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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Spaltfüßler. Schmarotzerkrebse. Rankenfüßler.
zurückgebogen, und das ganze Vorderende von diesem Winkel an wird bei den Fischen, welche
der Schmarotzer sich erkiest, in das vom Herzen nach den Kiemen führende Blutgefäß eingesenkt,
während der übrige plumpe Körper zwischen den Kiemen ruht. Ein andres, edles Organ wählt
Lernaeonema monilaris zu seinem Sitz, sie bohrt ihren Kopf in das Auge der Häringe ein, einen
eklen Anhang bildend. Auch die Pennella-Arten wollen des Dichters Wort: "Ach wüßtest du,
wie's Fischlein ist so wohlig auf dem Grund" zu Schanden machen, da das tief eingesenkte, wie
mit wucherndem Geäst überwachsene Vordertheil gewiß keine angenehmen Empfindungen erregt.
Eine gefühlvolle Seele kann einigermaßen durch die schlanke, sogar etwas an die menschliche Gestalt
erinnernde Leibesform der Pennellen sich aussöhnen lassen.

Nur wenige dieser Schmarotzer leben auf anderen Thieren, als auf Fischen. Dazu gehört
der auf verschiedenen Vorstenwürmern der nördlichen Meere sich ansetzende Herpyllobius. Sein
Vordertheil ist zu einer unregelmäßigen Platte ausgewachsen, welche sich ganz in den Körper seines
Opfers einsenkt. Ein stielartiger Hals verbindet jenen Vordertheil mit dem kugelig angeschwollenen
Leibe, an welchem die obligaten Eiersäcke mit Aussicht auf reichliche Nachkommenschaft nicht fehlen.

Wir zweifeln nicht, daß viele Leser sich mit Widerwillen von dieser Nachtseite der Thierwelt
abwenden. Diese Menge von Fratzen und Karrikaturen, selbst ohne ein heiteres Dasein und
andern Geschöpfen zur beständigen Plage und Qual, können unmöglich, für sich betrachtet, einen
wohlthätigen, befriedigenden Eindruck machen. Sie durften aber doch in dem großen Bilde, das
wir von dem "Kampfe um das Dasein" und den dabei betheiligten Streitern zu entwerfen unter-
nommen, nicht fehlen. Sie füllen eben einen Platz aus, der da war, und den sie sich erobert
haben; nur aus dem Ganzen sind sie zu erklären, zu verstehen, zu würdigen; und noch oft im
Verlauf unserer Darstellung werden ähnliche Verhältnisse uns beschäftigen müssen.



Siebente Ordnung.
Rankenfüßler (Cirripedia).

Einer Umbildung der eigenthümlichsten Art sind die nach den rankenförmigen Endgliedern
ihrer Beine genannten Krebse unterworfen, welche wegen ihrer kalkigen Schalenabsonderungen in allen
älteren Sammlungen ihren Platz bei den Conchylien gefunden haben, auch noch von Cuvier nicht
nach ihrer wahren Natur erkannt und erst recht eigentlich entlarvt wurden, als ihre Entwickelungs-
zustände einen nicht zu verkennenden Fingerzeig gaben. Einen solchen Zustand, und zwar den
unmittelbar nach dem Verlassen des Eies, vergegenwärtigt unsere Abbildung. Wir erkennen
augenblicklich, daß das birnförmige, mit einem Stirnauge und drei Paar Gliedmaßen versehene,
lustig das Wasser durchrudernde Wesen die größte Aehnlichkeit mit den jungen Entomostraceen
hat. Wir sind auch, durch die Erfahrungen an so vielen Schmarotzerkrebsen gewitzigt, darauf
gefaßt, den stürmischen Jüngling zu einem grämlichen, alten Gesellen sich verwandeln zu sehen.
Nach einigen Häutungen macht er denn auch Anstalt, sich für das übrige Leben zu fixiren. Die
Schale ist mit der dem Ansetzen vorangehenden Häutung ähnlich derjenigen der Muschelkrebse
geworden. Mit den daraus hervorragenden Fühlhörnern geschieht das erste Anklammern, während
die engere und weitere Befestigung auf der Unterlage durch einen in besondern Drüsen bereiteten
Kitt bewirkt wird.

