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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Gemeiner Vielfuß, platte Randassel, deutsche Saugassel.
durch längere Fühler und Beine, bewegliche Fußplatten und noch andere Merkmale von jenen ver-
schiedene Arten wurden neuerdings unter mehrere Gattungen vertheilt.

Eine wesentlich andere Körperform erhalten die Randasseln (Polydesmus) dadurch, daß die
Ringe, welche in der beschränkteren Anzahl von 20 aufzutreten pflegen, in Folge seitlicher, platten-
artiger Ausbreitungen und Kanten den drehrunden Umriß aufgeben und daß die Beine nicht in der
Mittellinie des Bauches zusammenstoßen, mithin auch an den Körperseiten deutlicher sichtbar werden.
Gervais beobachtete neugeborne Jndividuen der platten Randassel (P. complanatus), ohne
jedoch das Ausschlüpfen aus dem Eie mit angesehen zu haben; sie zeigten einschließlich des Kopfes
und Afters sieben Glieder und sechs Beine. Drei Wochen später hatte das eine von ihnen zehn Ringe,
acht ohne Kopf und After-

[Abbildung] Die platte Randassel (Polydesmus
complanatus
).
glied und, statt der frühern
drei, sechs Fußpaare, je
eins am ersten zweiten
und dritten, ein viertes
und fünftes am folgenden
und das sechste und zwar
kegelförmige am darauf fol-
genden Gliede. Er hielt
dieses Jndividuum für ein
Männchen, weil ein Weib-
chen an diesem Gliede
gleichfalls zwei Paare ge-
tragen haben würde; dort
aber waren die Ruthen noch nicht entwickelt. Die erwachsene platte Randassel, welche die Abbildung
in starker Vergrößerung vergegenwärtigt, hat an dem ersten und den beiden letzten Körperringen keine
Beine, an jedem der drei auf den ersten folgenden Ringe je ein Paar, weiterhin zwei Paare und
keine Augen. Die plattenartig heraustretenden Seiten der Ringe sind vorn gerundet, hinten geeckt,
die vorletzte tritt in einem stumpfen Mittelzahne etwas über das Afterglied hinaus und die bräunlich
schiefergraue Oberfläche aller erscheint durch schwache, punktartige Erhebungen etwas uneben. Diese
Randassel findet sich überall in Europa unter seuchtem Laube, Steinen, hinter Baumrinde, mitunter
an saftigen Wurzeln, wie Möhren, fressend, und wickelt sich, wie die Julus-Arten, gleich einer
Uhrfeder auf, wenn sie in ihrem Versteck gestört wird. Die Gattung ist reich an Arten, welche in
den heißen Ländern zum Theil beträchtliche Größe erlangen, sich durch die Gestalt des Plattenrandes,
die Spitze des vorletzten Rückensegments und so manches andere untergeordnete Merkmal von
einander unterscheiden, und neuerdings zahlreichen Untergattungen zugetheilt worden sind.



Einige interessante Tausendfüßler unterscheiden sich von allen andern durch das kegelförmige
Kopfschild, welches in Verbindung mit den verwachsenen Mundtheilen eine Saugröhre bildet,
und wurden deshalb unter dem Namen der "Saugasseln" als besondere Familie abgeschieden. Die
einzige bisher in Europa, in Deutschland, Frankreich, Polen und in dem Kaukasus beobachtete
deutsche Saugassel (Polyzonium germanicum) erreicht nur einen halben Zoll in der Länge,
ist etwas platt gedrückt, ungefähr fünfziggliederig und sehr weich, oberhalb glatt und hell rost-
farben, unterhalb weißlich. Die Körperringe, welche mit Ausnahme der drei ersten einpaarfüßigen
und der drei letzten fußlosen, je zwei Paare von Beinen tragen, stellen im Querschnitte keinen

Gemeiner Vielfuß, platte Randaſſel, deutſche Saugaſſel.
durch längere Fühler und Beine, bewegliche Fußplatten und noch andere Merkmale von jenen ver-
ſchiedene Arten wurden neuerdings unter mehrere Gattungen vertheilt.

