"Hin und wieder nähern sich zwei Krabben von gleicher Größe einander, strecken ihre Klauen aus, wie ein Preiskämpfer seine Fäuste, und kämpfen dann eine Zeit lang; allein gewöhnlich zieht eine sich zurück, als wenn sie von der erprobten Entfaltung ihrer Kräfte befriedigt wäre. Glaubt sich eine Krabbe von einem gegen sie gerichteten Stock bedroht, so weckt dieß allen Kampfesmuth dieser Geschöpfe. Sich auf die Hinterbeine setzend, streckt sie die Scheeren gegen den Feind und klappt sie mit solcher Kraft zusammen, daß man das Zusammenschlagen genau hören kann. Hat sie den Stock gepackt, so kann man sie mit demselben vom Boden in die Höhe heben." Jch kann die meisten Züge dieser Schilderung aus eigner Beobachtung bestätigen und allen Besuchern der sandigen Seeküsten dieses Treiben zur Unterhaltung empfehlen. An den felsigen und steinigen Küsten des Mittelmeeres kann man sich dagegen mit dem eben so schlauen Grapsus varius er- lustigen, einer mittelgroßen bunten Viereckkrabbe, welche am Ufer Jagd macht und mit der Behendig- keit einer Maus die Löcher und Felsritzen zu benutzen weiß.
Zwischen die Krabben und die langschwänzigen Zehnfüßer schieben sich als eine Uebergangs- gruppe die mit einem schwer zu übersetzenden Namen Anomura genannten Krebse ein. Pöppig hat die nicht unpassende Bezeichnung Mittelkrebse für sie vorgeschlagen. Jhre Mittelstellung bekundet sich namentlich in dem Verhältniß des Nachleibes, der stärker ist, als bei den Krabben, aber nicht den Umfang wie bei den Langschwänzen erreicht, oder, wenn dieß, nicht mit einer harten Hautbedeckung versehen ist. Wir sahen, daß schon die Dromia durch die nach oben gerückten Hinterfüße sich von den ächten Krabben entfernt. Jhnen schließen sich einige andere Gattungen der europäischen Meere an, z. B. Homola. Darunter ist ein Riese ihres Gleichen, Homola Cuvieri, ein seltenes Thier des Mittelmeeres. Jch kaufte vor Jahren auf dem Fischmarkt in Nizza ein Exemplar, das mit ausgestreckten Beinen gegen drei Fuß maß. Außer diesen und den auch in unseren Meeren vertretenen Arten der Steinkrabben (Lithodes) findet der Leser in irgend vollständigeren Sammlungen die zum Theil sehr auffallend gestaltete Froschkrabbe und andere als Afterkrebse zusammengefaßte Gattungen dieser Abtheilung aus den tropischen Meeren.
Aber sowohl nach ihrem Bau als ganz besonders nach ihrer von ihrem Bau bedingten höchst eigenthümlichen Lebensweise, beansprucht vor allen die Familie der Eremitenkrebse (Pagurina) unsere Aufmerksamkeit. Jhr Kopfbruststück ist gestreckt, auch sind die Augenstiele lang und frei hervortretend, eine Eigenschaft, die ihnen zum Hervorlugen aus ihrer Behausung sehr zu Statten kommt. Auch die Scheerenfüße sind lang, kräftig und gewöhnlich ungleich entwickelt, eine Asymmetrie die sich bei vielen Krebsen findet, bei ihnen aber sich weiter auf viele andre Körpertheile erstreckt und ebenfalls im Zusammenhange mit ihrer Lebensweise steht. Die zwei letzten Beinpaare sind stummelförmig, kurze Klauen, mit denen sie sich in ihren Schneckenhäusern anklammern, ebenso wie mit den Beinstummeln des Nachleibes. Dieser ist länglich und sackförmig, hat nur oberhalb ein- zelne harte Platten und ist sonst so weichhäutig, daß die Thiere das Bedürfniß nach einem anderen Schutze haben. Diese an den Küsten aller Meere allbekannten Thiere sichern sich, indem sie ihre Wohnung in Schneckengehäusen aufschlagen. Sie tödten nicht etwa, wie man wohl gesagt hat, die Schnecke, um dann von deren Haus Besitz zu ergreifen, sondern annectiren sich nur die schon verlassenen Gehäuse. Der Krebs sucht sich ein Haus von der Größe, daß er nicht blos seinen Nachleib bequem darin unterbringt, sondern daß er Raum hat, bei Gefahr sich vollständig hinter den Rand der Oeffnung zurückzuziehn. Jndem er sich mit jenen Stummeln an dem Gewinde des Schneckenhauses festhält, an welches sich einige auch noch mittelst Saugnäpfen anhaften können, sitzt er so fest, daß es fast nie gelingt, einen lebendig und ganz herauszuziehn: er läßt sich in Stücke reißen, indem entweder die Scheeren, die man am leichtesten fassen kann, abbrechen, oder das Kopf- bruststück vom Nachleibe losreißt. Wird ihm sein Futteral zu eng, so muß er allerdings sich herauswagen, um sich ein neues anzupassen. Die an unseren Küsten, und besonders im Mittel- meere vorkommenden Arten gerathen aber nicht selten in eine höchst fatale Situation, indem sich
Zehnfüßige Krebſe. Mittelkrebſe. Eremitenkrebſe.
