Sie leben übrigens nicht frei, sondern wandern, indem sie aus dem wimpernden frei schwimmenden Embryo hervorgehen, an und in den Körper unserer Wasserschnecken. Rasch wachsend wird ihre Leibeshöhle zur Brutstätte einer neuen Generation sehr auffallender Thierchen, welche den Körper ihrer Erzeugerin, der "Amme", so ausfüllen, daß unter dem Druck deren Darmkanal einschrumpft, und daß in manchen Fällen von der Amme nur noch die zu einem langen Sacke, dem "Keim- schlauche", ausgedehnte Haut übrig bleibt.
Diese zweite Generation (B) sucht, sobald sie geboren worden, wieder in Wasser zu gelangen. An Kopf und Rumpf dem Stachel-Doppelloch ähnlich, unterscheidet sie sich doch wesentlich durch einen sehr beweglichen langen Ruderschwanz, den sie fleißig gebraucht, um während einiger Wochen ihr freies Leben zu genießen. Zahlreiche Formen dieser sogenannten "Cercarien" waren schon vor Jahrzehnten bekannt, ehe man von ihrer Herkunft und der merkwürdigen Umwandlung, zu der sie bestimmt sind, eine Ahnung hatte. Jst ihre Zeit gekommen, so suchen sie dieselben Arten von Weichthieren wieder auf, in denen sie geboren wurden. Sie heften sich mit dem großen Saugnapfe, den sie am Bauche tragen, auf der Haut der Schnecken fest und entledigen sich mit einigen Rucken des Ruderschwanzes, des Symboles ihres beweglicheren Daseins. Jhre Oberfläche schwitzt eine durchsichtige Kapsel aus, und unter dieser, wie unter einem Uhrglase, liegen sie nun zusammengekrümmt. Sie gleichen vollständig dem Distomum echinatum, nur daß die kleinen Stachelchen des Rumpfes und die Fortpflanzungsorgane noch nicht entwickelt sind (C). Wir errathen, was den Schnecken passiren muß, um das Heil der eingekapselten Larven des Stachel- Doppelloches herbeizuführen. Die in den Gewässern nach Nahrung suchenden Vögel, unter ihnen die Ente, verzehren die Schnecken, und nun im Darm des warmblütigen Thieres kommt binnen wenigen Tagen die Entwicklung der unfreiwillig eingewanderten Doppellöcher zum Abschluß.
Man hat diese Entwicklung und Wanderung noch von mehreren Arten Schritt für Schritt verfolgt. So lebt die Amme, welche in den Entwicklungskreis des Distomum retusum aus dem Darm des Frosches gehört, in der Sumpfschnecke Limnaeus stagnalis, besonders in der Leber. Die geschwänzten Cercarien, mit einem Mundstachel versehen, verkapseln sich entweder auch auf den Limnäen oder in den Larven von Wasserinsekten, können aber auch diesen Zwischenwirth überspringen und direkt im Darm der Frösche auswachsen und geschlechtsreif werden, was binnen dreizehn Tagen geschieht.
Leider kennen wir gerade von den wegen ihrer Gefährlichkeit für Hausthiere und den Menschen wichtigeren Distomen die Lebensgeschichte nicht oder nur sehr unvollständig. Von den Verheerungen welche der Leberegel (Distomum hepaticum) anrichtet, weiß man fast auf jeder Schäferei zu erzählen. Das Thier, welches über einen Zoll lang wird, hat einen blattförmigen Körper mit einem ziemlich dicken kegelförmigen Vorderende und ist bedeckt mit einer großen Menge schuppenförmiger Stacheln, die ihm beim Vor- dringen in die Gallengänge große Dienste leisten. Die Saug- näpfe stehen nahe bei einander und sind verhältnißmäßig klein und schwach. Der gewöhnliche Aufenthalt des Leberegels sind die Gallen- gänge bei zahlreichen pflanzenfressenden Thieren, besonders dem Schafe und auch beim Menschen, und seine Verbreitung erstreckt sich nicht nur über ganz Europa, sondern auch Egypten, Grönland, Nordamerika. Daß die nach Australien eingeführten Schafe ihre Parasiten mitgebracht, ist nicht befremdlich. "Um die Lebenserschei- nungen", sagt Leuckart, "und namentlich die Bewegungen der Leberegel gehörig zu studiren, muß man
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Leberegel und Larve desselben. (Distomum hepaticum.)
