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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Mannaschildlaus. Lackschildlaus. Nessel-Röhrenlaus. Johannisblut.
Röhre versteckende Nessel-Röhrenlaus (Dorthesia urticae), welche sich nie so fest saugt, daß sie
auf derselben Stelle sitzen bliebe. Der Kopf, welcher in dem manschettenartig nach hinten bespitzten
Halsschilde sitzt, trägt achtgliederige, zugespitzte
[Abbildung] Weibchen der Ressel-Röhrenlaus (Dorthesia urticae).
Fühler von schwärzlicher Farbe und die gleichfalls
schwärzlichen Beine lausen in nur eine Klaue aus.
Der weiße Wachsüberzug, am Bauche eine Platte
bildend, biegt sich hinten über die Rückenpartie hin-
weg und stutzt sich breit ab; das Männchen hat
neungliedrige Borstenfühler, gehäufte und darum
körnig erscheinende Augen, zwei Flügel nebst Schüpp-
chen dahinter und entsendet vom Ende des ovalen
Hinterleibes ein Büschel weißer, langer Fäden.
Diese Thierchen finden sich im Juli und August,
stellenweise in Deutschland nicht selten, an der
großen Brennnessel.

Schon lange vor Einführung der amerikanischen Cochenille kannte man in Europa die pol-
nische Cochenille,
das Johannisblut (Porphyrophora polonica), ebenfalls eine Schildlaus,
welche um Johannis gesammelt wurde, darum eben und wegen ihrer rothen Körperfarbe letzteren
Namen bekam. Sie lebt an der Wurzel einiger allgemein verbreiteten, Sandboden liebenden
Pflänzchen, besonders des Knäuels (Seleranthus perennis), des Bruchkrautes (Herniaria glabra),
Glaskrautes (Parietaria) u. a. m. und findet sich bei Dresden, in der Mark Brandenburg, in
Meklenburg, Pommern, Schweden, Preußen, Polen, Rußland, Ungarn und anderwärts. Das
rothe Männchen hat neungliederige, schnurförmige Fühler, körnige Augen, einfache Krallen, am
Vorderrande bis über die Mitte haarige Flügel, kurze Schwinger dahinter und endet in einen
langen Fadenschopf. Dem halbkugeligen Weibchen von einer bis 11/2 Linien Länge kommen kurze,
achtgliedrige Fühler und gleichfalls nur eine Kralle an jedem Fuße zu, aber breite Vorderbeine.
Beide Geschlechter werden im Larvenstande von einer dünnen, kugeligen Hauthülle umschlossen,
in welcher sie unbeweglich, den Schnabel in die Wurzel der Futterpflanze eingebohrt, dasitzen.
Nach vierzehn Tagen reißt die Haut, die kleinere männliche vor der weiblichen, und aus letzterer
kommt das reise Weibchen hervor; aus der andern das Männchen noch als Larve. Diese umgibt
sich alsbald mit einer wolligen Masse, wird darin zur ruhenden Puppe und diese entläßt
erst nach vierzehn Tagen das eben beschriebene Wesen. Ehe man die bedeutend bessere
und billigere echte Cochenille kannte, bildeten die polnischen Scharlachkörner, welche von den
Weibern und Kindern der Leibeigenen in den slavischen Ländern gesammelt werden mußten, einen
nicht unbedeutenden Handelsartikel und sollen einem polnischen Könige nur an Abgaben für den
Zoll 6000 Gulden eingetragen haben; aus Podolien allein sollen jährlich 1000 Pfund, jedes zu
einem Werthe von acht bis zehn polnischen Gulden, ausgeführt worden sein.

Dadurch, daß beide Geschlechter gleich gebildet sind und jedes vier Flügel hat, vermittelt die
Gattung Aleurodes den Uebergang zur folgenden Familie, der sie wegen der schildlausartigen
Larve nicht beigezählt werden kann, wie Burmeister meint, was dagegen andere, wie z. B.
Hartig, nicht gelten lassen wollen. Von den sechs Fühlergliedern erreicht das zweite eine vor-
waltende Länge, die Füße haben zwei Klauen. Die nur eine halbe Linie große Schöllkraut-
Laus
(A. chelidonii), grünlich weiß von Farbe und an den Flügeln mit zwei verloschenen braunen
Binden gezeichnet, ward schon von Linne gekannt, als Tinea proletella beschrieben und somit
den Motten beigezählt. Das Thierchen findet sich in Europa nicht selten und sitzt am liebsten
mit dachförmig den Leib deckenden Flügeln auf der Unterseite der Blätter des Schöllkrauts (Cheli-
donium majus)
. Jn seiner Nähe bemerkt man kleine, schwach weiß bestaubte Kreise, an deren
Umfange die zuerst gelben, nachher braunen Eierchen liegen.

