daraus hervor, daß dieselben Bedingungen, welche den heutigen Plateau-Schnecken von Algier ihr besonderes Gepräge geben, schon in jener vorweltlichen Periode ihren Einfluß geltend machten und ohne Unterbrechung fortgedauert haben.
Zu beiden Seiten der Hochebenen finden sich also zwei lange Zonen mit einer anderen Schneckenthierwelt, welche Bourguignat Berg-Faunen nennt, weil sie durchaus den Reihen von Höhen und Erhebungen entspricht, welche sich von Marokko nach Tunis fast gleichlaufend mit den Hochebenen hinziehen. Die Ausdehnung und natürliche Beschaffenheit dieser Bergländer bringen es mit sich, daß ihre Thierwelt die reichste ist, gegen welche die Molluskenfauna der übrigen Zonen fast ganz zurücktritt. Jndem Thäler und Höhen, Waldungen und Wiesen, Kalk- und Granitboden mit einander abwechseln, herrscht zwar eine große Manchfaltigkeit unter diesen Schnecken, und namentlich lassen sich die Thalbewohner den die Höhen liebenden Arten gegenüber- stellen; wie sich aber jene natürlichen Verhältnisse auf beiden Seiten wiederholen, finden sich auch in beiden Parallel-Zonen dieselben charakteristischen Arten, vorherrschend Helix und Arten des fleischfressenden Zonites. Die in den Thälern oder am Fuße der Gebirge lebenden Arten haben in der Regel ein kalkiges Aussehen, eine weiße, mehr oder weniger gebänderte oder getipfelte Schale, oder auch durchscheinendes, zerbrechliches, oft rauhes Gehäus. Diejenigen aber der Höhen und der hochliegenden Wälder und Dickichte sind fast immer nur mittelgroß und haben eine dünne, durchscheinende, mitunter gekielte Schale, an deren Mündung ein besonderer Rand in der Regel nur in geringem Grade entwickelt ist.
Was die dritte Gruppe betrifft, so macht der französische Naturforscher darauf aufmerksam, daß er längs der Ufer des gesammten Mittelmeeres gewisse Schnecken und zwar fast ausschließlich Lungenschnecken fand, die eben keiner Fauna, keinem Lande besonders anzugehören scheinen. Sie kommen nur längs der Küsten und Riffe, nur in solchen Gegenden vor, wo der Einfluß des Meeres sich geltend macht, oder auch in solchen, welche einst Meeresufer gewesen sind. Findet man sie ausnahmsweise tiefer im Jnnern, so sind sie sicher einem Thale oder Wasserlaufe gefolgt, in welchem das Meer noch seinen Einfluß ausübt; ihre Ausbreitung hat ihre Gränze, wo dieser Einfluß aufhört. Jndem Bourguignat der Hypothese der Schöpfungsmittelpunkte huldigt, unterscheidet er von den kosmopolitischen Arten, nämlich von solchen, welche an der ganzen Mittel- meerküste sich verbreitet haben, diejenigen, welche ihr Schöpfungsgebiet nicht überschreiten, z. B. für unseren Fall die Helix lactea. Diese Schnecke, welche für das große spanische Centrum charakteristisch ist, findet sich fast im ganzen Umkreis dieses sogenannten Schöpfungscentrums, von Tunesien, Algier und Marokko an bis zu den östlichen Pyrenäen. Jn Algier nun lebten diese beiden Sorten von Gestadeschnecken nicht nur an der ganzen mittelmeerischen Küste, sondern auch an der Nordgrenze der Sahara am Fuße der zweiten Atlaskette und sogar an den Rändern der Hochplateaus. Diese unläugbare zoologische Thatsache beweist, daß da, wo sich eine Reihe solcher Uferarten finden, einst Meeresgestade sein mußte. Obwohl noch andere Thatsachen auf den einstigen Zusammenhang Spaniens mit Nordafrika hinweisen, ist kein anderer Umstand so über- zeugend, nämlich für diejenigen Naturforscher, welche die vielmalige Schöpfung einer und derselben Art an verschiedenen Orten ausschließen, als die oben dargestellte Verbreitung der Lungenschnecken.