nungen", sagt Leuckart, "und namentlich die Bewegungen der Leberegel gehörig zu studiren, muß man dieselben, wie die Bandwürmer und andere Eingeweidewürmer, alsbald nach dem Tode ihrer Wirthe untersuchen, bevor sie durch die Einwirkung der Kälte in jenen Zustand der Starrheit versetzt sind, in dem sie auf den ersten Blick mehr einem welkenden Blatte, als einem lebendigen Thiere ähnlich sehen.
Doppelloch. Leberegel.
Sie leben übrigens nicht frei, ſondern wandern, indem ſie aus dem wimpernden frei ſchwimmenden Embryo hervorgehen, an und in den Körper unſerer Waſſerſchnecken. Raſch wachſend wird ihre Leibeshöhle zur Brutſtätte einer neuen Generation ſehr auffallender Thierchen, welche den Körper ihrer Erzeugerin, der „Amme“, ſo ausfüllen, daß unter dem Druck deren Darmkanal einſchrumpft, und daß in manchen Fällen von der Amme nur noch die zu einem langen Sacke, dem „Keim- ſchlauche“, ausgedehnte Haut übrig bleibt.
Dieſe zweite Generation (B) ſucht, ſobald ſie geboren worden, wieder in Waſſer zu gelangen. An Kopf und Rumpf dem Stachel-Doppelloch ähnlich, unterſcheidet ſie ſich doch weſentlich durch einen ſehr beweglichen langen Ruderſchwanz, den ſie fleißig gebraucht, um während einiger Wochen ihr freies Leben zu genießen. Zahlreiche Formen dieſer ſogenannten „Cercarien“ waren ſchon vor Jahrzehnten bekannt, ehe man von ihrer Herkunft und der merkwürdigen Umwandlung, zu der ſie beſtimmt ſind, eine Ahnung hatte. Jſt ihre Zeit gekommen, ſo ſuchen ſie dieſelben Arten von Weichthieren wieder auf, in denen ſie geboren wurden. Sie heften ſich mit dem großen Saugnapfe, den ſie am Bauche tragen, auf der Haut der Schnecken feſt und entledigen ſich mit einigen Rucken des Ruderſchwanzes, des Symboles ihres beweglicheren Daſeins. Jhre Oberfläche ſchwitzt eine durchſichtige Kapſel aus, und unter dieſer, wie unter einem Uhrglaſe, liegen ſie nun zuſammengekrümmt. Sie gleichen vollſtändig dem Distomum echinatum, nur daß die kleinen Stachelchen des Rumpfes und die Fortpflanzungsorgane noch nicht entwickelt ſind (C). Wir errathen, was den Schnecken paſſiren muß, um das Heil der eingekapſelten Larven des Stachel- Doppelloches herbeizuführen. Die in den Gewäſſern nach Nahrung ſuchenden Vögel, unter ihnen die Ente, verzehren die Schnecken, und nun im Darm des warmblütigen Thieres kommt binnen wenigen Tagen die Entwicklung der unfreiwillig eingewanderten Doppellöcher zum Abſchluß.