„Hin und wieder nähern ſich zwei Krabben von gleicher Größe einander, ſtrecken ihre Klauen aus, wie ein Preiskämpfer ſeine Fäuſte, und kämpfen dann eine Zeit lang; allein gewöhnlich zieht eine ſich zurück, als wenn ſie von der erprobten Entfaltung ihrer Kräfte befriedigt wäre. Glaubt ſich eine Krabbe von einem gegen ſie gerichteten Stock bedroht, ſo weckt dieß allen Kampfesmuth dieſer Geſchöpfe. Sich auf die Hinterbeine ſetzend, ſtreckt ſie die Scheeren gegen den Feind und klappt ſie mit ſolcher Kraft zuſammen, daß man das Zuſammenſchlagen genau hören kann. Hat ſie den Stock gepackt, ſo kann man ſie mit demſelben vom Boden in die Höhe heben.“ Jch kann die meiſten Züge dieſer Schilderung aus eigner Beobachtung beſtätigen und allen Beſuchern der ſandigen Seeküſten dieſes Treiben zur Unterhaltung empfehlen. An den felſigen und ſteinigen Küſten des Mittelmeeres kann man ſich dagegen mit dem eben ſo ſchlauen Grapsus varius er- luſtigen, einer mittelgroßen bunten Viereckkrabbe, welche am Ufer Jagd macht und mit der Behendig- keit einer Maus die Löcher und Felsritzen zu benutzen weiß.
Zwiſchen die Krabben und die langſchwänzigen Zehnfüßer ſchieben ſich als eine Uebergangs- gruppe die mit einem ſchwer zu überſetzenden Namen Anomura genannten Krebſe ein. Pöppig hat die nicht unpaſſende Bezeichnung Mittelkrebſe für ſie vorgeſchlagen. Jhre Mittelſtellung bekundet ſich namentlich in dem Verhältniß des Nachleibes, der ſtärker iſt, als bei den Krabben, aber nicht den Umfang wie bei den Langſchwänzen erreicht, oder, wenn dieß, nicht mit einer harten Hautbedeckung verſehen iſt. Wir ſahen, daß ſchon die Dromia durch die nach oben gerückten Hinterfüße ſich von den ächten Krabben entfernt. Jhnen ſchließen ſich einige andere Gattungen der europäiſchen Meere an, z. B. Homola. Darunter iſt ein Rieſe ihres Gleichen, Homola Cuvieri, ein ſeltenes Thier des Mittelmeeres. Jch kaufte vor Jahren auf dem Fiſchmarkt in Nizza ein Exemplar, das mit ausgeſtreckten Beinen gegen drei Fuß maß. Außer dieſen und den auch in unſeren Meeren vertretenen Arten der Steinkrabben (Lithodes) findet der Leſer in irgend vollſtändigeren Sammlungen die zum Theil ſehr auffallend geſtaltete Froſchkrabbe und andere als Afterkrebſe zuſammengefaßte Gattungen dieſer Abtheilung aus den tropiſchen Meeren.
