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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Egel. Blutegel.
Temperatur des frischen Wassers zu sorgen. Jm Winter soll diese Temperatur nur wenige Grade
über Null, im Sommer gleich der des fließenden Wassers sein.

Von der Einrichtung eines Behältnisses für eine größere Menge wollen wir uns wenigstens
eine Methode erzählen lassen. Man nimmt ein Faß aus weichem Holze, welches vermittelst eines
senkrechten, mit verschiedenen Löchern durchbohrten Bretes in zwei gleiche Abtheilungen getheilt
wird. Die eine Abtheilung füllt man nun ungefähr einen halben Fuß hoch mit einem Gemisch
aus Lehm und Torferde oder mit Rasen, und begießt sie mit so viel Wasser, daß diese nicht nur
vollkommen damit durchdrungen sind, sondern dasselbe auch in der leergelassenen zweiten Abtheilung
einige Zoll hoch steht. An dieser Seite des Fasses wird möglichst unten ein mit einem Kork ver-
schlossenes Loch angebracht, aus welchem man von Zeit zu Zeit das Wasser zieht, um es durch
neues zu ersetzen. Hierauf thut man die Egel, deren ein Faß von mäßiger Größe bis zu Tausend
fassen kann, in dasselbe, und verschließt es dann mit einem Stück Leinwand.

Die beste Zeit, um den Egel zum Zweck einer längeren Aufbewahrung zu fangen, ist der
Herbst, wo die Egel am kräftigsten und gesundesten sind. Ferner kann man auch im Frühling
gefangene, wenn auch mit verringerter Sicherheit, dazu benutzen. Ganz zu verwerfen sind indeß
solche, die während des warmen Sommers gefangen sind, da sich dieselben weder für den Trans-
port, noch für eine längere Aufbewahrung eignen. Was nun den Fang der Egel an sich selbst
betrifft, so geschieht derselbe, indem die Fänger mit bloßen Beinen in das von den Egeln bewohnte
Wasser gehen und durch Umrühren des Untergrundes und auf andere Weise sie so viel als möglich
beunruhigen. Hierdurch kommen die Egel zum Theil an die Oberfläche des Wassers, und können
dann leicht mit der Hand oder mit einem sehr feinmaschigen Netz gefangen werden; oder sie setzen
sich zum andern Theil an die nackten Füße der Fänger, von denen sie dann mit der nöthigen
Vorsicht für die Saugorgane abgenommen werden. Diejenigen, welche sich schon wirklich angesogen
haben, was aber nicht häufig geschieht, sind zu verwerfen. Sind nun eine größere Anzahl Egel
auf diese Weise gefangen, so handelt es sich um den Transport derselben nach jenen Gegenden, in
denen sie theils nicht vorkommen, theils schon ausgerottet sind, und muß auch bei diesem die
größte Vorsicht beobachtet werden.

Nach Deutschland gelangt der größte Theil der Egel aus Polen, von den Grenzen Rußlands,
aus Ungarn und der Türkei. Die als die beste anerkannte Art ihres Transportes besteht darin,
daß man nicht allzuviele Egel in angefeuchtete leinene Säckchen thut, und diese auf Hangematten
legt, die auf einem in guten Federn ruhenden und nach allen Seiten verschließbaren Wagen
befestigt sind. Die Säcke müssen natürlich stets feucht erhalten werden. Von den größeren
Handlungen in Deutschland nach nicht zu entfernt liegenden Verbrauchsorten transportirt man
sie, indem sie zu einem bis zwei Schock in ein leinenes Säckchen gethan werden, welches, feucht
gemacht, und von feuchtem Moose umgeben, in einem mit feinen Löchern durchbohrten Kistchen liegt.

