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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Schnabelkerfe. Schildläuse.
wie in einzelnen Fällen auch weibliche Larven, verwandelt sich darin zu einer ruhenden Puppe,
welche zuletzt aus dem Hinterende des Cocons ein zartes, zweiflügeliges Wesen entläßt, aus-
gezeichnet durch drei Hauptabschnitte des Körpers, borstige oder schnurförmige Fühler, einfache
Augen, öfter in größerer Anzahl jederseits angebracht, durch einen verkümmerten Schnabel,
deutliche Füße, nicht selten durch zwei lange Schwanzborsten und ein lang hervorragendes Geschlechts-
werkzeug dazwischen. Das Männchen kommt bedeutend seltener vor, lebt nur sehr kurze Zeit und
blieb darum von den meisten Arten bisher noch unbekannt.

Von den eben erzählten Lebensverhältnissen weichen einige Gattungen wesentlich ab. So
gleichen sich beispielsweise bei Aleurodes beide Geschlechter fast vollkommen, bei Dorthesia behalten
die Weibchen ihre Beweglichkeit bis zum Tode. Aus dem Gesagten geht aber hervor, daß auch
hier späteren Forschungen noch vieles übrig gelassen ist. Die meisten Schildläuse gehören wärmeren
Erdstrichen an, da diese aber reich an anderen besser zu beobachtenden und zu sammelnden Kerbthieren
sind, so hat man in diesem Umstande einen weiteren Grund unserer lückenhaften Kenntnisse von
diesen unscheinbaren, aber höchst interessanten Wesen zu suchen.

Wer hätte nicht schon die braunen, fast kugeligen Ueberreste der Eichen-Schildlaus (Leca-
nium quercus)
gesehen, welche manchmal reihenweise zwischen den Rindenschuppen alter Eichstämme
jahrelang sitzen? So lange die flachschildförmigen Weibchen leben und als Larven achtgliedrige
Fühler haben, fallen sie weniger in die Augen; die Männchen zeichnen zwei Schwanzborsten aus.
Ein ganz ähnliches Thier, die Wein-Schildlaus (L. vitis), bemerkt man auf alten Weinreben,
dann besonders, wenn die weiblichen Ueberreste eine schneeweißes Polster decken, das sich in feine,
den Spinnenweben ähnliche Fäden ausziehen läßt.

Unter den Namen Kermes, Kermsbeere, Alkormes, Karmosinbeere, Grana Chermes,
Kermes tinctorum
u. a. kommt aus Frankreich, Spanien, dem griechischen Archipel, besonders
aus Candia etc. ein Farbstoff in den Handel, welcher schon den Griechen und Römern bekannt
war. Die muschelartigen, braunen Körper, welche durch Behandlung mit Essig erst eine rothe
Farbe geben, mit der die Kopfbedeckungen der Griechen und Türken häufig gefärbt sind, gehören
der Kermesschildlaus (L. ilicis) an. Das Thier lebt an der häufiger strauchartig als baum-
artig wachsenden Kermeseiche (Quercus coccifera), deren älteste, entkräftete Exemplare am meisten
mit dieser kugeligen, der Eichenschildlaus unserer heimischen Eichen sehr ähnlichen Schildlaus
besetzt sind. Jenachdem der Winter mehr oder weniger mild ist, fällt auch die Ernte des Kermes
mehr oder weniger ergiebig aus. Man rechnet auf eine gute Ernte, wenn der Frühling ohne
Fröste und Nebel ausläuft. Für gewöhnlich kommt nur eine Generation im Jahre vor und nur
in besonders günstigen Fällen wachsen die Schildläuse zum zweiten Male in demselben brauchbar
heran. Anfangs März sind die Thierchen kleiner als ein Hirsekorn, im April erreichen sie ihre
bedeutendste Größe, gleich der einer Erbse; Ende Mai findet man 1800 bis 2600 Eier unter der
todten Hülle, den Ueberresten der bald nach dem Legen zu Grunde gegangenen Mutter. Zu dieser
Zeit wird die Kermes von Hirten, Kindern oder Weibern gesammelt, die sich zu dieser Arbeit
die Nägel wachsen lassen und es zu solcher Fertigkeit bringen, daß sie unter Umständen in einem
Tage zwei Pfund zusammenbringen.

