagen aus. Durch ein Deckelchen oben kommt das Läuschen herausſpaziert, welches
wahrſcheinlich ohne Häutungen in längerer oder kürzerer Zeit, aber immer ſchnell genug zu der
fortpflanzungsfähigen Laus wird. Leeuwenhoek hat ausgerechnet, daß ein Weibchen nach acht
Wochen Zeuge der Geburt von fünftauſend Abkömmlingen ſein kann, wonach alſo nach dem Eier-
legen der Tod nicht einträte. Eine Menge von Säugethieren, wie Schweine, Wiederkäuer, Ein-
hufer, Nager, Affen werden von ihnen bewohnt, jedes von einer beſtimmten, auch von mehreren
Arten zugleich, ſelbſt der Menſch ernährt deren drei.

Die Kopflaus (Pediculus capitis) tummelt ſich nur auf den Köpfen, vorzugsweiſe unſauberer
Kinder. Sie iſt graugelb von Farbe, an den Rändern der Hinterleibsglieder dunkler und hat
einen ziemlich quadratiſchen Mittelleib. Bei dem ſchlankeren, kleineren Männchen iſt der Kopf
deutlicher abgeſetzt; es wird leicht an dem ſtachelartig hervorſtehenden Geſchlechtswerkzeuge erkannt,

[Abbildung] Männchen der
Kopflaus
(Pediculus
capitis)
.
deſſen Lage darauf hinweiſt, daß es ſich bei der Paarung vom Weibchen beſteigen
läßt. Dieſes legt hierauf ungefähr funfzig Eier, deren Jnhalt nach vier Wochen
wiederum fortpflanzungsfähig iſt.

Eine zweite, etwas ſchlankere und größere, an den Hinterrändern der Leibes-
ringe nicht gebräunte Art iſt die Kleiderlaus (P. vestimenti), welche ſich am Leibe
des Menſchen, vorzugsweiſe an Bruſt und Rücken ernährt und in ſeinen Kleidern
verſteckt; ſie iſt es beſonders, von denen die Soldaten im Felde und in den Kaſernen
zu leiden haben. Die Schlankheit des Thieres wird abgeſehen von dem ſchmäleren
Körper noch durch den hinten halsartig verengten Kopf und die Gelenkeinſchnitte
hervorgebracht. Die Weibchen legen ihre Eier zwiſchen die Nähte der Unterkleider, daher niſtet
ſich das läſtige Ungeziefer beſonders da ein, wo dieſe nicht ſo häufig gewechſelt werden, als es
die Reinlichkeit verlangt. — Pediculus tabescentium als Urſache der Läuſeſucht, der ſogenannten