Die in Europa gebräuchlichen Blutegel werden zwar in zwei Hauptarten, jede mit einigen
Unterarten und Varietäten unterschieden, den medicinischen oder deutschen Blutegel (Hirudo
medicinalis
) und den officinellen oder ungarischen (Hirudo officinalis), aber abgesehen davon,
daß anatomische Kennzeichen für die Verschiedenheit dieser Arten nicht gefunden werden können,
gehen auch die Varietäten ihrer Färbung so in einander über, daß die vermeintlichen Species
und Unterspecies nur eine einzige gute Art bilden. Die Hirudo medicinalis genannte Varietät
hat einen schwarz gefleckten, zuweilen fast ganz schwarzen Bauch und ihr Vaterland erstreckt sich
über den größten Theil von Europa, indem sie in Frankreich, Deutschland, Dänemark, Schweden,
Rußland und England gefunden wurde. Die andere Hauptvarietät, Hirudo officinalis, hat einen
olivengrünen, ungefleckten Bauch und gehört dem südlichen und südöstlichen Europa an. Jn
ungeheuren Mengen lebt dieser Egel in den ausgedehnten Sümpfen bei Esseg in Slavonien.

Außer Europa leben eine Reihe von Arten von Hirudo, welche gleichfalls zum medicinischen
Gebrauch sich eignen. So findet sich in Algier und der ganzen Berberei die Hirudo troctina.

Egel. Blutegel.
Temperatur des friſchen Waſſers zu ſorgen. Jm Winter ſoll dieſe Temperatur nur wenige Grade
über Null, im Sommer gleich der des fließenden Waſſers ſein.

Von der Einrichtung eines Behältniſſes für eine größere Menge wollen wir uns wenigſtens
eine Methode erzählen laſſen. Man nimmt ein Faß aus weichem Holze, welches vermittelſt eines
ſenkrechten, mit verſchiedenen Löchern durchbohrten Bretes in zwei gleiche Abtheilungen getheilt
wird. Die eine Abtheilung füllt man nun ungefähr einen halben Fuß hoch mit einem Gemiſch
aus Lehm und Torferde oder mit Raſen, und begießt ſie mit ſo viel Waſſer, daß dieſe nicht nur
vollkommen damit durchdrungen ſind, ſondern daſſelbe auch in der leergelaſſenen zweiten Abtheilung
einige Zoll hoch ſteht. An dieſer Seite des Faſſes wird möglichſt unten ein mit einem Kork ver-
ſchloſſenes Loch angebracht, aus welchem man von Zeit zu Zeit das Waſſer zieht, um es durch
neues zu erſetzen. Hierauf thut man die Egel, deren ein Faß von mäßiger Größe bis zu Tauſend
faſſen kann, in daſſelbe, und verſchließt es dann mit einem Stück Leinwand.

Die beſte Zeit, um den Egel zum Zweck einer längeren Aufbewahrung zu fangen, iſt der
Herbſt, wo die Egel am kräftigſten und geſundeſten ſind. Ferner kann man auch im Frühling
gefangene, wenn auch mit verringerter Sicherheit, dazu benutzen. Ganz zu verwerfen ſind indeß
ſolche, die während des warmen Sommers gefangen ſind, da ſich dieſelben weder für den Trans-
port, noch für eine längere Aufbewahrung eignen. Was nun den Fang der Egel an ſich ſelbſt
betrifft, ſo geſchieht derſelbe, indem die Fänger mit bloßen Beinen in das von den Egeln bewohnte
Waſſer gehen und durch Umrühren des Untergrundes und auf andere Weiſe ſie ſo viel als möglich
beunruhigen. Hierdurch kommen die Egel zum Theil an die Oberfläche des Waſſers, und können
dann leicht mit der Hand oder mit einem ſehr feinmaſchigen Netz gefangen werden; oder ſie ſetzen
ſich zum andern Theil an die nackten Füße der Fänger, von denen ſie dann mit der nöthigen
Vorſicht für die Saugorgane abgenommen werden. Diejenigen, welche ſich ſchon wirklich angeſogen
haben, was aber nicht häufig geſchieht, ſind zu verwerfen. Sind nun eine größere Anzahl Egel
auf dieſe Weiſe gefangen, ſo handelt es ſich um den Transport derſelben nach jenen Gegenden, in
denen ſie theils nicht vorkommen, theils ſchon ausgerottet ſind, und muß auch bei dieſem die
größte Vorſicht beobachtet werden.

