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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Dochmius. Palisadenwurm. Ollulanus. Kappenwurm. Trichine.
Wege nach außen. Hier harren sie, wahrscheinlich eingetrocknet, ihrer Erlösung durch die Maus,
aus deren Magen sie trichinenartig in die Muskeln und andere Organe einwandern, um dort zu
einer abermaligen, kürzeren oder längeren Rast sich einzukapseln. Jst die Maus so glücklich, nicht
von einer Katze verspeist zu werden, so erreichen die eingekapselten Ollulanen nicht ihr Lebensziel.
Wandert aber die Maus in den Magen einer Katze, so ist der Bann von den Ollulanen genommen,
die Berührung mit dem Magensafte der Katze erweckt sie zu einem neuen Anlauf des Lebens,
welches in sehr unpoetischer Weise im Darm der Katze sich schließt und den Grund zu einem
neuen Kreislauf legt. Die Maus ist der Zwischenwirth für den Ollulanus.

Ganz ähnlich, aber etwas appetitlicher ist der ebenfalls von Leuckart ergründete Lebenslauf
des in Fischen schmarotzenden Kappenwurmes (Cucullanus elegans), dessen Mundhöhle eine
elliptische Kapsel mit dicken braunen Wandungen enthält. "Die weiblichen Kappenwürmer gebären
lebendige Junge, die schon im Mutterleibe aus den zarten Eihüllen auskriechen und bei den
größeren Exemplaren (von 8 bis 10 Linien) zu vielen Tausenden angetroffen werden. Durch eine
derbe Haut geschützt, bleiben die nach außen gelangten Würmer nicht selten mehrere Wochen lang
im Wasser lebend und beweglich, Zeit genug, um auch im Freien
einen passenden Zwischenwirth zu finden und zu inficiren. Jn der
Regel sind es die unsere Wässer massenhaft bewohnenden kleinen
Cyclopen" (siehe S. 665), "in welche die Würmer einwandern.
Jn kleineren Aquarien geschieht die Einwanderung gewöhnlich schon
nach wenigen Stunden und oftmals in solcher Menge, daß man die
Eindringlinge nach Dutzenden zählen kann. Jst die Zahl der Parasiten
eine größere, so gehen die Wirthe gewöhnlich nach Abschluß der Em-
bryonalentwicklung zu Grunde, ohne dadurch jedoch sogleich den Tod
ihrer Parasiten herbeizuführen. Mitunter werden diese noch mehrere
Tage später lebend angetroffen." Die winzigen Thierchen erreichen in
ihrem ersten Wirthe unter mancherlei äußeren und inneren Ver-

[Abbildung] Kopf vom Kappenwurm
(Cucullanus clogaus). Vergr.
änderungen noch nicht die Länge einer Linie. Jhre vollständige Entwicklung tritt aber ein, nachdem
sie mit den Cyclopen von einem Fisch verschluckt worden sind, welche Vermittlung am häufigsten
der Flußbarsch übernimmt.



Kein Eingeweidewurm hat seit dem Jahre 1860 so viel von sich reden gemacht, als der
gefährlichste aller, die Trichine (Trichina spiralis), welche mit einigen anderen Gattungen,
darunter dem ebenfalls unter den Schmarotzern des Menschen vertretenen Peitschenwurm die
Familie der Trichotracheliden bildet. Der Lebensgang der Trichine weicht zwar in einem wichtigen
Punkte -- daß sie nämlich als junges Thier nicht erst ins Freie gelangt, um sich weiter zu ent-
wickeln, sondern gleich aus dem Darme des Menschen oder der Thiere, welche sie bewohnt, in die
Muskeln überwandert -- in diesem Punkte, sage ich, weicht die Trichine von den bisher behandelten
Nematoden ab; im Wesentlichen aber reihen sich ihre Lebensverhältnisse in das allgemeine Bild
ein, welches man sich aus den vorausgegangenen Darstellungen hat entwerfen können. Die Gefahr,
vor der sich plötzlich alle Welt durch die Trichine bedroht sah, trug vorzüglich dazu bei, jene
Scheu zu überwinden, welche man vor der näheren Betrachtung und Kenntnißnahme der Ein-
geweidewürmer hegte. Man kann dreist behaupten, daß eine Zeit lang, nächst dem Wetter, die
Trichinen zu den am häufigsten gepflogenen Tisch- und Ballgesprächen herhalten mußten. Eine
Reihe Trichinenepidemien entrollten wahre Schreckbilder menschlichen Leidens, und das bisher fast
unbeachtet gebliebene Thier wurde nun durch die eifrigsten Nachforschungen über seine Natur und
Entwicklung und die Art, wie man sich praktisch vor ihm schützen könnte, zum genau bekanntesten