Beim Beginn der gegenwärtigen Epoche unseres Erdtheiles, als die jetzt lebenden Arten, nach Bourguignat's und Keferstein's Ansichten eben geschaffen waren, nach unserer Meinung sich schon zu ihrem noch heutigen Aussehen entwickelt hatten, war der Norden Afrikas eine zu Spanien gehörige Halbinsel; eine Meerenge von Gibraltar gab es nicht, und das Mittelmeer hing mit dem Ocean durch die große Wüste zusammen, damals ein weites Meer. Zu dieser Zeit waren auch die Hochebenen von Algier von großen salzigen Binnenseen eingenommen, welche nach und nach ausgetrocknet sind und ihr jetziges Aussehen angenommen haben. Während des allmäligen Austrocknens ging auch die Akklimatisation jener Uferschnecken vor sich. Daß diese
Lungenſchnecken.
daraus hervor, daß dieſelben Bedingungen, welche den heutigen Plateau-Schnecken von Algier ihr beſonderes Gepräge geben, ſchon in jener vorweltlichen Periode ihren Einfluß geltend machten und ohne Unterbrechung fortgedauert haben.
Zu beiden Seiten der Hochebenen finden ſich alſo zwei lange Zonen mit einer anderen Schneckenthierwelt, welche Bourguignat Berg-Faunen nennt, weil ſie durchaus den Reihen von Höhen und Erhebungen entſpricht, welche ſich von Marokko nach Tunis faſt gleichlaufend mit den Hochebenen hinziehen. Die Ausdehnung und natürliche Beſchaffenheit dieſer Bergländer bringen es mit ſich, daß ihre Thierwelt die reichſte iſt, gegen welche die Molluskenfauna der übrigen Zonen faſt ganz zurücktritt. Jndem Thäler und Höhen, Waldungen und Wieſen, Kalk- und Granitboden mit einander abwechſeln, herrſcht zwar eine große Manchfaltigkeit unter dieſen Schnecken, und namentlich laſſen ſich die Thalbewohner den die Höhen liebenden Arten gegenüber- ſtellen; wie ſich aber jene natürlichen Verhältniſſe auf beiden Seiten wiederholen, finden ſich auch in beiden Parallel-Zonen dieſelben charakteriſtiſchen Arten, vorherrſchend Helix und Arten des fleiſchfreſſenden Zonites. Die in den Thälern oder am Fuße der Gebirge lebenden Arten haben in der Regel ein kalkiges Ausſehen, eine weiße, mehr oder weniger gebänderte oder getipfelte Schale, oder auch durchſcheinendes, zerbrechliches, oft rauhes Gehäus. Diejenigen aber der Höhen und der hochliegenden Wälder und Dickichte ſind faſt immer nur mittelgroß und haben eine dünne, durchſcheinende, mitunter gekielte Schale, an deren Mündung ein beſonderer Rand in der Regel nur in geringem Grade entwickelt iſt.