Man hat dieſe Entwicklung und Wanderung noch von mehreren Arten Schritt für Schritt verfolgt. So lebt die Amme, welche in den Entwicklungskreis des Distomum retusum aus dem Darm des Froſches gehört, in der Sumpfſchnecke Limnaeus stagnalis, beſonders in der Leber. Die geſchwänzten Cercarien, mit einem Mundſtachel verſehen, verkapſeln ſich entweder auch auf den Limnäen oder in den Larven von Waſſerinſekten, können aber auch dieſen Zwiſchenwirth überſpringen und direkt im Darm der Fröſche auswachſen und geſchlechtsreif werden, was binnen dreizehn Tagen geſchieht.
Leider kennen wir gerade von den wegen ihrer Gefährlichkeit für Hausthiere und den Menſchen wichtigeren Diſtomen die Lebensgeſchichte nicht oder nur ſehr unvollſtändig. Von den Verheerungen welche der Leberegel (Distomum hepaticum) anrichtet, weiß man faſt auf jeder Schäferei zu erzählen. Das Thier, welches über einen Zoll lang wird, hat einen blattförmigen Körper mit einem ziemlich dicken kegelförmigen Vorderende und iſt bedeckt mit einer großen Menge ſchuppenförmiger Stacheln, die ihm beim Vor- dringen in die Gallengänge große Dienſte leiſten. Die Saug- näpfe ſtehen nahe bei einander und ſind verhältnißmäßig klein und ſchwach. Der gewöhnliche Aufenthalt des Leberegels ſind die Gallen- gänge bei zahlreichen pflanzenfreſſenden Thieren, beſonders dem Schafe und auch beim Menſchen, und ſeine Verbreitung erſtreckt ſich nicht nur über ganz Europa, ſondern auch Egypten, Grönland, Nordamerika. Daß die nach Auſtralien eingeführten Schafe ihre Paraſiten mitgebracht, iſt nicht befremdlich. „Um die Lebenserſchei- nungen“, ſagt Leuckart, „und namentlich die Bewegungen der Leberegel gehörig zu ſtudiren, muß man
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Leberegel und Larve deſſelben. (Distomum hepaticum.)
nungen“, ſagt Leuckart, „und namentlich die Bewegungen der Leberegel gehörig zu ſtudiren, muß man dieſelben, wie die Bandwürmer und andere Eingeweidewürmer, alsbald nach dem Tode ihrer Wirthe unterſuchen, bevor ſie durch die Einwirkung der Kälte in jenen Zuſtand der Starrheit verſetzt ſind, in dem ſie auf den erſten Blick mehr einem welkenden Blatte, als einem lebendigen Thiere ähnlich ſehen.
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Doppelloch. Leberegel.
Sie leben übrigens nicht frei, ſondern wandern, indem ſie aus dem wimpernden frei ſchwimmenden
Embryo hervorgehen, an und in den Körper unſerer Waſſerſchnecken. Raſch wachſend wird ihre
Leibeshöhle zur Brutſtätte einer neuen Generation ſehr auffallender Thierchen, welche den Körper
ihrer Erzeugerin, der „Amme“, ſo ausfüllen, daß unter dem Druck deren Darmkanal einſchrumpft,
und daß in manchen Fällen von der Amme nur noch die zu einem langen Sacke, dem „Keim-
ſchlauche“, ausgedehnte Haut übrig bleibt.
Dieſe zweite Generation (B) ſucht, ſobald ſie geboren worden, wieder in Waſſer zu gelangen.