Dochmius. Paliſadenwurm. Ollulanus. Kappenwurm. Trichine.
Wege nach außen. Hier harren ſie, wahrſcheinlich eingetrocknet, ihrer Erlöſung durch die Maus,
aus deren Magen ſie trichinenartig in die Muskeln und andere Organe einwandern, um dort zu
einer abermaligen, kürzeren oder längeren Raſt ſich einzukapſeln. Jſt die Maus ſo glücklich, nicht
von einer Katze verſpeiſt zu werden, ſo erreichen die eingekapſelten Ollulanen nicht ihr Lebensziel.
Wandert aber die Maus in den Magen einer Katze, ſo iſt der Bann von den Ollulanen genommen,
die Berührung mit dem Magenſafte der Katze erweckt ſie zu einem neuen Anlauf des Lebens,
welches in ſehr unpoetiſcher Weiſe im Darm der Katze ſich ſchließt und den Grund zu einem
neuen Kreislauf legt. Die Maus iſt der Zwiſchenwirth für den Ollulanus.

Ganz ähnlich, aber etwas appetitlicher iſt der ebenfalls von Leuckart ergründete Lebenslauf
des in Fiſchen ſchmarotzenden Kappenwurmes (Cucullanus elegans), deſſen Mundhöhle eine
elliptiſche Kapſel mit dicken braunen Wandungen enthält. „Die weiblichen Kappenwürmer gebären
lebendige Junge, die ſchon im Mutterleibe aus den zarten Eihüllen auskriechen und bei den
größeren Exemplaren (von 8 bis 10 Linien) zu vielen Tauſenden angetroffen werden. Durch eine
derbe Haut geſchützt, bleiben die nach außen gelangten Würmer nicht ſelten mehrere Wochen lang
im Waſſer lebend und beweglich, Zeit genug, um auch im Freien
einen paſſenden Zwiſchenwirth zu finden und zu inficiren. Jn der
Regel ſind es die unſere Wäſſer maſſenhaft bewohnenden kleinen
Cyclopen“ (ſiehe S. 665), „in welche die Würmer einwandern.
Jn kleineren Aquarien geſchieht die Einwanderung gewöhnlich ſchon
nach wenigen Stunden und oftmals in ſolcher Menge, daß man die
Eindringlinge nach Dutzenden zählen kann. Jſt die Zahl der Paraſiten
eine größere, ſo gehen die Wirthe gewöhnlich nach Abſchluß der Em-
bryonalentwicklung zu Grunde, ohne dadurch jedoch ſogleich den Tod
ihrer Paraſiten herbeizuführen. Mitunter werden dieſe noch mehrere
Tage ſpäter lebend angetroffen.“ Die winzigen Thierchen erreichen in
ihrem erſten Wirthe unter mancherlei äußeren und inneren Ver-

[Abbildung] Kopf vom Kappenwurm
(Cucullanus clogaus). Vergr.
änderungen noch nicht die Länge einer Linie. Jhre vollſtändige Entwicklung tritt aber ein, nachdem
ſie mit den Cyclopen von einem Fiſch verſchluckt worden ſind, welche Vermittlung am häufigſten
der Flußbarſch übernimmt.



Kein Eingeweidewurm hat ſeit dem Jahre 1860 ſo viel von ſich reden gemacht, als der
gefährlichſte aller, die Trichine (Trichina spiralis), welche mit einigen anderen Gattungen,
darunter dem ebenfalls unter den Schmarotzern des Menſchen vertretenen Peitſchenwurm die
Familie der Trichotracheliden bildet. Der Lebensgang der Trichine weicht zwar in einem wichtigen
Punkte — daß ſie nämlich als junges Thier nicht erſt ins Freie gelangt, um ſich weiter zu ent-
wickeln, ſondern gleich aus dem Darme des Menſchen oder der Thiere, welche ſie bewohnt, in die
Muskeln überwandert — in dieſem Punkte, ſage ich, weicht die Trichine von den bisher behandelten
Nematoden ab; im Weſentlichen aber reihen ſich ihre Lebensverhältniſſe in das allgemeine Bild
ein, welches man ſich aus den vorausgegangenen Darſtellungen hat entwerfen können. Die Gefahr,
vor der ſich plötzlich alle Welt durch die Trichine bedroht ſah, trug vorzüglich dazu bei, jene
Scheu zu überwinden, welche man vor der näheren Betrachtung und Kenntnißnahme der Ein-
geweidewürmer hegte. Man kann dreiſt behaupten, daß eine Zeit lang, nächſt dem Wetter, die
Trichinen zu den am häufigſten gepflogenen Tiſch- und Ballgeſprächen herhalten mußten. Eine
Reihe Trichinenepidemien entrollten wahre Schreckbilder menſchlichen Leidens, und das bisher faſt
unbeachtet gebliebene Thier wurde nun durch die eifrigſten Nachforſchungen über ſeine Natur und
Entwicklung und die Art, wie man ſich praktiſch vor ihm ſchützen könnte, zum genau bekannteſten

