feuchten Orten lebt, am liebsten an den Ufern der Gewässer, wo sie an den Stengeln der Gewächse kriecht. Die bei Leipzig und Wien vorkommende Succinea Pfeifferi fand Roßmäßler sogar im Wasser selbst an der Oberfläche herumschwimmend.
Jm Gegensatz zu diesen ziehen zwei andre Gattungen die trockenen, besonders die kalkigen Gebirgsgegenden der Alpen und des südlichen Europa den feuchteren und ebneren Wohnsitzen vor. Die Moosschraube (Pupa) enthält keine über einen Zoll hohe Arten, die meisten sind nur wenige Linien lang, nicht wenige fast mikroskopisch. Jhre Schale ist eiförmig oder cylindrisch, die Mündung meist mit Zähnen. Obgleich auch die Oberfläche der Schale sehr variabel ist, glatt, gestreift oder gerippt, prägt sich doch die walzenförmige Gestalt des Gehäuses der Vorstellung leicht ein. Dasselbe ist der Fall mit den noch zahlreicheren Arten von Clausilia,Schließmund- schnecke, deren linksgewundenes Gehäus sich durch seine zahlreichen Umgänge und die schlanke gestreckte, aber stumpfe Spitze auszeichnet. Hinter der Mündung befindet sich ein eigner Deckel- apparat, das sogenannte Schließknöchelchen. Es ist eine, am freien Ende verbreiterte Platte, welche mit einem elastischen Stiel an die Spindel angewachsen ist. Zieht das Thier sich tiefer in das Gehäus zurück, so legt sich das Knöchelchen vermöge der Federung des Stielchens als Deckel vor; tritt die Schnecke dagegen hervor, so wird die Platte in eine entsprechende Vertiefung an die Spindel gedrückt. Von den Clausilien kennt man fast 400 lebende Arten. Sie sind schon im mittleren Deutschland verbreitet, das Clausilienland par excellence ist aber Dalmatien, wo man einige der gemeineren Arten auf Schritt und Tritt an den Felsen und trockenen Mauern findet. Am häufigsten aber sind sie in der Nähe der sparsamen Gewässer und Quellen dieser steinreichen Provinz. Obwohl alle Landschnecken auch außer ihrer Schlafzeit, wenn sie verpackt sind und aus Mangel an Nahrung Monate lang in ihrem Gehäus zurückgezogen und gegen die Außenwelt gewöhnlich durch eine dünne Deckelhaut abgeschlossen ohne Nachtheil für ihr Leben aus- dauern können, so zeichnen sich doch besonders die Clausilien durch ihre Zähigkeit aus. Wohl verbürgt ist, daß die im Mai in Dalmatien gesammelten Exemplare von Clausilia almissana erst im Herbst des folgenden Jahres wieder auferweckt wurden. Doch auch eine große Bulimus-Art, welche von Valparaiso nach London gebracht wurde, in Watte gewickelt und in eine Schachtel eingepackt, lebte nach einem Schlaf von 20 Monaten wieder auf. Von verschiedenen südlichen Helix-Arten wird ähnliches berichtet.
Jn der Familie der Limaceen (Limacea) können wir alle diejenigen Lungenschnecken ver- einigen, welche den Eindruck von "Nacktschnecken" machen, also in der That entweder ganz
[Abbildung]
Wegeschnecke (Limax rufus).
schalenlos sind, oder verborgen im Mantelschilde auf der vorderen Rückengegend eine kleine Kalk- platte besitzen oder endlich auch ein kleines, aber nur den geringsten Theil des Körpers bedeckendes
Lungenſchnecken. Heliciden. Limaceen.
feuchten Orten lebt, am liebſten an den Ufern der Gewäſſer, wo ſie an den Stengeln der Gewächſe kriecht. Die bei Leipzig und Wien vorkommende Succinea Pfeifferi fand Roßmäßler ſogar im Waſſer ſelbſt an der Oberfläche herumſchwimmend.
