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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Strudelwürmer. Land- und Erdplanarien. Saugwürmer.
lieben mäßig feuchte Orte, unter Holz, Rinde, Steinen, zwischen Blättern der Bromeliaceen, doch
nicht in dem daselbst angesammelten Wasser. Tags scheinen sie zu ruhen, Nachts umherzuschweifen.
Der deutsche Doktor der Medicin und Philosophie im Urwalde wollte sich vergewissern, ob die
Landplanarien, wie ihre Verwandten im Wasser, auf der Körperoberfläche Flimmerhaare tragen.
"Jn Ermangelung eines Mikroskopes, schrieb er, bestreute ich, eines Experimentes in F. Müllers
physiologischen Vorlesungen mich erinnernd*), ein recht großes Exemplar der Geoplana rufiventris
mit ein wenig Arrowrootmehl und sah nun dieses auf dem Rücken sich konstant vorwärts und
dabei bisweilen etwas nach außen, auf der Bauchseite hinterwärts sich fortbewegen, wodurch die
Existenz der Flimmerhaare außer Zweifel gestellt scheint." Ein ganz besonderes Jnteresse bot
die unterirdisch lebende Geoplana subterranea, "indem sie den Kreis der Lebensbedingungen,
unter denen dieser Thierform zu bestehen gestattet ist, aufs neue erweitert zeigt. Nachdem man
Plattwürmer in dem klaren Quellwasser der Gebirge, unter den Steinen der Seeküste, wie an
den fluthenden Tangen mitten im Weltmeere gefunden, nachdem sich die Aussicht auf eine reiche
Landplanarienfauna eröffnet hat, die im feuchten Moose, unter Steinen und Rinden sich birgt
und bis in die Wipfel des Urwaldes aufsteigt, wo sie zwischen den stachligen Blättern der
Bromelien ein stets feuchtes Asyl findet -- so kommen nun auch Erdplanarien zum Vorschein,
Genossen der Regenwürmer und Engerlinge. Jn bezeichnendem Gegensatze zu ihren über der
Erde lebenden farbigen, augenreichen Gattungsgenossen ist diese im Dunkeln hausende Geoplana
ohne Farbenschmuck und Farbensinn, milchweiß und augenlos. Jm Habitus entfernt sich diese
Art mehr als irgend eine von der typischen Planarienform. Jhr gleichmäßig schmaler, sehr
langer, an den Enden abgerundeter Körper, der bei einer Länge von 2 bis 3, selbst über 4 Zoll
kaum die Breite von 3/4 Linie erreicht, gibt ihr vollständig das Ansehen einer Nemertine. Das
Thier lebt besonders in lockerem, sandigem, aber auch in schwerem zähen Lehmboden in Gesell-
schaft eines Regenwurmes (Lumbricus corethrurus). Es mag befremden, daß ein so weiches
Thierchen, das kaum leise Berührung verträgt, in diesem Medium eristiren und sich Wege bahnen
könne. Diese Schwierigkeit lösen die Regenwürmer, die den Boden so durchwühlen, daß er wie
ein Schwamm von glatten Gängen verschiedener Weite in allen Richtungen durchsetzt ist. Zum
Dank dafür werden die Regenwürmer von dem Plattwurm aufgefressen oder vielmehr ausgesogen.
Diese Art der Nahrung war aus der Farbe des Darminhaltes unschwer zu erschließen. Jch habe
aber auch Geoplanen getroffen, die eben einen jungen Regenwurm mit dem vorgestülpten Rüssel
gepackt hielten, und deren Darm sich mit frischem Blute zu füllen begann."



Zweite Ordnung.
Saugwürmer
(Trematodes).

Sowohl die Egel wie die Planarien leiten den die Organisation der Gattungen der Reihe
nach verfolgenden und namentlich auch die Lebensverhältnisse berücksichtigenden Forscher auf die
Gruppe der Saugwürmer, über deren engere Grenzen man immer ziemlich einig gewesen ist.
Sie sind fast alle blattförmig, abgeplattet, nicht besonders lang, mit Saugnäpfen vorn, in der

*) Wer es nachmachen will, nehme einen beliebigen Frosch her, sperre ihm das Maul weit auf
und streue, ihn mit dem Bauche nach oben haltend, ihm eine winzige Prise feinen Farbstoffes auf den
Gaumen, welche alsbald nach den hinteren Regionen des Rachens durch die unsichtbare Thätigkeit der
Flimmerhaare befördert wird. (D. Verf.)