Aber ſowohl nach ihrem Bau als ganz beſonders nach ihrer von ihrem Bau bedingten höchſt eigenthümlichen Lebensweiſe, beanſprucht vor allen die Familie der Eremitenkrebſe (Pagurina) unſere Aufmerkſamkeit. Jhr Kopfbruſtſtück iſt geſtreckt, auch ſind die Augenſtiele lang und frei hervortretend, eine Eigenſchaft, die ihnen zum Hervorlugen aus ihrer Behauſung ſehr zu Statten kommt. Auch die Scheerenfüße ſind lang, kräftig und gewöhnlich ungleich entwickelt, eine Aſymmetrie die ſich bei vielen Krebſen findet, bei ihnen aber ſich weiter auf viele andre Körpertheile erſtreckt und ebenfalls im Zuſammenhange mit ihrer Lebensweiſe ſteht. Die zwei letzten Beinpaare ſind ſtummelförmig, kurze Klauen, mit denen ſie ſich in ihren Schneckenhäuſern anklammern, ebenſo wie mit den Beinſtummeln des Nachleibes. Dieſer iſt länglich und ſackförmig, hat nur oberhalb ein- zelne harte Platten und iſt ſonſt ſo weichhäutig, daß die Thiere das Bedürfniß nach einem anderen Schutze haben. Dieſe an den Küſten aller Meere allbekannten Thiere ſichern ſich, indem ſie ihre Wohnung in Schneckengehäuſen aufſchlagen. Sie tödten nicht etwa, wie man wohl geſagt hat, die Schnecke, um dann von deren Haus Beſitz zu ergreifen, ſondern annectiren ſich nur die ſchon verlaſſenen Gehäuſe. Der Krebs ſucht ſich ein Haus von der Größe, daß er nicht blos ſeinen Nachleib bequem darin unterbringt, ſondern daß er Raum hat, bei Gefahr ſich vollſtändig hinter den Rand der Oeffnung zurückzuziehn. Jndem er ſich mit jenen Stummeln an dem Gewinde des Schneckenhauſes feſthält, an welches ſich einige auch noch mittelſt Saugnäpfen anhaften können, ſitzt er ſo feſt, daß es faſt nie gelingt, einen lebendig und ganz herauszuziehn: er läßt ſich in Stücke reißen, indem entweder die Scheeren, die man am leichteſten faſſen kann, abbrechen, oder das Kopf- bruſtſtück vom Nachleibe losreißt. Wird ihm ſein Futteral zu eng, ſo muß er allerdings ſich herauswagen, um ſich ein neues anzupaſſen. Die an unſeren Küſten, und beſonders im Mittel- meere vorkommenden Arten gerathen aber nicht ſelten in eine höchſt fatale Situation, indem ſich
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Zehnfüßige Krebſe. Mittelkrebſe. Eremitenkrebſe.
„Hin und wieder nähern ſich zwei Krabben von gleicher Größe einander, ſtrecken ihre Klauen
aus, wie ein Preiskämpfer ſeine Fäuſte, und kämpfen dann eine Zeit lang; allein gewöhnlich zieht
eine ſich zurück, als wenn ſie von der erprobten Entfaltung ihrer Kräfte befriedigt wäre. Glaubt
ſich eine Krabbe von einem gegen ſie gerichteten Stock bedroht, ſo weckt dieß allen Kampfesmuth
dieſer Geſchöpfe. Sich auf die Hinterbeine ſetzend, ſtreckt ſie die Scheeren gegen den Feind und
klappt ſie mit ſolcher Kraft zuſammen, daß man das Zuſammenſchlagen genau hören kann. Hat
ſie den Stock gepackt, ſo kann man ſie mit demſelben vom Boden in die Höhe heben.“ Jch kann
die meiſten Züge dieſer Schilderung aus eigner Beobachtung beſtätigen und allen Beſuchern der
ſandigen Seeküſten dieſes Treiben zur Unterhaltung empfehlen. An den felſigen und ſteinigen
Küſten des Mittelmeeres kann man ſich dagegen mit dem eben ſo ſchlauen Grapsus varius er-
luſtigen, einer mittelgroßen bunten Viereckkrabbe, welche am Ufer Jagd macht und mit der Behendig-
keit einer Maus die Löcher und Felsritzen zu benutzen weiß.
