Wir sehen also, daß in nächster Nähe des Regenwurmes stehende Gattungen, wie Phreoryctes und, fügen wir hinzu, der im Tegeler See bei Berlin lebende Criodrilus lacuum wirkliche Wasser- bewohner sein können, und diesen reihen sich noch ein Paar durch ihre Kleinheit und das gelegentliche Vorkommen von Haarborsten ausgezeichnete Familien an. Die erste sind die Röhrenwürmchen (Tubificina). Eine höchst gemeine Art derselben ist Tubifex rivulorum, ein einen viertel bis einen halben Zoll langes, röthliches, durchscheinendes Würmchen, das man zu Tausenden und aber Tausenden auf dem schlammigen, fauligen Grunde von Gräben und Bächen findet. Sie stecken mit dem Vordertheil im Schlamm, wo sie sich eine ganz lose Röhre gewühlt haben. Das heraus- stehende Hinterende ist unausgesetzt in schwingender und schlängelnder Bewegung, wohl der Athmung wegen. Gewöhnlich sind sie so dicht bei einander, daß die Oberfläche des Schlammes roth gefärbt
erscheint, und bei leiser Annäherung lassen sie sich im Wedeln nicht stören. Sobald man aber einen Schlag aufs Wasser thut, verschwindet die ganze Gesellschaft im Nu einige Zoll tief in ihre übel riechenden Verstecke.
Ganz anders verhalten sich die völlig durchsichtigen, sauberen Wasserschlängler oder Naiden (Naidina). Man kann aufs Gerathewohl aus einem mit Wasserlinsen (Lemna) bestandenen Weiher oder Graben eine kleine Partie dieser Pflanzen schöpfen und wird daheim, wenn man sie in einem etwas weiten Glasgefäß sich wieder entfalten und ebnen läßt, gewiß einige, oft zahlreiche dieser zierlichsten aller Würmer finden, wie sie mit Hülfe ihrer Haken- und Haarborsten zwischen den Wurzeln der Wasserlinsen oder im Gewirr der Wasserfäden sich schlangenartig herum- winden.
Weit verbreitet und schon im vorigen Jahrhundert beschrieben ist die ge- züngelte Naide (Nais proboscidea), so genannt von einer schmalen, fühler- ähnlichen Verlängerung des Kopflappens, mit dem sie tastend und züngelnd ihren Weg sondirt. Zwei Augen, gleich ihr, trägt die noch häufigere zungenlose
[Abbildung]
Kopsende a der gezüngelten, b der zungenlosen Naide, c von Chaetogastor. Vergrößert.
Naide, mit einfach abgerundetem Kopfsegment. Diese und noch einige andere Arten haben am Bauche zwei Reihen Hakenborsten, an jeder Seite aber eine Reihe zu je ein bis vier stehender,
Lumbricus-Arten. Phreoryctes. Tubifer. Rais.
Wir ſehen alſo, daß in nächſter Nähe des Regenwurmes ſtehende Gattungen, wie Phreoryctes und, fügen wir hinzu, der im Tegeler See bei Berlin lebende Criodrilus lacuum wirkliche Waſſer- bewohner ſein können, und dieſen reihen ſich noch ein Paar durch ihre Kleinheit und das gelegentliche Vorkommen von Haarborſten ausgezeichnete Familien an. Die erſte ſind die Röhrenwürmchen (Tubificina). Eine höchſt gemeine Art derſelben iſt Tubifex rivulorum, ein einen viertel bis einen halben Zoll langes, röthliches, durchſcheinendes Würmchen, das man zu Tauſenden und aber Tauſenden auf dem ſchlammigen, fauligen Grunde von Gräben und Bächen findet. Sie ſtecken mit dem Vordertheil im Schlamm, wo ſie ſich eine ganz loſe Röhre gewühlt haben. Das heraus- ſtehende Hinterende iſt unausgeſetzt in ſchwingender und ſchlängelnder Bewegung, wohl der Athmung wegen. Gewöhnlich ſind ſie ſo dicht bei einander, daß die Oberfläche des Schlammes roth gefärbt
erſcheint, und bei leiſer Annäherung laſſen ſie ſich im Wedeln nicht ſtören. Sobald man aber einen Schlag aufs Waſſer thut, verſchwindet die ganze Geſellſchaft im Nu einige Zoll tief in ihre übel riechenden Verſtecke.