Mannaſchildlaus. Lackſchildlaus. Neſſel-Röhrenlaus. Johannisblut.
Röhre verſteckende Neſſel-Röhrenlaus (Dorthesia urticae), welche ſich nie ſo feſt ſaugt, daß ſie
auf derſelben Stelle ſitzen bliebe. Der Kopf, welcher in dem manſchettenartig nach hinten beſpitzten
Halsſchilde ſitzt, trägt achtgliederige, zugeſpitzte
[Abbildung] Weibchen der Reſſel-Röhrenlaus (Dorthesia urticae).
Fühler von ſchwärzlicher Farbe und die gleichfalls
ſchwärzlichen Beine lauſen in nur eine Klaue aus.
Der weiße Wachsüberzug, am Bauche eine Platte
bildend, biegt ſich hinten über die Rückenpartie hin-
weg und ſtutzt ſich breit ab; das Männchen hat
neungliedrige Borſtenfühler, gehäufte und darum
körnig erſcheinende Augen, zwei Flügel nebſt Schüpp-
chen dahinter und entſendet vom Ende des ovalen
Hinterleibes ein Büſchel weißer, langer Fäden.
Dieſe Thierchen finden ſich im Juli und Auguſt,
ſtellenweiſe in Deutſchland nicht ſelten, an der
großen Brennneſſel.

Schon lange vor Einführung der amerikaniſchen Cochenille kannte man in Europa die pol-
niſche Cochenille,
das Johannisblut (Porphyrophora polonica), ebenfalls eine Schildlaus,
welche um Johannis geſammelt wurde, darum eben und wegen ihrer rothen Körperfarbe letzteren
Namen bekam. Sie lebt an der Wurzel einiger allgemein verbreiteten, Sandboden liebenden
Pflänzchen, beſonders des Knäuels (Seleranthus perennis), des Bruchkrautes (Herniaria glabra),
Glaskrautes (Parietaria) u. a. m. und findet ſich bei Dresden, in der Mark Brandenburg, in
Meklenburg, Pommern, Schweden, Preußen, Polen, Rußland, Ungarn und anderwärts. Das
rothe Männchen hat neungliederige, ſchnurförmige Fühler, körnige Augen, einfache Krallen, am
Vorderrande bis über die Mitte haarige Flügel, kurze Schwinger dahinter und endet in einen
langen Fadenſchopf. Dem halbkugeligen Weibchen von einer bis 1½ Linien Länge kommen kurze,
achtgliedrige Fühler und gleichfalls nur eine Kralle an jedem Fuße zu, aber breite Vorderbeine.
Beide Geſchlechter werden im Larvenſtande von einer dünnen, kugeligen Hauthülle umſchloſſen,
in welcher ſie unbeweglich, den Schnabel in die Wurzel der Futterpflanze eingebohrt, daſitzen.
Nach vierzehn Tagen reißt die Haut, die kleinere männliche vor der weiblichen, und aus letzterer
kommt das reiſe Weibchen hervor; aus der andern das Männchen noch als Larve. Dieſe umgibt
ſich alsbald mit einer wolligen Maſſe, wird darin zur ruhenden Puppe und dieſe entläßt
erſt nach vierzehn Tagen das eben beſchriebene Weſen. Ehe man die bedeutend beſſere
und billigere echte Cochenille kannte, bildeten die polniſchen Scharlachkörner, welche von den
Weibern und Kindern der Leibeigenen in den ſlaviſchen Ländern geſammelt werden mußten, einen
nicht unbedeutenden Handelsartikel und ſollen einem polniſchen Könige nur an Abgaben für den
Zoll 6000 Gulden eingetragen haben; aus Podolien allein ſollen jährlich 1000 Pfund, jedes zu
einem Werthe von acht bis zehn polniſchen Gulden, ausgeführt worden ſein.

Dadurch, daß beide Geſchlechter gleich gebildet ſind und jedes vier Flügel hat, vermittelt die
Gattung Aleurodes den Uebergang zur folgenden Familie, der ſie wegen der ſchildlausartigen
Larve nicht beigezählt werden kann, wie Burmeiſter meint, was dagegen andere, wie z. B.
Hartig, nicht gelten laſſen wollen. Von den ſechs Fühlergliedern erreicht das zweite eine vor-
waltende Länge, die Füße haben zwei Klauen. Die nur eine halbe Linie große Schöllkraut-
Laus
(A. chelidonii), grünlich weiß von Farbe und an den Flügeln mit zwei verloſchenen braunen
Binden gezeichnet, ward ſchon von Linné gekannt, als Tinea proletella beſchrieben und ſomit
den Motten beigezählt. Das Thierchen findet ſich in Europa nicht ſelten und ſitzt am liebſten
mit dachförmig den Leib deckenden Flügeln auf der Unterſeite der Blätter des Schöllkrauts (Cheli-
donium majus)
. Jn ſeiner Nähe bemerkt man kleine, ſchwach weiß beſtaubte Kreiſe, an deren
Umfange die zuerſt gelben, nachher braunen Eierchen liegen.