Jm Gegenſatz zu dieſen ziehen zwei andre Gattungen die trockenen, beſonders die kalkigen Gebirgsgegenden der Alpen und des ſüdlichen Europa den feuchteren und ebneren Wohnſitzen vor. Die Moosſchraube (Pupa) enthält keine über einen Zoll hohe Arten, die meiſten ſind nur wenige Linien lang, nicht wenige faſt mikroſkopiſch. Jhre Schale iſt eiförmig oder cylindriſch, die Mündung meiſt mit Zähnen. Obgleich auch die Oberfläche der Schale ſehr variabel iſt, glatt, geſtreift oder gerippt, prägt ſich doch die walzenförmige Geſtalt des Gehäuſes der Vorſtellung leicht ein. Daſſelbe iſt der Fall mit den noch zahlreicheren Arten von Clausilia,Schließmund- ſchnecke, deren linksgewundenes Gehäus ſich durch ſeine zahlreichen Umgänge und die ſchlanke geſtreckte, aber ſtumpfe Spitze auszeichnet. Hinter der Mündung befindet ſich ein eigner Deckel- apparat, das ſogenannte Schließknöchelchen. Es iſt eine, am freien Ende verbreiterte Platte, welche mit einem elaſtiſchen Stiel an die Spindel angewachſen iſt. Zieht das Thier ſich tiefer in das Gehäus zurück, ſo legt ſich das Knöchelchen vermöge der Federung des Stielchens als Deckel vor; tritt die Schnecke dagegen hervor, ſo wird die Platte in eine entſprechende Vertiefung an die Spindel gedrückt. Von den Clauſilien kennt man faſt 400 lebende Arten. Sie ſind ſchon im mittleren Deutſchland verbreitet, das Clauſilienland par excellence iſt aber Dalmatien, wo man einige der gemeineren Arten auf Schritt und Tritt an den Felſen und trockenen Mauern findet. Am häufigſten aber ſind ſie in der Nähe der ſparſamen Gewäſſer und Quellen dieſer ſteinreichen Provinz. Obwohl alle Landſchnecken auch außer ihrer Schlafzeit, wenn ſie verpackt ſind und aus Mangel an Nahrung Monate lang in ihrem Gehäus zurückgezogen und gegen die Außenwelt gewöhnlich durch eine dünne Deckelhaut abgeſchloſſen ohne Nachtheil für ihr Leben aus- dauern können, ſo zeichnen ſich doch beſonders die Clauſilien durch ihre Zähigkeit aus. Wohl verbürgt iſt, daß die im Mai in Dalmatien geſammelten Exemplare von Clausilia almissana erſt im Herbſt des folgenden Jahres wieder auferweckt wurden. Doch auch eine große Bulimus-Art, welche von Valparaiſo nach London gebracht wurde, in Watte gewickelt und in eine Schachtel eingepackt, lebte nach einem Schlaf von 20 Monaten wieder auf. Von verſchiedenen ſüdlichen Helix-Arten wird ähnliches berichtet.
Jn der Familie der Limaceen (Limacea) können wir alle diejenigen Lungenſchnecken ver- einigen, welche den Eindruck von „Nacktſchnecken“ machen, alſo in der That entweder ganz
[Abbildung]
Wegeſchnecke (Limax rufus).