Jn dem sich nun mehr abhebenden Hautpanzer finden Ablagerungen von kalkigen Platten statt,
welche, bald ein den übrigen Krebsen ganz fremdartiges Gehäus bilden. Drin liegt, wie zusammen-

Spaltfüßler. Schmarotzerkrebſe. Rankenfüßler.
zurückgebogen, und das ganze Vorderende von dieſem Winkel an wird bei den Fiſchen, welche
der Schmarotzer ſich erkieſt, in das vom Herzen nach den Kiemen führende Blutgefäß eingeſenkt,
während der übrige plumpe Körper zwiſchen den Kiemen ruht. Ein andres, edles Organ wählt
Lernaeonema monilaris zu ſeinem Sitz, ſie bohrt ihren Kopf in das Auge der Häringe ein, einen
eklen Anhang bildend. Auch die Pennella-Arten wollen des Dichters Wort: „Ach wüßteſt du,
wie’s Fiſchlein iſt ſo wohlig auf dem Grund“ zu Schanden machen, da das tief eingeſenkte, wie
mit wucherndem Geäſt überwachſene Vordertheil gewiß keine angenehmen Empfindungen erregt.
Eine gefühlvolle Seele kann einigermaßen durch die ſchlanke, ſogar etwas an die menſchliche Geſtalt
erinnernde Leibesform der Pennellen ſich ausſöhnen laſſen.

Nur wenige dieſer Schmarotzer leben auf anderen Thieren, als auf Fiſchen. Dazu gehört
der auf verſchiedenen Vorſtenwürmern der nördlichen Meere ſich anſetzende Herpyllobius. Sein
Vordertheil iſt zu einer unregelmäßigen Platte ausgewachſen, welche ſich ganz in den Körper ſeines
Opfers einſenkt. Ein ſtielartiger Hals verbindet jenen Vordertheil mit dem kugelig angeſchwollenen
Leibe, an welchem die obligaten Eierſäcke mit Ausſicht auf reichliche Nachkommenſchaft nicht fehlen.

Wir zweifeln nicht, daß viele Leſer ſich mit Widerwillen von dieſer Nachtſeite der Thierwelt
abwenden. Dieſe Menge von Fratzen und Karrikaturen, ſelbſt ohne ein heiteres Daſein und
andern Geſchöpfen zur beſtändigen Plage und Qual, können unmöglich, für ſich betrachtet, einen
wohlthätigen, befriedigenden Eindruck machen. Sie durften aber doch in dem großen Bilde, das
wir von dem „Kampfe um das Daſein“ und den dabei betheiligten Streitern zu entwerfen unter-
nommen, nicht fehlen. Sie füllen eben einen Platz aus, der da war, und den ſie ſich erobert
haben; nur aus dem Ganzen ſind ſie zu erklären, zu verſtehen, zu würdigen; und noch oft im
Verlauf unſerer Darſtellung werden ähnliche Verhältniſſe uns beſchäftigen müſſen.



Siebente Ordnung.
Rankenfüßler (Cirripedia).

Einer Umbildung der eigenthümlichſten Art ſind die nach den rankenförmigen Endgliedern
ihrer Beine genannten Krebſe unterworfen, welche wegen ihrer kalkigen Schalenabſonderungen in allen
älteren Sammlungen ihren Platz bei den Conchylien gefunden haben, auch noch von Cuvier nicht
nach ihrer wahren Natur erkannt und erſt recht eigentlich entlarvt wurden, als ihre Entwickelungs-
zuſtände einen nicht zu verkennenden Fingerzeig gaben. Einen ſolchen Zuſtand, und zwar den
unmittelbar nach dem Verlaſſen des Eies, vergegenwärtigt unſere Abbildung. Wir erkennen
augenblicklich, daß das birnförmige, mit einem Stirnauge und drei Paar Gliedmaßen verſehene,
luſtig das Waſſer durchrudernde Weſen die größte Aehnlichkeit mit den jungen Entomoſtraceen
hat. Wir ſind auch, durch die Erfahrungen an ſo vielen Schmarotzerkrebſen gewitzigt, darauf
gefaßt, den ſtürmiſchen Jüngling zu einem grämlichen, alten Geſellen ſich verwandeln zu ſehen.
Nach einigen Häutungen macht er denn auch Anſtalt, ſich für das übrige Leben zu fixiren. Die
Schale iſt mit der dem Anſetzen vorangehenden Häutung ähnlich derjenigen der Muſchelkrebſe
geworden. Mit den daraus hervorragenden Fühlhörnern geſchieht das erſte Anklammern, während
die engere und weitere Befeſtigung auf der Unterlage durch einen in beſondern Drüſen bereiteten
Kitt bewirkt wird.