Zwiſchen die Krabben und die langſchwänzigen Zehnfüßer ſchieben ſich als eine Uebergangs-
gruppe die mit einem ſchwer zu überſetzenden Namen Anomura genannten Krebſe ein. Pöppig
hat die nicht unpaſſende Bezeichnung Mittelkrebſe für ſie vorgeſchlagen. Jhre Mittelſtellung
bekundet ſich namentlich in dem Verhältniß des Nachleibes, der ſtärker iſt, als bei den Krabben,
aber nicht den Umfang wie bei den Langſchwänzen erreicht, oder, wenn dieß, nicht mit einer harten
Hautbedeckung verſehen iſt. Wir ſahen, daß ſchon die Dromia durch die nach oben gerückten
Hinterfüße ſich von den ächten Krabben entfernt. Jhnen ſchließen ſich einige andere Gattungen
der europäiſchen Meere an, z. B. Homola. Darunter iſt ein Rieſe ihres Gleichen, Homola
Cuvieri, ein ſeltenes Thier des Mittelmeeres. Jch kaufte vor Jahren auf dem Fiſchmarkt in Nizza
ein Exemplar, das mit ausgeſtreckten Beinen gegen drei Fuß maß. Außer dieſen und den auch
in unſeren Meeren vertretenen Arten der Steinkrabben (Lithodes) findet der Leſer in irgend
vollſtändigeren Sammlungen die zum Theil ſehr auffallend geſtaltete Froſchkrabbe und andere
als Afterkrebſe zuſammengefaßte Gattungen dieſer Abtheilung aus den tropiſchen Meeren.
Aber ſowohl nach ihrem Bau als ganz beſonders nach ihrer von ihrem Bau bedingten höchſt
eigenthümlichen Lebensweiſe, beanſprucht vor allen die Familie der Eremitenkrebſe (Pagurina)
unſere Aufmerkſamkeit. Jhr Kopfbruſtſtück iſt geſtreckt, auch ſind die Augenſtiele lang und frei
hervortretend, eine Eigenſchaft, die ihnen zum Hervorlugen aus ihrer Behauſung ſehr zu Statten
kommt. Auch die Scheerenfüße ſind lang, kräftig und gewöhnlich ungleich entwickelt, eine Aſymmetrie
die ſich bei vielen Krebſen findet, bei ihnen aber ſich weiter auf viele andre Körpertheile erſtreckt
und ebenfalls im Zuſammenhange mit ihrer Lebensweiſe ſteht. Die zwei letzten Beinpaare ſind
ſtummelförmig, kurze Klauen, mit denen ſie ſich in ihren Schneckenhäuſern anklammern, ebenſo wie
mit den Beinſtummeln des Nachleibes. Dieſer iſt länglich und ſackförmig, hat nur oberhalb ein-
zelne harte Platten und iſt ſonſt ſo weichhäutig, daß die Thiere das Bedürfniß nach einem anderen
Schutze haben. Dieſe an den Küſten aller Meere allbekannten Thiere ſichern ſich, indem ſie ihre
Wohnung in Schneckengehäuſen aufſchlagen. Sie tödten nicht etwa, wie man wohl geſagt hat,
die Schnecke, um dann von deren Haus Beſitz zu ergreifen, ſondern annectiren ſich nur die ſchon
verlaſſenen Gehäuſe. Der Krebs ſucht ſich ein Haus von der Größe, daß er nicht blos ſeinen
Nachleib bequem darin unterbringt, ſondern daß er Raum hat, bei Gefahr ſich vollſtändig hinter
den Rand der Oeffnung zurückzuziehn. Jndem er ſich mit jenen Stummeln an dem Gewinde
des Schneckenhauſes feſthält, an welches ſich einige auch noch mittelſt Saugnäpfen anhaften können,
ſitzt er ſo feſt, daß es faſt nie gelingt, einen lebendig und ganz herauszuziehn: er läßt ſich in Stücke
reißen, indem entweder die Scheeren, die man am leichteſten faſſen kann, abbrechen, oder das Kopf-
bruſtſtück vom Nachleibe losreißt. Wird ihm ſein Futteral zu eng, ſo muß er allerdings ſich
herauswagen, um ſich ein neues anzupaſſen. Die an unſeren Küſten, und beſonders im Mittel-
meere vorkommenden Arten gerathen aber nicht ſelten in eine höchſt fatale Situation, indem ſich
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/676>, abgerufen am 23.11.2024.
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