Die berühmteste aller Schildläuse ist die Cochenille (Coccus cacti). Das durchaus carmin-
rothe Männchen hat zwei getrübte Flügel, zehngliedrige Fühler und lange Schwanzborsten, das
ebenso gefärbte Weibchen überzieht sich mit weißem Reise. Diese Art lebt ursprünglich in Mexiko
auf der breiten Fackeldistel (Opuntia coccinellifera), dort Nopal genannt. Von da verpflanzte
man sie auf einige der westindischen Jnseln, nach Malaga, Spanien, Algier, Java und zuletzt
nach Teneriffa. Seit ungefähr 1526 bildet dieses auf heißen Blechen getrocknete, in heißem Wasser
aufweichbare, in seinen Körperformen dann noch zu erkennende weibliche Kerf als werthvoller Farb-
stoff einen bedeutenden Ausfuhrartikel für Mexiko. Wiewohl schon Acosta (um 1530) den

Die Schnabelkerfe. Schildläuſe.
wie in einzelnen Fällen auch weibliche Larven, verwandelt ſich darin zu einer ruhenden Puppe,
welche zuletzt aus dem Hinterende des Cocons ein zartes, zweiflügeliges Weſen entläßt, aus-
gezeichnet durch drei Hauptabſchnitte des Körpers, borſtige oder ſchnurförmige Fühler, einfache
Augen, öfter in größerer Anzahl jederſeits angebracht, durch einen verkümmerten Schnabel,
deutliche Füße, nicht ſelten durch zwei lange Schwanzborſten und ein lang hervorragendes Geſchlechts-
werkzeug dazwiſchen. Das Männchen kommt bedeutend ſeltener vor, lebt nur ſehr kurze Zeit und
blieb darum von den meiſten Arten bisher noch unbekannt.

Von den eben erzählten Lebensverhältniſſen weichen einige Gattungen weſentlich ab. So
gleichen ſich beiſpielsweiſe bei Aleurodes beide Geſchlechter faſt vollkommen, bei Dorthesia behalten
die Weibchen ihre Beweglichkeit bis zum Tode. Aus dem Geſagten geht aber hervor, daß auch
hier ſpäteren Forſchungen noch vieles übrig gelaſſen iſt. Die meiſten Schildläuſe gehören wärmeren
Erdſtrichen an, da dieſe aber reich an anderen beſſer zu beobachtenden und zu ſammelnden Kerbthieren
ſind, ſo hat man in dieſem Umſtande einen weiteren Grund unſerer lückenhaften Kenntniſſe von
dieſen unſcheinbaren, aber höchſt intereſſanten Weſen zu ſuchen.

Wer hätte nicht ſchon die braunen, faſt kugeligen Ueberreſte der Eichen-Schildlaus (Leca-
nium quercus)
geſehen, welche manchmal reihenweiſe zwiſchen den Rindenſchuppen alter Eichſtämme
jahrelang ſitzen? So lange die flachſchildförmigen Weibchen leben und als Larven achtgliedrige
Fühler haben, fallen ſie weniger in die Augen; die Männchen zeichnen zwei Schwanzborſten aus.
Ein ganz ähnliches Thier, die Wein-Schildlaus (L. vitis), bemerkt man auf alten Weinreben,
dann beſonders, wenn die weiblichen Ueberreſte eine ſchneeweißes Polſter decken, das ſich in feine,
den Spinnenweben ähnliche Fäden ausziehen läßt.