Jn dem ſich nun mehr abhebenden Hautpanzer finden Ablagerungen von kalkigen Platten ſtatt,
welche, bald ein den übrigen Krebſen ganz fremdartiges Gehäus bilden. Drin liegt, wie zuſammen-

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[668/0712] Spaltfüßler. Schmarotzerkrebſe. Rankenfüßler. zurückgebogen, und das ganze Vorderende von dieſem Winkel an wird bei den Fiſchen, welche der Schmarotzer ſich erkieſt, in das vom Herzen nach den Kiemen führende Blutgefäß eingeſenkt, während der übrige plumpe Körper zwiſchen den Kiemen ruht. Ein andres, edles Organ wählt Lernaeonema monilaris zu ſeinem Sitz, ſie bohrt ihren Kopf in das Auge der Häringe ein, einen eklen Anhang bildend. Auch die Pennella-Arten wollen des Dichters Wort: „Ach wüßteſt du, wie’s Fiſchlein iſt ſo wohlig auf dem Grund“ zu Schanden machen, da das tief eingeſenkte, wie mit wucherndem Geäſt überwachſene Vordertheil gewiß keine angenehmen Empfindungen erregt. Eine gefühlvolle Seele kann einigermaßen durch die ſchlanke, ſogar etwas an die menſchliche Geſtalt erinnernde Leibesform der Pennellen ſich ausſöhnen laſſen. Nur wenige dieſer Schmarotzer leben auf anderen Thieren, als auf Fiſchen. Dazu gehört der auf verſchiedenen Vorſtenwürmern der nördlichen Meere ſich anſetzende Herpyllobius. Sein Vordertheil iſt zu einer unregelmäßigen Platte ausgewachſen, welche ſich ganz in den Körper ſeines Opfers einſenkt. Ein ſtielartiger Hals verbindet jenen Vordertheil mit dem kugelig angeſchwollenen Leibe, an welchem die obligaten Eierſäcke mit Ausſicht auf reichliche Nachkommenſchaft nicht fehlen. Wir zweifeln nicht, daß viele Leſer ſich mit Widerwillen von dieſer Nachtſeite der Thierwelt abwenden. Dieſe Menge von Fratzen und Karrikaturen, ſelbſt ohne ein heiteres Daſein und andern Geſchöpfen zur beſtändigen Plage und Qual, können unmöglich, für ſich betrachtet, einen wohlthätigen, befriedigenden Eindruck machen. Sie durften aber doch in dem großen Bilde, das wir von dem „Kampfe um das Daſein“ und den dabei betheiligten Streitern zu entwerfen unter- nommen, nicht fehlen. Sie füllen eben einen Platz aus, der da war, und den ſie ſich erobert haben; nur aus dem Ganzen ſind ſie zu erklären, zu verſtehen, zu würdigen; und noch oft im Verlauf unſerer Darſtellung werden ähnliche Verhältniſſe uns beſchäftigen müſſen. Siebente Ordnung. Rankenfüßler (Cirripedia). Einer Umbildung der eigenthümlichſten Art ſind die nach den rankenförmigen Endgliedern ihrer Beine genannten Krebſe unterworfen, welche wegen ihrer kalkigen Schalenabſonderungen in allen älteren Sammlungen ihren Platz bei den Conchylien gefunden haben, auch noch von Cuvier nicht nach ihrer wahren Natur erkannt und erſt recht eigentlich entlarvt wurden, als ihre Entwickelungs- zuſtände einen nicht zu verkennenden Fingerzeig gaben. Einen ſolchen Zuſtand, und zwar den unmittelbar nach dem Verlaſſen des Eies, vergegenwärtigt unſere Abbildung. Wir erkennen augenblicklich, daß das birnförmige, mit einem Stirnauge und drei Paar Gliedmaßen verſehene, luſtig das Waſſer durchrudernde Weſen die größte Aehnlichkeit mit den jungen Entomoſtraceen hat. Wir ſind auch, durch die Erfahrungen an ſo vielen Schmarotzerkrebſen gewitzigt, darauf gefaßt, den ſtürmiſchen Jüngling zu einem grämlichen, alten Geſellen ſich verwandeln zu ſehen. Nach einigen Häutungen macht er denn auch Anſtalt, ſich für das übrige Leben zu fixiren. Die Schale iſt mit der dem Anſetzen vorangehenden Häutung ähnlich derjenigen der Muſchelkrebſe geworden. Mit den daraus hervorragenden Fühlhörnern geſchieht das erſte Anklammern, während die engere und weitere Befeſtigung auf der Unterlage durch einen in beſondern Drüſen bereiteten Kitt bewirkt wird. Jn dem ſich nun mehr abhebenden Hautpanzer finden Ablagerungen von kalkigen Platten ſtatt, welche, bald ein den übrigen Krebſen ganz fremdartiges Gehäus bilden. Drin liegt, wie zuſammen-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 668. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/712>, abgerufen am 23.11.2024.