Strudelwürmer. Land- und Erdplanarien. Saugwürmer.
lieben mäßig feuchte Orte, unter Holz, Rinde, Steinen, zwiſchen Blättern der Bromeliaceen, doch
nicht in dem daſelbſt angeſammelten Waſſer. Tags ſcheinen ſie zu ruhen, Nachts umherzuſchweifen.
Der deutſche Doktor der Medicin und Philoſophie im Urwalde wollte ſich vergewiſſern, ob die
Landplanarien, wie ihre Verwandten im Waſſer, auf der Körperoberfläche Flimmerhaare tragen.
„Jn Ermangelung eines Mikroſkopes, ſchrieb er, beſtreute ich, eines Experimentes in F. Müllers
phyſiologiſchen Vorleſungen mich erinnernd*), ein recht großes Exemplar der Geoplana rufiventris
mit ein wenig Arrowrootmehl und ſah nun dieſes auf dem Rücken ſich konſtant vorwärts und
dabei bisweilen etwas nach außen, auf der Bauchſeite hinterwärts ſich fortbewegen, wodurch die
Exiſtenz der Flimmerhaare außer Zweifel geſtellt ſcheint.“ Ein ganz beſonderes Jntereſſe bot
die unterirdiſch lebende Geoplana subterranea, „indem ſie den Kreis der Lebensbedingungen,
unter denen dieſer Thierform zu beſtehen geſtattet iſt, aufs neue erweitert zeigt. Nachdem man
Plattwürmer in dem klaren Quellwaſſer der Gebirge, unter den Steinen der Seeküſte, wie an
den fluthenden Tangen mitten im Weltmeere gefunden, nachdem ſich die Ausſicht auf eine reiche
Landplanarienfauna eröffnet hat, die im feuchten Mooſe, unter Steinen und Rinden ſich birgt
und bis in die Wipfel des Urwaldes aufſteigt, wo ſie zwiſchen den ſtachligen Blättern der
Bromelien ein ſtets feuchtes Aſyl findet — ſo kommen nun auch Erdplanarien zum Vorſchein,
Genoſſen der Regenwürmer und Engerlinge. Jn bezeichnendem Gegenſatze zu ihren über der
Erde lebenden farbigen, augenreichen Gattungsgenoſſen iſt dieſe im Dunkeln hauſende Geoplana
ohne Farbenſchmuck und Farbenſinn, milchweiß und augenlos. Jm Habitus entfernt ſich dieſe
Art mehr als irgend eine von der typiſchen Planarienform. Jhr gleichmäßig ſchmaler, ſehr
langer, an den Enden abgerundeter Körper, der bei einer Länge von 2 bis 3, ſelbſt über 4 Zoll
kaum die Breite von ¾ Linie erreicht, gibt ihr vollſtändig das Anſehen einer Nemertine. Das
Thier lebt beſonders in lockerem, ſandigem, aber auch in ſchwerem zähen Lehmboden in Geſell-
ſchaft eines Regenwurmes (Lumbricus corethrurus). Es mag befremden, daß ein ſo weiches
Thierchen, das kaum leiſe Berührung verträgt, in dieſem Medium eriſtiren und ſich Wege bahnen
könne. Dieſe Schwierigkeit löſen die Regenwürmer, die den Boden ſo durchwühlen, daß er wie
ein Schwamm von glatten Gängen verſchiedener Weite in allen Richtungen durchſetzt iſt. Zum
Dank dafür werden die Regenwürmer von dem Plattwurm aufgefreſſen oder vielmehr ausgeſogen.
Dieſe Art der Nahrung war aus der Farbe des Darminhaltes unſchwer zu erſchließen. Jch habe
aber auch Geoplanen getroffen, die eben einen jungen Regenwurm mit dem vorgeſtülpten Rüſſel
gepackt hielten, und deren Darm ſich mit friſchem Blute zu füllen begann.“



Zweite Ordnung.
Saugwürmer
(Trematodes).

Sowohl die Egel wie die Planarien leiten den die Organiſation der Gattungen der Reihe
nach verfolgenden und namentlich auch die Lebensverhältniſſe berückſichtigenden Forſcher auf die
Gruppe der Saugwürmer, über deren engere Grenzen man immer ziemlich einig geweſen iſt.
Sie ſind faſt alle blattförmig, abgeplattet, nicht beſonders lang, mit Saugnäpfen vorn, in der