An Kopf und Rumpf dem Stachel-Doppelloch ähnlich, unterſcheidet ſie ſich doch weſentlich durch
einen ſehr beweglichen langen Ruderſchwanz, den ſie fleißig gebraucht, um während einiger Wochen
ihr freies Leben zu genießen. Zahlreiche Formen dieſer ſogenannten „Cercarien“ waren ſchon
vor Jahrzehnten bekannt, ehe man von ihrer Herkunft und der merkwürdigen Umwandlung, zu
der ſie beſtimmt ſind, eine Ahnung hatte. Jſt ihre Zeit gekommen, ſo ſuchen ſie dieſelben Arten
von Weichthieren wieder auf, in denen ſie geboren wurden. Sie heften ſich mit dem großen
Saugnapfe, den ſie am Bauche tragen, auf der Haut der Schnecken feſt und entledigen ſich mit
einigen Rucken des Ruderſchwanzes, des Symboles ihres beweglicheren Daſeins. Jhre Oberfläche
ſchwitzt eine durchſichtige Kapſel aus, und unter dieſer, wie unter einem Uhrglaſe, liegen ſie nun
zuſammengekrümmt. Sie gleichen vollſtändig dem Distomum echinatum, nur daß die kleinen
Stachelchen des Rumpfes und die Fortpflanzungsorgane noch nicht entwickelt ſind (C). Wir
errathen, was den Schnecken paſſiren muß, um das Heil der eingekapſelten Larven des Stachel-
Doppelloches herbeizuführen. Die in den Gewäſſern nach Nahrung ſuchenden Vögel, unter ihnen
die Ente, verzehren die Schnecken, und nun im Darm des warmblütigen Thieres kommt binnen
wenigen Tagen die Entwicklung der unfreiwillig eingewanderten Doppellöcher zum Abſchluß.
Man hat dieſe Entwicklung und Wanderung noch von mehreren Arten Schritt für Schritt
verfolgt. So lebt die Amme, welche in den Entwicklungskreis des Distomum retusum aus dem Darm
des Froſches gehört, in der Sumpfſchnecke Limnaeus stagnalis, beſonders in der Leber. Die
geſchwänzten Cercarien, mit einem Mundſtachel verſehen, verkapſeln ſich entweder auch auf den Limnäen
oder in den Larven von Waſſerinſekten, können aber auch dieſen Zwiſchenwirth überſpringen
und direkt im Darm der Fröſche auswachſen und geſchlechtsreif werden, was binnen dreizehn
Tagen geſchieht.
Leider kennen wir gerade von den wegen ihrer Gefährlichkeit für Hausthiere und den Menſchen
wichtigeren Diſtomen die Lebensgeſchichte nicht oder nur ſehr unvollſtändig. Von den Verheerungen
welche der Leberegel (Distomum hepaticum) anrichtet, weiß man
faſt auf jeder Schäferei zu erzählen. Das Thier, welches über
einen Zoll lang wird, hat einen blattförmigen Körper mit einem
ziemlich dicken kegelförmigen Vorderende und iſt bedeckt mit einer
großen Menge ſchuppenförmiger Stacheln, die ihm beim Vor-
dringen in die Gallengänge große Dienſte leiſten. Die Saug-
näpfe ſtehen nahe bei einander und ſind verhältnißmäßig klein und
ſchwach. Der gewöhnliche Aufenthalt des Leberegels ſind die Gallen-
gänge bei zahlreichen pflanzenfreſſenden Thieren, beſonders dem
Schafe und auch beim Menſchen, und ſeine Verbreitung erſtreckt
ſich nicht nur über ganz Europa, ſondern auch Egypten, Grönland,
Nordamerika. Daß die nach Auſtralien eingeführten Schafe ihre
Paraſiten mitgebracht, iſt nicht befremdlich. „Um die Lebenserſchei-
nungen“, ſagt Leuckart, „und namentlich die Bewegungen der Leberegel gehörig zu ſtudiren, muß man
[Abbildung Leberegel und Larve deſſelben.
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nungen“, ſagt Leuckart, „und namentlich die Bewegungen der Leberegel gehörig zu ſtudiren, muß man
dieſelben, wie die Bandwürmer und andere Eingeweidewürmer, alsbald nach dem Tode ihrer Wirthe
unterſuchen, bevor ſie durch die Einwirkung der Kälte in jenen Zuſtand der Starrheit verſetzt ſind,
in dem ſie auf den erſten Blick mehr einem welkenden Blatte, als einem lebendigen Thiere ähnlich ſehen.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 743. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/787>, abgerufen am 23.11.2024.
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