Nach Deutſchland gelangt der größte Theil der Egel aus Polen, von den Grenzen Rußlands,
aus Ungarn und der Türkei. Die als die beſte anerkannte Art ihres Transportes beſteht darin,
daß man nicht allzuviele Egel in angefeuchtete leinene Säckchen thut, und dieſe auf Hangematten
legt, die auf einem in guten Federn ruhenden und nach allen Seiten verſchließbaren Wagen
befeſtigt ſind. Die Säcke müſſen natürlich ſtets feucht erhalten werden. Von den größeren
Handlungen in Deutſchland nach nicht zu entfernt liegenden Verbrauchsorten transportirt man
ſie, indem ſie zu einem bis zwei Schock in ein leinenes Säckchen gethan werden, welches, feucht
gemacht, und von feuchtem Mooſe umgeben, in einem mit feinen Löchern durchbohrten Kiſtchen liegt.

Die in Europa gebräuchlichen Blutegel werden zwar in zwei Hauptarten, jede mit einigen
Unterarten und Varietäten unterſchieden, den mediciniſchen oder deutſchen Blutegel (Hirudo
medicinalis
) und den officinellen oder ungariſchen (Hirudo officinalis), aber abgeſehen davon,
daß anatomiſche Kennzeichen für die Verſchiedenheit dieſer Arten nicht gefunden werden können,
gehen auch die Varietäten ihrer Färbung ſo in einander über, daß die vermeintlichen Species
und Unterſpecies nur eine einzige gute Art bilden. Die Hirudo medicinalis genannte Varietät
hat einen ſchwarz gefleckten, zuweilen faſt ganz ſchwarzen Bauch und ihr Vaterland erſtreckt ſich
über den größten Theil von Europa, indem ſie in Frankreich, Deutſchland, Dänemark, Schweden,
Rußland und England gefunden wurde. Die andere Hauptvarietät, Hirudo officinalis, hat einen
olivengrünen, ungefleckten Bauch und gehört dem ſüdlichen und ſüdöſtlichen Europa an. Jn
ungeheuren Mengen lebt dieſer Egel in den ausgedehnten Sümpfen bei Eſſeg in Slavonien.

Außer Europa leben eine Reihe von Arten von Hirudo, welche gleichfalls zum mediciniſchen
Gebrauch ſich eignen. So findet ſich in Algier und der ganzen Berberei die Hirudo troctina.