ſchalenlos ſind, oder verborgen im Mantelſchilde auf der vorderen Rückengegend eine kleine Kalk- platte beſitzen oder endlich auch ein kleines, aber nur den geringſten Theil des Körpers bedeckendes
<TEI><text><body><floatingText><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0846"n="800"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Lungenſchnecken. Heliciden. Limaceen.</hi></fw><lb/>
feuchten Orten lebt, am liebſten an den Ufern der Gewäſſer, wo ſie an den Stengeln der<lb/>
Gewächſe kriecht. Die bei Leipzig und Wien vorkommende <hirendition="#aq">Succinea Pfeifferi</hi> fand <hirendition="#g">Roßmäßler</hi><lb/>ſogar im Waſſer ſelbſt an der Oberfläche herumſchwimmend.</p><lb/><p>Jm Gegenſatz zu dieſen ziehen zwei andre Gattungen die trockenen, beſonders die kalkigen<lb/>
Gebirgsgegenden der Alpen und des ſüdlichen Europa den feuchteren und ebneren Wohnſitzen vor.<lb/>
Die <hirendition="#g">Moosſchraube</hi> (<hirendition="#aq">Pupa</hi>) enthält keine über einen Zoll hohe Arten, die meiſten ſind nur<lb/>
wenige Linien lang, nicht wenige faſt mikroſkopiſch. Jhre Schale iſt eiförmig oder cylindriſch,<lb/>
die Mündung meiſt mit Zähnen. Obgleich auch die Oberfläche der Schale ſehr variabel iſt, glatt,<lb/>
geſtreift oder gerippt, prägt ſich doch die walzenförmige Geſtalt des Gehäuſes der Vorſtellung<lb/>
leicht ein. Daſſelbe iſt der Fall mit den noch zahlreicheren Arten von <hirendition="#aq">Clausilia,</hi><hirendition="#g">Schließmund-<lb/>ſchnecke,</hi> deren linksgewundenes Gehäus ſich durch ſeine zahlreichen Umgänge und die ſchlanke<lb/>
geſtreckte, aber ſtumpfe Spitze auszeichnet. Hinter der Mündung befindet ſich ein eigner Deckel-<lb/>
apparat, das ſogenannte Schließknöchelchen. Es iſt eine, am freien Ende verbreiterte Platte,<lb/>
welche mit einem elaſtiſchen Stiel an die Spindel angewachſen iſt. Zieht das Thier ſich tiefer in<lb/>
das Gehäus zurück, ſo legt ſich das Knöchelchen vermöge der Federung des Stielchens als Deckel<lb/>
vor; tritt die Schnecke dagegen hervor, ſo wird die Platte in eine entſprechende Vertiefung an<lb/>
die Spindel gedrückt. Von den Clauſilien kennt man faſt 400 lebende Arten. Sie ſind ſchon<lb/>
im mittleren Deutſchland verbreitet, das Clauſilienland <hirendition="#aq">par excellence</hi> iſt aber Dalmatien, wo<lb/>
man einige der gemeineren Arten auf Schritt und Tritt an den Felſen und trockenen Mauern<lb/>
findet. Am häufigſten aber ſind ſie in der Nähe der ſparſamen Gewäſſer und Quellen dieſer<lb/>ſteinreichen Provinz. Obwohl alle Landſchnecken auch außer ihrer Schlafzeit, wenn ſie verpackt<lb/>ſind und aus Mangel an Nahrung Monate lang in ihrem Gehäus zurückgezogen und gegen die<lb/>
Außenwelt gewöhnlich durch eine dünne Deckelhaut abgeſchloſſen ohne Nachtheil für ihr Leben aus-<lb/>
dauern können, ſo zeichnen ſich doch beſonders die Clauſilien durch ihre Zähigkeit aus. Wohl<lb/>
verbürgt iſt, daß die im Mai in Dalmatien geſammelten Exemplare von <hirendition="#aq">Clausilia almissana</hi> erſt im<lb/>
Herbſt des folgenden Jahres wieder auferweckt wurden. Doch auch eine große Bulimus-Art,<lb/>
welche von Valparaiſo nach London gebracht wurde, in Watte gewickelt und in eine Schachtel<lb/>
eingepackt, lebte nach einem Schlaf von 20 Monaten wieder auf. Von verſchiedenen ſüdlichen<lb/>
Helix-Arten wird ähnliches berichtet.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Jn der Familie der <hirendition="#g">Limaceen</hi> (<hirendition="#aq">Limacea</hi>) können wir alle diejenigen Lungenſchnecken ver-<lb/>
einigen, welche den Eindruck von „Nacktſchnecken“ machen, alſo in der That entweder ganz<lb/><figure><head><hirendition="#c"><hirendition="#g">Wegeſchnecke</hi> (<hirendition="#aq">Limax rufus</hi>).</hi></head></figure><lb/>ſchalenlos ſind, oder verborgen im Mantelſchilde auf der vorderen Rückengegend eine kleine Kalk-<lb/>
platte beſitzen oder endlich auch ein kleines, aber nur den geringſten Theil des Körpers bedeckendes<lb/></p></div></div></div></body></floatingText></body></text></TEI>
[800/0846]
Lungenſchnecken. Heliciden. Limaceen.
feuchten Orten lebt, am liebſten an den Ufern der Gewäſſer, wo ſie an den Stengeln der
Gewächſe kriecht. Die bei Leipzig und Wien vorkommende Succinea Pfeifferi fand Roßmäßler
ſogar im Waſſer ſelbſt an der Oberfläche herumſchwimmend.