*) Wer es nachmachen will, nehme einen beliebigen Froſch her, ſperre ihm das Maul weit auf
und ſtreue, ihn mit dem Bauche nach oben haltend, ihm eine winzige Priſe feinen Farbſtoffes auf den
Gaumen, welche alsbald nach den hinteren Regionen des Rachens durch die unſichtbare Thätigkeit der
Flimmerhaare befördert wird. (D. Verf.)
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[738/0782] Strudelwürmer. Land- und Erdplanarien. Saugwürmer. lieben mäßig feuchte Orte, unter Holz, Rinde, Steinen, zwiſchen Blättern der Bromeliaceen, doch nicht in dem daſelbſt angeſammelten Waſſer. Tags ſcheinen ſie zu ruhen, Nachts umherzuſchweifen. Der deutſche Doktor der Medicin und Philoſophie im Urwalde wollte ſich vergewiſſern, ob die Landplanarien, wie ihre Verwandten im Waſſer, auf der Körperoberfläche Flimmerhaare tragen. „Jn Ermangelung eines Mikroſkopes, ſchrieb er, beſtreute ich, eines Experimentes in F. Müllers phyſiologiſchen Vorleſungen mich erinnernd *), ein recht großes Exemplar der Geoplana rufiventris mit ein wenig Arrowrootmehl und ſah nun dieſes auf dem Rücken ſich konſtant vorwärts und dabei bisweilen etwas nach außen, auf der Bauchſeite hinterwärts ſich fortbewegen, wodurch die Exiſtenz der Flimmerhaare außer Zweifel geſtellt ſcheint.“ Ein ganz beſonderes Jntereſſe bot die unterirdiſch lebende Geoplana subterranea, „indem ſie den Kreis der Lebensbedingungen, unter denen dieſer Thierform zu beſtehen geſtattet iſt, aufs neue erweitert zeigt. Nachdem man Plattwürmer in dem klaren Quellwaſſer der Gebirge, unter den Steinen der Seeküſte, wie an den fluthenden Tangen mitten im Weltmeere gefunden, nachdem ſich die Ausſicht auf eine reiche Landplanarienfauna eröffnet hat, die im feuchten Mooſe, unter Steinen und Rinden ſich birgt und bis in die Wipfel des Urwaldes aufſteigt, wo ſie zwiſchen den ſtachligen Blättern der Bromelien ein ſtets feuchtes Aſyl findet — ſo kommen nun auch Erdplanarien zum Vorſchein, Genoſſen der Regenwürmer und Engerlinge. Jn bezeichnendem Gegenſatze zu ihren über der Erde lebenden farbigen, augenreichen Gattungsgenoſſen iſt dieſe im Dunkeln hauſende Geoplana ohne Farbenſchmuck und Farbenſinn, milchweiß und augenlos. Jm Habitus entfernt ſich dieſe Art mehr als irgend eine von der typiſchen Planarienform. Jhr gleichmäßig ſchmaler, ſehr langer, an den Enden abgerundeter Körper, der bei einer Länge von 2 bis 3, ſelbſt über 4 Zoll kaum die Breite von ¾ Linie erreicht, gibt ihr vollſtändig das Anſehen einer Nemertine. Das Thier lebt beſonders in lockerem, ſandigem, aber auch in ſchwerem zähen Lehmboden in Geſell- ſchaft eines Regenwurmes (Lumbricus corethrurus). Es mag befremden, daß ein ſo weiches Thierchen, das kaum leiſe Berührung verträgt, in dieſem Medium eriſtiren und ſich Wege bahnen könne. Dieſe Schwierigkeit löſen die Regenwürmer, die den Boden ſo durchwühlen, daß er wie ein Schwamm von glatten Gängen verſchiedener Weite in allen Richtungen durchſetzt iſt. Zum Dank dafür werden die Regenwürmer von dem Plattwurm aufgefreſſen oder vielmehr ausgeſogen. Dieſe Art der Nahrung war aus der Farbe des Darminhaltes unſchwer zu erſchließen. Jch habe aber auch Geoplanen getroffen, die eben einen jungen Regenwurm mit dem vorgeſtülpten Rüſſel gepackt hielten, und deren Darm ſich mit friſchem Blute zu füllen begann.“ Zweite Ordnung. Saugwürmer (Trematodes). Sowohl die Egel wie die Planarien leiten den die Organiſation der Gattungen der Reihe nach verfolgenden und namentlich auch die Lebensverhältniſſe berückſichtigenden Forſcher auf die Gruppe der Saugwürmer, über deren engere Grenzen man immer ziemlich einig geweſen iſt. Sie ſind faſt alle blattförmig, abgeplattet, nicht beſonders lang, mit Saugnäpfen vorn, in der *) Wer es nachmachen will, nehme einen beliebigen Froſch her, ſperre ihm das Maul weit auf und ſtreue, ihn mit dem Bauche nach oben haltend, ihm eine winzige Priſe feinen Farbſtoffes auf den Gaumen, welche alsbald nach den hinteren Regionen des Rachens durch die unſichtbare Thätigkeit der Flimmerhaare befördert wird. (D. Verf.)

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 738. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/782>, abgerufen am 23.11.2024.