Unter den Namen Kermes, Kermsbeere, Alkormes, Karmoſinbeere, Grana Chermes,
Kermes tinctorum
u. a. kommt aus Frankreich, Spanien, dem griechiſchen Archipel, beſonders
aus Candia ꝛc. ein Farbſtoff in den Handel, welcher ſchon den Griechen und Römern bekannt
war. Die muſchelartigen, braunen Körper, welche durch Behandlung mit Eſſig erſt eine rothe
Farbe geben, mit der die Kopfbedeckungen der Griechen und Türken häufig gefärbt ſind, gehören
der Kermesſchildlaus (L. ilicis) an. Das Thier lebt an der häufiger ſtrauchartig als baum-
artig wachſenden Kermeseiche (Quercus coccifera), deren älteſte, entkräftete Exemplare am meiſten
mit dieſer kugeligen, der Eichenſchildlaus unſerer heimiſchen Eichen ſehr ähnlichen Schildlaus
beſetzt ſind. Jenachdem der Winter mehr oder weniger mild iſt, fällt auch die Ernte des Kermes
mehr oder weniger ergiebig aus. Man rechnet auf eine gute Ernte, wenn der Frühling ohne
Fröſte und Nebel ausläuft. Für gewöhnlich kommt nur eine Generation im Jahre vor und nur
in beſonders günſtigen Fällen wachſen die Schildläuſe zum zweiten Male in demſelben brauchbar
heran. Anfangs März ſind die Thierchen kleiner als ein Hirſekorn, im April erreichen ſie ihre
bedeutendſte Größe, gleich der einer Erbſe; Ende Mai findet man 1800 bis 2600 Eier unter der
todten Hülle, den Ueberreſten der bald nach dem Legen zu Grunde gegangenen Mutter. Zu dieſer
Zeit wird die Kermes von Hirten, Kindern oder Weibern geſammelt, die ſich zu dieſer Arbeit
die Nägel wachſen laſſen und es zu ſolcher Fertigkeit bringen, daß ſie unter Umſtänden in einem
Tage zwei Pfund zuſammenbringen.

Die berühmteſte aller Schildläuſe iſt die Cochenille (Coccus cacti). Das durchaus carmin-
rothe Männchen hat zwei getrübte Flügel, zehngliedrige Fühler und lange Schwanzborſten, das
ebenſo gefärbte Weibchen überzieht ſich mit weißem Reiſe. Dieſe Art lebt urſprünglich in Mexiko
auf der breiten Fackeldiſtel (Opuntia coccinellifera), dort Nopal genannt. Von da verpflanzte
man ſie auf einige der weſtindiſchen Jnſeln, nach Malaga, Spanien, Algier, Java und zuletzt
nach Teneriffa. Seit ungefähr 1526 bildet dieſes auf heißen Blechen getrocknete, in heißem Waſſer
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ſtoff einen bedeutenden Ausfuhrartikel für Mexiko. Wiewohl ſchon Acoſta (um 1530) den