Eine weſentlich andere Körperform erhalten die Randaſſeln (Polydesmus) dadurch, daß die
Ringe, welche in der beſchränkteren Anzahl von 20 aufzutreten pflegen, in Folge ſeitlicher, platten-
artiger Ausbreitungen und Kanten den drehrunden Umriß aufgeben und daß die Beine nicht in der
Mittellinie des Bauches zuſammenſtoßen, mithin auch an den Körperſeiten deutlicher ſichtbar werden.
Gervais beobachtete neugeborne Jndividuen der platten Randaſſel (P. complanatus), ohne
jedoch das Ausſchlüpfen aus dem Eie mit angeſehen zu haben; ſie zeigten einſchließlich des Kopfes
und Afters ſieben Glieder und ſechs Beine. Drei Wochen ſpäter hatte das eine von ihnen zehn Ringe,
acht ohne Kopf und After-

[Abbildung] Die platte Randaſſel (Polydesmus
complanatus
).
glied und, ſtatt der frühern
drei, ſechs Fußpaare, je
eins am erſten zweiten
und dritten, ein viertes
und fünftes am folgenden
und das ſechſte und zwar
kegelförmige am darauf fol-
genden Gliede. Er hielt
dieſes Jndividuum für ein
Männchen, weil ein Weib-
chen an dieſem Gliede
gleichfalls zwei Paare ge-
tragen haben würde; dort
aber waren die Ruthen noch nicht entwickelt. Die erwachſene platte Randaſſel, welche die Abbildung
in ſtarker Vergrößerung vergegenwärtigt, hat an dem erſten und den beiden letzten Körperringen keine
Beine, an jedem der drei auf den erſten folgenden Ringe je ein Paar, weiterhin zwei Paare und
keine Augen. Die plattenartig heraustretenden Seiten der Ringe ſind vorn gerundet, hinten geeckt,
die vorletzte tritt in einem ſtumpfen Mittelzahne etwas über das Afterglied hinaus und die bräunlich
ſchiefergraue Oberfläche aller erſcheint durch ſchwache, punktartige Erhebungen etwas uneben. Dieſe
Randaſſel findet ſich überall in Europa unter ſeuchtem Laube, Steinen, hinter Baumrinde, mitunter
an ſaftigen Wurzeln, wie Möhren, freſſend, und wickelt ſich, wie die Julus-Arten, gleich einer
Uhrfeder auf, wenn ſie in ihrem Verſteck geſtört wird. Die Gattung iſt reich an Arten, welche in
den heißen Ländern zum Theil beträchtliche Größe erlangen, ſich durch die Geſtalt des Plattenrandes,
die Spitze des vorletzten Rückenſegments und ſo manches andere untergeordnete Merkmal von
einander unterſcheiden, und neuerdings zahlreichen Untergattungen zugetheilt worden ſind.



Einige intereſſante Tauſendfüßler unterſcheiden ſich von allen andern durch das kegelförmige
Kopfſchild, welches in Verbindung mit den verwachſenen Mundtheilen eine Saugröhre bildet,
und wurden deshalb unter dem Namen der „Saugaſſeln“ als beſondere Familie abgeſchieden. Die
einzige bisher in Europa, in Deutſchland, Frankreich, Polen und in dem Kaukaſus beobachtete
deutſche Saugaſſel (Polyzonium germanicum) erreicht nur einen halben Zoll in der Länge,
iſt etwas platt gedrückt, ungefähr fünfziggliederig und ſehr weich, oberhalb glatt und hell roſt-
farben, unterhalb weißlich. Die Körperringe, welche mit Ausnahme der drei erſten einpaarfüßigen
und der drei letzten fußloſen, je zwei Paare von Beinen tragen, ſtellen im Querſchnitte keinen