Was die dritte Gruppe betrifft, ſo macht der franzöſiſche Naturforſcher darauf aufmerkſam, daß er längs der Ufer des geſammten Mittelmeeres gewiſſe Schnecken und zwar faſt ausſchließlich Lungenſchnecken fand, die eben keiner Fauna, keinem Lande beſonders anzugehören ſcheinen. Sie kommen nur längs der Küſten und Riffe, nur in ſolchen Gegenden vor, wo der Einfluß des Meeres ſich geltend macht, oder auch in ſolchen, welche einſt Meeresufer geweſen ſind. Findet man ſie ausnahmsweiſe tiefer im Jnnern, ſo ſind ſie ſicher einem Thale oder Waſſerlaufe gefolgt, in welchem das Meer noch ſeinen Einfluß ausübt; ihre Ausbreitung hat ihre Gränze, wo dieſer Einfluß aufhört. Jndem Bourguignat der Hypotheſe der Schöpfungsmittelpunkte huldigt, unterſcheidet er von den kosmopolitiſchen Arten, nämlich von ſolchen, welche an der ganzen Mittel- meerküſte ſich verbreitet haben, diejenigen, welche ihr Schöpfungsgebiet nicht überſchreiten, z. B. für unſeren Fall die Helix lactea. Dieſe Schnecke, welche für das große ſpaniſche Centrum charakteriſtiſch iſt, findet ſich faſt im ganzen Umkreis dieſes ſogenannten Schöpfungscentrums, von Tuneſien, Algier und Marokko an bis zu den öſtlichen Pyrenäen. Jn Algier nun lebten dieſe beiden Sorten von Geſtadeſchnecken nicht nur an der ganzen mittelmeeriſchen Küſte, ſondern auch an der Nordgrenze der Sahara am Fuße der zweiten Atlaskette und ſogar an den Rändern der Hochplateaus. Dieſe unläugbare zoologiſche Thatſache beweiſt, daß da, wo ſich eine Reihe ſolcher Uferarten finden, einſt Meeresgeſtade ſein mußte. Obwohl noch andere Thatſachen auf den einſtigen Zuſammenhang Spaniens mit Nordafrika hinweiſen, iſt kein anderer Umſtand ſo über- zeugend, nämlich für diejenigen Naturforſcher, welche die vielmalige Schöpfung einer und derſelben Art an verſchiedenen Orten ausſchließen, als die oben dargeſtellte Verbreitung der Lungenſchnecken.
Beim Beginn der gegenwärtigen Epoche unſeres Erdtheiles, als die jetzt lebenden Arten, nach Bourguignat’s und Keferſtein’s Anſichten eben geſchaffen waren, nach unſerer Meinung ſich ſchon zu ihrem noch heutigen Ausſehen entwickelt hatten, war der Norden Afrikas eine zu Spanien gehörige Halbinſel; eine Meerenge von Gibraltar gab es nicht, und das Mittelmeer hing mit dem Ocean durch die große Wüſte zuſammen, damals ein weites Meer. Zu dieſer Zeit waren auch die Hochebenen von Algier von großen ſalzigen Binnenſeen eingenommen, welche nach und nach ausgetrocknet ſind und ihr jetziges Ausſehen angenommen haben. Während des allmäligen Austrocknens ging auch die Akklimatiſation jener Uferſchnecken vor ſich. Daß dieſe
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[810/0858]
Lungenſchnecken.
daraus hervor, daß dieſelben Bedingungen, welche den heutigen Plateau-Schnecken von Algier ihr
beſonderes Gepräge geben, ſchon in jener vorweltlichen Periode ihren Einfluß geltend machten und
ohne Unterbrechung fortgedauert haben.
Zu beiden Seiten der Hochebenen finden ſich alſo zwei lange Zonen mit einer anderen
Schneckenthierwelt, welche Bourguignat Berg-Faunen nennt, weil ſie durchaus den Reihen von
Höhen und Erhebungen entſpricht, welche ſich von Marokko nach Tunis faſt gleichlaufend mit
den Hochebenen hinziehen. Die Ausdehnung und natürliche Beſchaffenheit dieſer Bergländer
bringen es mit ſich, daß ihre Thierwelt die reichſte iſt, gegen welche die Molluskenfauna der
übrigen Zonen faſt ganz zurücktritt. Jndem Thäler und Höhen, Waldungen und Wieſen, Kalk-
und Granitboden mit einander abwechſeln, herrſcht zwar eine große Manchfaltigkeit unter dieſen
Schnecken, und namentlich laſſen ſich die Thalbewohner den die Höhen liebenden Arten gegenüber-
ſtellen; wie ſich aber jene natürlichen Verhältniſſe auf beiden Seiten wiederholen, finden ſich auch
in beiden Parallel-Zonen dieſelben charakteriſtiſchen Arten, vorherrſchend Helix und Arten des
fleiſchfreſſenden Zonites. Die in den Thälern oder am Fuße der Gebirge lebenden Arten haben
in der Regel ein kalkiges Ausſehen, eine weiße, mehr oder weniger gebänderte oder getipfelte
Schale, oder auch durchſcheinendes, zerbrechliches, oft rauhes Gehäus. Diejenigen aber der Höhen
und der hochliegenden Wälder und Dickichte ſind faſt immer nur mittelgroß und haben eine dünne,
durchſcheinende, mitunter gekielte Schale, an deren Mündung ein beſonderer Rand in der Regel
nur in geringem Grade entwickelt iſt.