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[506/0538] Die Schnabelkerfe. Schildläuſe. wie in einzelnen Fällen auch weibliche Larven, verwandelt ſich darin zu einer ruhenden Puppe, welche zuletzt aus dem Hinterende des Cocons ein zartes, zweiflügeliges Weſen entläßt, aus- gezeichnet durch drei Hauptabſchnitte des Körpers, borſtige oder ſchnurförmige Fühler, einfache Augen, öfter in größerer Anzahl jederſeits angebracht, durch einen verkümmerten Schnabel, deutliche Füße, nicht ſelten durch zwei lange Schwanzborſten und ein lang hervorragendes Geſchlechts- werkzeug dazwiſchen. Das Männchen kommt bedeutend ſeltener vor, lebt nur ſehr kurze Zeit und blieb darum von den meiſten Arten bisher noch unbekannt. Von den eben erzählten Lebensverhältniſſen weichen einige Gattungen weſentlich ab. So gleichen ſich beiſpielsweiſe bei Aleurodes beide Geſchlechter faſt vollkommen, bei Dorthesia behalten die Weibchen ihre Beweglichkeit bis zum Tode. Aus dem Geſagten geht aber hervor, daß auch hier ſpäteren Forſchungen noch vieles übrig gelaſſen iſt. Die meiſten Schildläuſe gehören wärmeren Erdſtrichen an, da dieſe aber reich an anderen beſſer zu beobachtenden und zu ſammelnden Kerbthieren ſind, ſo hat man in dieſem Umſtande einen weiteren Grund unſerer lückenhaften Kenntniſſe von dieſen unſcheinbaren, aber höchſt intereſſanten Weſen zu ſuchen. Wer hätte nicht ſchon die braunen, faſt kugeligen Ueberreſte der Eichen-Schildlaus (Leca- nium quercus) geſehen, welche manchmal reihenweiſe zwiſchen den Rindenſchuppen alter Eichſtämme jahrelang ſitzen? So lange die flachſchildförmigen Weibchen leben und als Larven achtgliedrige Fühler haben, fallen ſie weniger in die Augen; die Männchen zeichnen zwei Schwanzborſten aus. Ein ganz ähnliches Thier, die Wein-Schildlaus (L. vitis), bemerkt man auf alten Weinreben, dann beſonders, wenn die weiblichen Ueberreſte eine ſchneeweißes Polſter decken, das ſich in feine, den Spinnenweben ähnliche Fäden ausziehen läßt. Unter den Namen Kermes, Kermsbeere, Alkormes, Karmoſinbeere, Grana Chermes, Kermes tinctorum u. a. kommt aus Frankreich, Spanien, dem griechiſchen Archipel, beſonders aus Candia ꝛc. ein Farbſtoff in den Handel, welcher ſchon den Griechen und Römern bekannt war. Die muſchelartigen, braunen Körper, welche durch Behandlung mit Eſſig erſt eine rothe Farbe geben, mit der die Kopfbedeckungen der Griechen und Türken häufig gefärbt ſind, gehören der Kermesſchildlaus (L. ilicis) an. Das Thier lebt an der häufiger ſtrauchartig als baum- artig wachſenden Kermeseiche (Quercus coccifera), deren älteſte, entkräftete Exemplare am meiſten mit dieſer kugeligen, der Eichenſchildlaus unſerer heimiſchen Eichen ſehr ähnlichen Schildlaus beſetzt ſind. Jenachdem der Winter mehr oder weniger mild iſt, fällt auch die Ernte des Kermes mehr oder weniger ergiebig aus. Man rechnet auf eine gute Ernte, wenn der Frühling ohne Fröſte und Nebel ausläuft. Für gewöhnlich kommt nur eine Generation im Jahre vor und nur in beſonders günſtigen Fällen wachſen die Schildläuſe zum zweiten Male in demſelben brauchbar heran. Anfangs März ſind die Thierchen kleiner als ein Hirſekorn, im April erreichen ſie ihre bedeutendſte Größe, gleich der einer Erbſe; Ende Mai findet man 1800 bis 2600 Eier unter der todten Hülle, den Ueberreſten der bald nach dem Legen zu Grunde gegangenen Mutter. Zu dieſer Zeit wird die Kermes von Hirten, Kindern oder Weibern geſammelt, die ſich zu dieſer Arbeit die Nägel wachſen laſſen und es zu ſolcher Fertigkeit bringen, daß ſie unter Umſtänden in einem Tage zwei Pfund zuſammenbringen. Die berühmteſte aller Schildläuſe iſt die Cochenille (Coccus cacti). Das durchaus carmin- rothe Männchen hat zwei getrübte Flügel, zehngliedrige Fühler und lange Schwanzborſten, das ebenſo gefärbte Weibchen überzieht ſich mit weißem Reiſe. Dieſe Art lebt urſprünglich in Mexiko auf der breiten Fackeldiſtel (Opuntia coccinellifera), dort Nopal genannt. Von da verpflanzte man ſie auf einige der weſtindiſchen Jnſeln, nach Malaga, Spanien, Algier, Java und zuletzt nach Teneriffa. Seit ungefähr 1526 bildet dieſes auf heißen Blechen getrocknete, in heißem Waſſer aufweichbare, in ſeinen Körperformen dann noch zu erkennende weibliche Kerf als werthvoller Farb- ſtoff einen bedeutenden Ausfuhrartikel für Mexiko. Wiewohl ſchon Acoſta (um 1530) den

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/538>, abgerufen am 23.11.2024.