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[509/0541] Mannaſchildlaus. Lackſchildlaus. Neſſel-Röhrenlaus. Johannisblut. Röhre verſteckende Neſſel-Röhrenlaus (Dorthesia urticae), welche ſich nie ſo feſt ſaugt, daß ſie auf derſelben Stelle ſitzen bliebe. Der Kopf, welcher in dem manſchettenartig nach hinten beſpitzten Halsſchilde ſitzt, trägt achtgliederige, zugeſpitzte [Abbildung Weibchen der Reſſel-Röhrenlaus (Dorthesia urticae).] Fühler von ſchwärzlicher Farbe und die gleichfalls ſchwärzlichen Beine lauſen in nur eine Klaue aus. Der weiße Wachsüberzug, am Bauche eine Platte bildend, biegt ſich hinten über die Rückenpartie hin- weg und ſtutzt ſich breit ab; das Männchen hat neungliedrige Borſtenfühler, gehäufte und darum körnig erſcheinende Augen, zwei Flügel nebſt Schüpp- chen dahinter und entſendet vom Ende des ovalen Hinterleibes ein Büſchel weißer, langer Fäden. Dieſe Thierchen finden ſich im Juli und Auguſt, ſtellenweiſe in Deutſchland nicht ſelten, an der großen Brennneſſel. Schon lange vor Einführung der amerikaniſchen Cochenille kannte man in Europa die pol- niſche Cochenille, das Johannisblut (Porphyrophora polonica), ebenfalls eine Schildlaus, welche um Johannis geſammelt wurde, darum eben und wegen ihrer rothen Körperfarbe letzteren Namen bekam. Sie lebt an der Wurzel einiger allgemein verbreiteten, Sandboden liebenden Pflänzchen, beſonders des Knäuels (Seleranthus perennis), des Bruchkrautes (Herniaria glabra), Glaskrautes (Parietaria) u. a. m. und findet ſich bei Dresden, in der Mark Brandenburg, in Meklenburg, Pommern, Schweden, Preußen, Polen, Rußland, Ungarn und anderwärts. Das rothe Männchen hat neungliederige, ſchnurförmige Fühler, körnige Augen, einfache Krallen, am Vorderrande bis über die Mitte haarige Flügel, kurze Schwinger dahinter und endet in einen langen Fadenſchopf. Dem halbkugeligen Weibchen von einer bis 1½ Linien Länge kommen kurze, achtgliedrige Fühler und gleichfalls nur eine Kralle an jedem Fuße zu, aber breite Vorderbeine. Beide Geſchlechter werden im Larvenſtande von einer dünnen, kugeligen Hauthülle umſchloſſen, in welcher ſie unbeweglich, den Schnabel in die Wurzel der Futterpflanze eingebohrt, daſitzen. Nach vierzehn Tagen reißt die Haut, die kleinere männliche vor der weiblichen, und aus letzterer kommt das reiſe Weibchen hervor; aus der andern das Männchen noch als Larve. Dieſe umgibt ſich alsbald mit einer wolligen Maſſe, wird darin zur ruhenden Puppe und dieſe entläßt erſt nach vierzehn Tagen das eben beſchriebene Weſen. Ehe man die bedeutend beſſere und billigere echte Cochenille kannte, bildeten die polniſchen Scharlachkörner, welche von den Weibern und Kindern der Leibeigenen in den ſlaviſchen Ländern geſammelt werden mußten, einen nicht unbedeutenden Handelsartikel und ſollen einem polniſchen Könige nur an Abgaben für den Zoll 6000 Gulden eingetragen haben; aus Podolien allein ſollen jährlich 1000 Pfund, jedes zu einem Werthe von acht bis zehn polniſchen Gulden, ausgeführt worden ſein. Dadurch, daß beide Geſchlechter gleich gebildet ſind und jedes vier Flügel hat, vermittelt die Gattung Aleurodes den Uebergang zur folgenden Familie, der ſie wegen der ſchildlausartigen Larve nicht beigezählt werden kann, wie Burmeiſter meint, was dagegen andere, wie z. B. Hartig, nicht gelten laſſen wollen. Von den ſechs Fühlergliedern erreicht das zweite eine vor- waltende Länge, die Füße haben zwei Klauen. Die nur eine halbe Linie große Schöllkraut- Laus (A. chelidonii), grünlich weiß von Farbe und an den Flügeln mit zwei verloſchenen braunen Binden gezeichnet, ward ſchon von Linné gekannt, als Tinea proletella beſchrieben und ſomit den Motten beigezählt. Das Thierchen findet ſich in Europa nicht ſelten und ſitzt am liebſten mit dachförmig den Leib deckenden Flügeln auf der Unterſeite der Blätter des Schöllkrauts (Cheli- donium majus). Jn ſeiner Nähe bemerkt man kleine, ſchwach weiß beſtaubte Kreiſe, an deren Umfange die zuerſt gelben, nachher braunen Eierchen liegen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/541>, abgerufen am 23.11.2024.