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[702/0746] Egel. Blutegel. Temperatur des friſchen Waſſers zu ſorgen. Jm Winter ſoll dieſe Temperatur nur wenige Grade über Null, im Sommer gleich der des fließenden Waſſers ſein. Von der Einrichtung eines Behältniſſes für eine größere Menge wollen wir uns wenigſtens eine Methode erzählen laſſen. Man nimmt ein Faß aus weichem Holze, welches vermittelſt eines ſenkrechten, mit verſchiedenen Löchern durchbohrten Bretes in zwei gleiche Abtheilungen getheilt wird. Die eine Abtheilung füllt man nun ungefähr einen halben Fuß hoch mit einem Gemiſch aus Lehm und Torferde oder mit Raſen, und begießt ſie mit ſo viel Waſſer, daß dieſe nicht nur vollkommen damit durchdrungen ſind, ſondern daſſelbe auch in der leergelaſſenen zweiten Abtheilung einige Zoll hoch ſteht. An dieſer Seite des Faſſes wird möglichſt unten ein mit einem Kork ver- ſchloſſenes Loch angebracht, aus welchem man von Zeit zu Zeit das Waſſer zieht, um es durch neues zu erſetzen. Hierauf thut man die Egel, deren ein Faß von mäßiger Größe bis zu Tauſend faſſen kann, in daſſelbe, und verſchließt es dann mit einem Stück Leinwand. Die beſte Zeit, um den Egel zum Zweck einer längeren Aufbewahrung zu fangen, iſt der Herbſt, wo die Egel am kräftigſten und geſundeſten ſind. Ferner kann man auch im Frühling gefangene, wenn auch mit verringerter Sicherheit, dazu benutzen. Ganz zu verwerfen ſind indeß ſolche, die während des warmen Sommers gefangen ſind, da ſich dieſelben weder für den Trans- port, noch für eine längere Aufbewahrung eignen. Was nun den Fang der Egel an ſich ſelbſt betrifft, ſo geſchieht derſelbe, indem die Fänger mit bloßen Beinen in das von den Egeln bewohnte Waſſer gehen und durch Umrühren des Untergrundes und auf andere Weiſe ſie ſo viel als möglich beunruhigen. Hierdurch kommen die Egel zum Theil an die Oberfläche des Waſſers, und können dann leicht mit der Hand oder mit einem ſehr feinmaſchigen Netz gefangen werden; oder ſie ſetzen ſich zum andern Theil an die nackten Füße der Fänger, von denen ſie dann mit der nöthigen Vorſicht für die Saugorgane abgenommen werden. Diejenigen, welche ſich ſchon wirklich angeſogen haben, was aber nicht häufig geſchieht, ſind zu verwerfen. Sind nun eine größere Anzahl Egel auf dieſe Weiſe gefangen, ſo handelt es ſich um den Transport derſelben nach jenen Gegenden, in denen ſie theils nicht vorkommen, theils ſchon ausgerottet ſind, und muß auch bei dieſem die größte Vorſicht beobachtet werden. Nach Deutſchland gelangt der größte Theil der Egel aus Polen, von den Grenzen Rußlands, aus Ungarn und der Türkei. Die als die beſte anerkannte Art ihres Transportes beſteht darin, daß man nicht allzuviele Egel in angefeuchtete leinene Säckchen thut, und dieſe auf Hangematten legt, die auf einem in guten Federn ruhenden und nach allen Seiten verſchließbaren Wagen befeſtigt ſind. Die Säcke müſſen natürlich ſtets feucht erhalten werden. Von den größeren Handlungen in Deutſchland nach nicht zu entfernt liegenden Verbrauchsorten transportirt man ſie, indem ſie zu einem bis zwei Schock in ein leinenes Säckchen gethan werden, welches, feucht gemacht, und von feuchtem Mooſe umgeben, in einem mit feinen Löchern durchbohrten Kiſtchen liegt. Die in Europa gebräuchlichen Blutegel werden zwar in zwei Hauptarten, jede mit einigen Unterarten und Varietäten unterſchieden, den mediciniſchen oder deutſchen Blutegel (Hirudo medicinalis) und den officinellen oder ungariſchen (Hirudo officinalis), aber abgeſehen davon, daß anatomiſche Kennzeichen für die Verſchiedenheit dieſer Arten nicht gefunden werden können, gehen auch die Varietäten ihrer Färbung ſo in einander über, daß die vermeintlichen Species und Unterſpecies nur eine einzige gute Art bilden. Die Hirudo medicinalis genannte Varietät hat einen ſchwarz gefleckten, zuweilen faſt ganz ſchwarzen Bauch und ihr Vaterland erſtreckt ſich über den größten Theil von Europa, indem ſie in Frankreich, Deutſchland, Dänemark, Schweden, Rußland und England gefunden wurde. Die andere Hauptvarietät, Hirudo officinalis, hat einen olivengrünen, ungefleckten Bauch und gehört dem ſüdlichen und ſüdöſtlichen Europa an. Jn ungeheuren Mengen lebt dieſer Egel in den ausgedehnten Sümpfen bei Eſſeg in Slavonien. Außer Europa leben eine Reihe von Arten von Hirudo, welche gleichfalls zum mediciniſchen Gebrauch ſich eignen. So findet ſich in Algier und der ganzen Berberei die Hirudo troctina.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 702. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/746>, abgerufen am 23.11.2024.