Was die dritte Gruppe betrifft, ſo macht der franzöſiſche Naturforſcher darauf aufmerkſam,
daß er längs der Ufer des geſammten Mittelmeeres gewiſſe Schnecken und zwar faſt ausſchließlich
Lungenſchnecken fand, die eben keiner Fauna, keinem Lande beſonders anzugehören ſcheinen. Sie
kommen nur längs der Küſten und Riffe, nur in ſolchen Gegenden vor, wo der Einfluß des
Meeres ſich geltend macht, oder auch in ſolchen, welche einſt Meeresufer geweſen ſind. Findet
man ſie ausnahmsweiſe tiefer im Jnnern, ſo ſind ſie ſicher einem Thale oder Waſſerlaufe gefolgt,
in welchem das Meer noch ſeinen Einfluß ausübt; ihre Ausbreitung hat ihre Gränze, wo dieſer
Einfluß aufhört. Jndem Bourguignat der Hypotheſe der Schöpfungsmittelpunkte huldigt,
unterſcheidet er von den kosmopolitiſchen Arten, nämlich von ſolchen, welche an der ganzen Mittel-
meerküſte ſich verbreitet haben, diejenigen, welche ihr Schöpfungsgebiet nicht überſchreiten, z. B.
für unſeren Fall die Helix lactea. Dieſe Schnecke, welche für das große ſpaniſche Centrum
charakteriſtiſch iſt, findet ſich faſt im ganzen Umkreis dieſes ſogenannten Schöpfungscentrums, von
Tuneſien, Algier und Marokko an bis zu den öſtlichen Pyrenäen. Jn Algier nun lebten dieſe
beiden Sorten von Geſtadeſchnecken nicht nur an der ganzen mittelmeeriſchen Küſte, ſondern auch
an der Nordgrenze der Sahara am Fuße der zweiten Atlaskette und ſogar an den Rändern der
Hochplateaus. Dieſe unläugbare zoologiſche Thatſache beweiſt, daß da, wo ſich eine Reihe ſolcher
Uferarten finden, einſt Meeresgeſtade ſein mußte. Obwohl noch andere Thatſachen auf den
einſtigen Zuſammenhang Spaniens mit Nordafrika hinweiſen, iſt kein anderer Umſtand ſo über-
zeugend, nämlich für diejenigen Naturforſcher, welche die vielmalige Schöpfung einer und derſelben
Art an verſchiedenen Orten ausſchließen, als die oben dargeſtellte Verbreitung der Lungenſchnecken.
Beim Beginn der gegenwärtigen Epoche unſeres Erdtheiles, als die jetzt lebenden Arten, nach
Bourguignat’s und Keferſtein’s Anſichten eben geſchaffen waren, nach unſerer Meinung
ſich ſchon zu ihrem noch heutigen Ausſehen entwickelt hatten, war der Norden Afrikas eine zu
Spanien gehörige Halbinſel; eine Meerenge von Gibraltar gab es nicht, und das Mittelmeer
hing mit dem Ocean durch die große Wüſte zuſammen, damals ein weites Meer. Zu dieſer Zeit
waren auch die Hochebenen von Algier von großen ſalzigen Binnenſeen eingenommen, welche nach
und nach ausgetrocknet ſind und ihr jetziges Ausſehen angenommen haben. Während des
allmäligen Austrocknens ging auch die Akklimatiſation jener Uferſchnecken vor ſich. Daß dieſe
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 810. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/858>, abgerufen am 23.11.2024.
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