Jm Gegenſatz zu dieſen ziehen zwei andre Gattungen die trockenen, beſonders die kalkigen
Gebirgsgegenden der Alpen und des ſüdlichen Europa den feuchteren und ebneren Wohnſitzen vor.
Die Moosſchraube (Pupa) enthält keine über einen Zoll hohe Arten, die meiſten ſind nur
wenige Linien lang, nicht wenige faſt mikroſkopiſch. Jhre Schale iſt eiförmig oder cylindriſch,
die Mündung meiſt mit Zähnen. Obgleich auch die Oberfläche der Schale ſehr variabel iſt, glatt,
geſtreift oder gerippt, prägt ſich doch die walzenförmige Geſtalt des Gehäuſes der Vorſtellung
leicht ein. Daſſelbe iſt der Fall mit den noch zahlreicheren Arten von Clausilia, Schließmund-
ſchnecke, deren linksgewundenes Gehäus ſich durch ſeine zahlreichen Umgänge und die ſchlanke
geſtreckte, aber ſtumpfe Spitze auszeichnet. Hinter der Mündung befindet ſich ein eigner Deckel-
apparat, das ſogenannte Schließknöchelchen. Es iſt eine, am freien Ende verbreiterte Platte,
welche mit einem elaſtiſchen Stiel an die Spindel angewachſen iſt. Zieht das Thier ſich tiefer in
das Gehäus zurück, ſo legt ſich das Knöchelchen vermöge der Federung des Stielchens als Deckel
vor; tritt die Schnecke dagegen hervor, ſo wird die Platte in eine entſprechende Vertiefung an
die Spindel gedrückt. Von den Clauſilien kennt man faſt 400 lebende Arten. Sie ſind ſchon
im mittleren Deutſchland verbreitet, das Clauſilienland par excellence iſt aber Dalmatien, wo
man einige der gemeineren Arten auf Schritt und Tritt an den Felſen und trockenen Mauern
findet. Am häufigſten aber ſind ſie in der Nähe der ſparſamen Gewäſſer und Quellen dieſer
ſteinreichen Provinz. Obwohl alle Landſchnecken auch außer ihrer Schlafzeit, wenn ſie verpackt
ſind und aus Mangel an Nahrung Monate lang in ihrem Gehäus zurückgezogen und gegen die
Außenwelt gewöhnlich durch eine dünne Deckelhaut abgeſchloſſen ohne Nachtheil für ihr Leben aus-
dauern können, ſo zeichnen ſich doch beſonders die Clauſilien durch ihre Zähigkeit aus. Wohl
verbürgt iſt, daß die im Mai in Dalmatien geſammelten Exemplare von Clausilia almissana erſt im
Herbſt des folgenden Jahres wieder auferweckt wurden. Doch auch eine große Bulimus-Art,
welche von Valparaiſo nach London gebracht wurde, in Watte gewickelt und in eine Schachtel
eingepackt, lebte nach einem Schlaf von 20 Monaten wieder auf. Von verſchiedenen ſüdlichen
Helix-Arten wird ähnliches berichtet.
Jn der Familie der Limaceen (Limacea) können wir alle diejenigen Lungenſchnecken ver-
einigen, welche den Eindruck von „Nacktſchnecken“ machen, alſo in der That entweder ganz
[Abbildung Wegeſchnecke (Limax rufus).]
ſchalenlos ſind, oder verborgen im Mantelſchilde auf der vorderen Rückengegend eine kleine Kalk-
platte beſitzen oder endlich auch ein kleines, aber nur den geringſten Theil des Körpers bedeckendes
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 800. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/846>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.