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[551/0587] Gemeiner Vielfuß, platte Randaſſel, deutſche Saugaſſel. durch längere Fühler und Beine, bewegliche Fußplatten und noch andere Merkmale von jenen ver- ſchiedene Arten wurden neuerdings unter mehrere Gattungen vertheilt. Eine weſentlich andere Körperform erhalten die Randaſſeln (Polydesmus) dadurch, daß die Ringe, welche in der beſchränkteren Anzahl von 20 aufzutreten pflegen, in Folge ſeitlicher, platten- artiger Ausbreitungen und Kanten den drehrunden Umriß aufgeben und daß die Beine nicht in der Mittellinie des Bauches zuſammenſtoßen, mithin auch an den Körperſeiten deutlicher ſichtbar werden. Gervais beobachtete neugeborne Jndividuen der platten Randaſſel (P. complanatus), ohne jedoch das Ausſchlüpfen aus dem Eie mit angeſehen zu haben; ſie zeigten einſchließlich des Kopfes und Afters ſieben Glieder und ſechs Beine. Drei Wochen ſpäter hatte das eine von ihnen zehn Ringe, acht ohne Kopf und After- [Abbildung Die platte Randaſſel (Polydesmus complanatus).] glied und, ſtatt der frühern drei, ſechs Fußpaare, je eins am erſten zweiten und dritten, ein viertes und fünftes am folgenden und das ſechſte und zwar kegelförmige am darauf fol- genden Gliede. Er hielt dieſes Jndividuum für ein Männchen, weil ein Weib- chen an dieſem Gliede gleichfalls zwei Paare ge- tragen haben würde; dort aber waren die Ruthen noch nicht entwickelt. Die erwachſene platte Randaſſel, welche die Abbildung in ſtarker Vergrößerung vergegenwärtigt, hat an dem erſten und den beiden letzten Körperringen keine Beine, an jedem der drei auf den erſten folgenden Ringe je ein Paar, weiterhin zwei Paare und keine Augen. Die plattenartig heraustretenden Seiten der Ringe ſind vorn gerundet, hinten geeckt, die vorletzte tritt in einem ſtumpfen Mittelzahne etwas über das Afterglied hinaus und die bräunlich ſchiefergraue Oberfläche aller erſcheint durch ſchwache, punktartige Erhebungen etwas uneben. Dieſe Randaſſel findet ſich überall in Europa unter ſeuchtem Laube, Steinen, hinter Baumrinde, mitunter an ſaftigen Wurzeln, wie Möhren, freſſend, und wickelt ſich, wie die Julus-Arten, gleich einer Uhrfeder auf, wenn ſie in ihrem Verſteck geſtört wird. Die Gattung iſt reich an Arten, welche in den heißen Ländern zum Theil beträchtliche Größe erlangen, ſich durch die Geſtalt des Plattenrandes, die Spitze des vorletzten Rückenſegments und ſo manches andere untergeordnete Merkmal von einander unterſcheiden, und neuerdings zahlreichen Untergattungen zugetheilt worden ſind. Einige intereſſante Tauſendfüßler unterſcheiden ſich von allen andern durch das kegelförmige Kopfſchild, welches in Verbindung mit den verwachſenen Mundtheilen eine Saugröhre bildet, und wurden deshalb unter dem Namen der „Saugaſſeln“ als beſondere Familie abgeſchieden. Die einzige bisher in Europa, in Deutſchland, Frankreich, Polen und in dem Kaukaſus beobachtete deutſche Saugaſſel (Polyzonium germanicum) erreicht nur einen halben Zoll in der Länge, iſt etwas platt gedrückt, ungefähr fünfziggliederig und ſehr weich, oberhalb glatt und hell roſt- farben, unterhalb weißlich. Die Körperringe, welche mit Ausnahme der drei erſten einpaarfüßigen und der drei letzten fußloſen, je zwei Paare von Beinen tragen, ſtellen im Querſchnitte keinen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/587>, abgerufen am 23.11.2024.