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[719/0763] Dochmius. Paliſadenwurm. Ollulanus. Kappenwurm. Trichine. Wege nach außen. Hier harren ſie, wahrſcheinlich eingetrocknet, ihrer Erlöſung durch die Maus, aus deren Magen ſie trichinenartig in die Muskeln und andere Organe einwandern, um dort zu einer abermaligen, kürzeren oder längeren Raſt ſich einzukapſeln. Jſt die Maus ſo glücklich, nicht von einer Katze verſpeiſt zu werden, ſo erreichen die eingekapſelten Ollulanen nicht ihr Lebensziel. Wandert aber die Maus in den Magen einer Katze, ſo iſt der Bann von den Ollulanen genommen, die Berührung mit dem Magenſafte der Katze erweckt ſie zu einem neuen Anlauf des Lebens, welches in ſehr unpoetiſcher Weiſe im Darm der Katze ſich ſchließt und den Grund zu einem neuen Kreislauf legt. Die Maus iſt der Zwiſchenwirth für den Ollulanus. Ganz ähnlich, aber etwas appetitlicher iſt der ebenfalls von Leuckart ergründete Lebenslauf des in Fiſchen ſchmarotzenden Kappenwurmes (Cucullanus elegans), deſſen Mundhöhle eine elliptiſche Kapſel mit dicken braunen Wandungen enthält. „Die weiblichen Kappenwürmer gebären lebendige Junge, die ſchon im Mutterleibe aus den zarten Eihüllen auskriechen und bei den größeren Exemplaren (von 8 bis 10 Linien) zu vielen Tauſenden angetroffen werden. Durch eine derbe Haut geſchützt, bleiben die nach außen gelangten Würmer nicht ſelten mehrere Wochen lang im Waſſer lebend und beweglich, Zeit genug, um auch im Freien einen paſſenden Zwiſchenwirth zu finden und zu inficiren. Jn der Regel ſind es die unſere Wäſſer maſſenhaft bewohnenden kleinen Cyclopen“ (ſiehe S. 665), „in welche die Würmer einwandern. Jn kleineren Aquarien geſchieht die Einwanderung gewöhnlich ſchon nach wenigen Stunden und oftmals in ſolcher Menge, daß man die Eindringlinge nach Dutzenden zählen kann. Jſt die Zahl der Paraſiten eine größere, ſo gehen die Wirthe gewöhnlich nach Abſchluß der Em- bryonalentwicklung zu Grunde, ohne dadurch jedoch ſogleich den Tod ihrer Paraſiten herbeizuführen. Mitunter werden dieſe noch mehrere Tage ſpäter lebend angetroffen.“ Die winzigen Thierchen erreichen in ihrem erſten Wirthe unter mancherlei äußeren und inneren Ver- [Abbildung Kopf vom Kappenwurm (Cucullanus clogaus). Vergr.] änderungen noch nicht die Länge einer Linie. Jhre vollſtändige Entwicklung tritt aber ein, nachdem ſie mit den Cyclopen von einem Fiſch verſchluckt worden ſind, welche Vermittlung am häufigſten der Flußbarſch übernimmt. Kein Eingeweidewurm hat ſeit dem Jahre 1860 ſo viel von ſich reden gemacht, als der gefährlichſte aller, die Trichine (Trichina spiralis), welche mit einigen anderen Gattungen, darunter dem ebenfalls unter den Schmarotzern des Menſchen vertretenen Peitſchenwurm die Familie der Trichotracheliden bildet. Der Lebensgang der Trichine weicht zwar in einem wichtigen Punkte — daß ſie nämlich als junges Thier nicht erſt ins Freie gelangt, um ſich weiter zu ent- wickeln, ſondern gleich aus dem Darme des Menſchen oder der Thiere, welche ſie bewohnt, in die Muskeln überwandert — in dieſem Punkte, ſage ich, weicht die Trichine von den bisher behandelten Nematoden ab; im Weſentlichen aber reihen ſich ihre Lebensverhältniſſe in das allgemeine Bild ein, welches man ſich aus den vorausgegangenen Darſtellungen hat entwerfen können. Die Gefahr, vor der ſich plötzlich alle Welt durch die Trichine bedroht ſah, trug vorzüglich dazu bei, jene Scheu zu überwinden, welche man vor der näheren Betrachtung und Kenntnißnahme der Ein- geweidewürmer hegte. Man kann dreiſt behaupten, daß eine Zeit lang, nächſt dem Wetter, die Trichinen zu den am häufigſten gepflogenen Tiſch- und Ballgeſprächen herhalten mußten. Eine Reihe Trichinenepidemien entrollten wahre Schreckbilder menſchlichen Leidens, und das bisher faſt unbeachtet gebliebene Thier wurde nun durch die eifrigſten Nachforſchungen über ſeine Natur und Entwicklung und die Art, wie man ſich praktiſch vor ihm ſchützen könnte, zum genau bekannteſten

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 719. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/763>, abgerufen am 26.06.2024.