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[504/0536] Die Schnabelkerfe. Läuſe. Es ſcheint vollkommen gerechtfertigt, mit denjenigen dieſer Thiere zu beginnen, welche lange Zeit hindurch in der Vereinigung der eben beſprochenen von den Syſtematikern abgehandelt wurden, mit den echten Läuſen, jenen Quälgeiſtern auf Menſchen und Säugethieren — alle ſechsbeinigen Schmarotzer auf Vögeln, obſchon ſie im gewöhnlichen Leben denſelben ſchreckenerregenden Namen führen, ſaugen kein Blut, ſondern gehören den Federlingen an. — Die Läuſe (Pediculina) haben keine Flügel, fadenförmige, fünfgliedrige Fühler, zweigliedrige Füße, deren letztes, hakiges Glied gegen das angeſchwollene vorletzte zurückgeſchlagen werden kann und ihnen hierdurch die Fähigkeit zum Klettern ſichert. Der Kopf ſteht wagrecht nach vorn, trägt ſehr kleine, einfache Augen, welche ſich mitunter gar nicht erkennen laſſen, und weit vorn die nur beim Gebrauche ſicht- bar werdenden Mundtheile. Dieſelben beſtehen aus einem weichen, einſtülpbaren kurzen Kegel, deſſen Vorderrand von Häkchenreihen eingefaßt wird. Jn dieſer Röhre finden ſich, wie in einer Scheide, vier hornige Halbröhren, welche ſich zu zwei und zwei zu einer engern und weitern Röhre vereinigen. Das innerſte Rohr wird aus dem umſchließenden äußeren weiter herausgeſtreckt, in die Haut eingebohrt und dient als Saugrohr bei der Aufnahme des Blutes; der Hakenkranz der äußern Schnabelſcheide bewirkt das Feſthalten und den luftdichten Verſchluß des Pumpenwerkes und verurſacht ohne Zweifel die freſſende Empfindung; denn Jedermann wird ſeinem Gefühle nach behaupten, die Laus freſſe und ſteche nicht. Der kleine Mittelleib enthält nur ſchwache Andeutung von drei Ringen und ſetzt ſich bei Haematopinus, wozu die Schweinelaus gehört, deutlich gegen den ovalen oder runden Hinterleib ab, während er bei Pediculus ganz unmerklich in denſelben übergeht. Der in den Umriſſen meiſt eiförmige Hinterleib läßt durch Einſchnürung mehr oder weniger deutlich neun Abſchnitte erkennen und bleibt ziemlich durchſichtig, ſo daß der Darmkanal, beſonders der mit Nahrung gefüllte, wahrgenommen werden kann. Die Läuſe ver- mehren ſich durch birnförmige Eier, die ſogenannten Niſſe oder Knitten ſtark. Sie kleben dieſelben an den Grund der Haare an, und die Wärme der thieriſchen Ausdünſtung brütet ſie nach acht Tagen aus. Durch ein Deckelchen oben kommt das Läuschen herausſpaziert, welches wahrſcheinlich ohne Häutungen in längerer oder kürzerer Zeit, aber immer ſchnell genug zu der fortpflanzungsfähigen Laus wird. Leeuwenhoek hat ausgerechnet, daß ein Weibchen nach acht Wochen Zeuge der Geburt von fünftauſend Abkömmlingen ſein kann, wonach alſo nach dem Eier- legen der Tod nicht einträte. Eine Menge von Säugethieren, wie Schweine, Wiederkäuer, Ein- hufer, Nager, Affen werden von ihnen bewohnt, jedes von einer beſtimmten, auch von mehreren Arten zugleich, ſelbſt der Menſch ernährt deren drei. Die Kopflaus (Pediculus capitis) tummelt ſich nur auf den Köpfen, vorzugsweiſe unſauberer Kinder. Sie iſt graugelb von Farbe, an den Rändern der Hinterleibsglieder dunkler und hat einen ziemlich quadratiſchen Mittelleib. Bei dem ſchlankeren, kleineren Männchen iſt der Kopf deutlicher abgeſetzt; es wird leicht an dem ſtachelartig hervorſtehenden Geſchlechtswerkzeuge erkannt, [Abbildung Männchen der Kopflaus (Pediculus capitis).] deſſen Lage darauf hinweiſt, daß es ſich bei der Paarung vom Weibchen beſteigen läßt. Dieſes legt hierauf ungefähr funfzig Eier, deren Jnhalt nach vier Wochen wiederum fortpflanzungsfähig iſt. Eine zweite, etwas ſchlankere und größere, an den Hinterrändern der Leibes- ringe nicht gebräunte Art iſt die Kleiderlaus (P. vestimenti), welche ſich am Leibe des Menſchen, vorzugsweiſe an Bruſt und Rücken ernährt und in ſeinen Kleidern verſteckt; ſie iſt es beſonders, von denen die Soldaten im Felde und in den Kaſernen zu leiden haben. Die Schlankheit des Thieres wird abgeſehen von dem ſchmäleren Körper noch durch den hinten halsartig verengten Kopf und die Gelenkeinſchnitte hervorgebracht. Die Weibchen legen ihre Eier zwiſchen die Nähte der Unterkleider, daher niſtet ſich das läſtige Ungeziefer beſonders da ein, wo dieſe nicht ſo häufig gewechſelt werden, als es die Reinlichkeit verlangt. — Pediculus tabescentium als Urſache der Läuſeſucht, der ſogenannten

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/536>, abgerufen am 23.11.2024.