Ganz anders verhalten ſich die völlig durchſichtigen, ſauberen Waſſerſchlängler oder Naiden (Naidina). Man kann aufs Gerathewohl aus einem mit Waſſerlinſen (Lemna) beſtandenen Weiher oder Graben eine kleine Partie dieſer Pflanzen ſchöpfen und wird daheim, wenn man ſie in einem etwas weiten Glasgefäß ſich wieder entfalten und ebnen läßt, gewiß einige, oft zahlreiche dieſer zierlichſten aller Würmer finden, wie ſie mit Hülfe ihrer Haken- und Haarborſten zwiſchen den Wurzeln der Waſſerlinſen oder im Gewirr der Waſſerfäden ſich ſchlangenartig herum- winden.
Weit verbreitet und ſchon im vorigen Jahrhundert beſchrieben iſt die ge- züngelte Naide (Nais proboscidea), ſo genannt von einer ſchmalen, fühler- ähnlichen Verlängerung des Kopflappens, mit dem ſie taſtend und züngelnd ihren Weg ſondirt. Zwei Augen, gleich ihr, trägt die noch häufigere zungenloſe
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Kopſende a der gezüngelten, b der zungenloſen Naide, c von Chaetogastor. Vergrößert.
Naide, mit einfach abgerundetem Kopfſegment. Dieſe und noch einige andere Arten haben am Bauche zwei Reihen Hakenborſten, an jeder Seite aber eine Reihe zu je ein bis vier ſtehender,
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Lumbricus-Arten. Phreoryctes. Tubifer. Rais.
Wir ſehen alſo, daß in nächſter Nähe des Regenwurmes ſtehende Gattungen, wie Phreoryctes
und, fügen wir hinzu, der im Tegeler See bei Berlin lebende Criodrilus lacuum wirkliche Waſſer-
bewohner ſein können, und dieſen reihen ſich noch ein Paar durch ihre Kleinheit und das gelegentliche
Vorkommen von Haarborſten ausgezeichnete Familien an. Die erſte ſind die Röhrenwürmchen
(Tubificina). Eine höchſt gemeine Art derſelben iſt Tubifex rivulorum, ein einen viertel bis einen
halben Zoll langes, röthliches, durchſcheinendes Würmchen, das man zu Tauſenden und aber
Tauſenden auf dem ſchlammigen, fauligen Grunde von Gräben und Bächen findet. Sie ſtecken
mit dem Vordertheil im Schlamm, wo ſie ſich eine ganz loſe Röhre gewühlt haben. Das heraus-
ſtehende Hinterende iſt unausgeſetzt in ſchwingender und ſchlängelnder Bewegung, wohl der Athmung
wegen. Gewöhnlich ſind ſie ſo dicht bei einander, daß die Oberfläche des Schlammes roth gefärbt
[Abbildung Gezüngelte Ralde (Nais proboscidea). Vergrößert.]
erſcheint, und bei leiſer Annäherung laſſen ſie ſich im Wedeln nicht ſtören. Sobald man aber
einen Schlag aufs Waſſer thut, verſchwindet die ganze Geſellſchaft im Nu einige Zoll tief in ihre
übel riechenden Verſtecke.
Ganz anders verhalten ſich die völlig durchſichtigen, ſauberen Waſſerſchlängler oder
Naiden (Naidina). Man kann aufs Gerathewohl aus einem mit Waſſerlinſen (Lemna)
beſtandenen Weiher oder Graben eine
kleine Partie dieſer Pflanzen ſchöpfen
und wird daheim, wenn man ſie in
einem etwas weiten Glasgefäß ſich wieder
entfalten und ebnen läßt, gewiß einige,
oft zahlreiche dieſer zierlichſten aller
Würmer finden, wie ſie mit Hülfe ihrer
Haken- und Haarborſten zwiſchen den
Wurzeln der Waſſerlinſen oder im Gewirr
der Waſſerfäden ſich ſchlangenartig herum-
winden.
Weit verbreitet und ſchon im vorigen
Jahrhundert beſchrieben iſt die ge-
züngelte Naide (Nais proboscidea),
ſo genannt von einer ſchmalen, fühler-
ähnlichen Verlängerung des Kopflappens,
mit dem ſie taſtend und züngelnd ihren
Weg ſondirt. Zwei Augen, gleich ihr,
trägt die noch häufigere zungenloſe
[Abbildung Kopſende a der gezüngelten, b der zungenloſen Naide,
c von Chaetogastor. Vergrößert.]
Naide, mit einfach abgerundetem Kopfſegment. Dieſe und noch einige andere Arten haben am
Bauche zwei Reihen Hakenborſten, an jeder Seite aber eine Reihe zu je ein bis vier ſtehender,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 697. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/741>, abgerufen am 23.11.2024.
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