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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Vorderkiemer. Kammkiemer. Paludinaceen.
ist nachgewiesen, daß durch die Niere reines Wasser in das Blut aufgenommen werden kann.
Jn unserem Falle sehen wir diese Nierenöffnung in e. Jm Zusammenhange mit dieser Verbindung
der inneren größeren venösen Bluträume mit der Außenwelt steht eine Einrichtung, welche das
auszeichnete Schwellvermögen des Fußes vieler Weichthiere und auch der meisten Vorderkiemer
erklärt und deren Kenntniß für die richtige Auffassung verschiedener Formveränderungen und
Bewegungen dieser Thiere unentbehrlich ist. Jm Fuße einer ganzen Reihe von Gattungen ist eine
Oeffnung entdeckt, welche in ein weit verzweigtes Kanalsystem dieses Körpertheiles führt und von
dort aus auch mit der venösen Körperbluthöhle communicirt. Beim Entwickeln des Fußes aus
dem Gehäuse wird durch jene Oeffnung Wasser in denselben aufgenommen und dadurch ist es
möglich, daß er eine Ausdehnung annimmt, welche mit der Weite des Gehäuses in keinem Ver-
hältniß steht. Beim Zurückziehen des Fußes fließt das Wasser einfach wieder aus. Einen ent-
scheidenden Versuch darüber machte Agassiz u. a. mit der großen Natica heros. Setzte er ein
Exemplar dieser Schnecke mit eingezogenem Fuße in ein bis an den Rand gefülltes Glas Wasser,
so entfaltete das Thier den ganzen Fuß, ohne die geringste Niveauänderung des Wassers. Die
Entfaltung konnte also nicht etwa geschehn durch eine bloße mit Volumenvergrößerung verbundene
Ausdehnung der Körpergewebe, sondern der Fuß mußte sich wie ein Schwamm voll Wasser
saugen und konnte nur dadurch zu seiner erstaunlichen Größe anschwellen. Ganz dieselben Resultate
ergaben zahlreiche Versuche mit Schnecken und Muscheln, die in graduirten Glasröhren beobachtet
wurden und bei deren Bewegungen unter Wasser nie ein das Ausstoßen und Einziehen begleitendes
Steigen oder Fallen des Wassers sich zeigte. Wir empfehlen zu diesem eben so einfachen als
interessanten und lehrreichen Experiment unsere größeren Fluß- und Teichmuscheln.

Die Masse der hierhergehörigen Thiere -- etwa 8000 lebende Arten -- ist so groß, daß man
die Familien in einige untergeordnete Gruppen oder Unterordnungen zusammenzustellen genöthigt
ist, leider wiederum von sehr ungleicher Ausdehnung. Die Mehrzahl, zu der wir uns zunächst
wenden, bilden die Kammkiemer (Ctenobranchiata). Wir werden uns bei den allgemeinen
Angaben über diese und die folgenden Gruppen an die auf der umfassendsten Berücksichtigung der
wissenschaftlichen Ergebnisse fußende Darstellung von Keferstein halten und meist wörtlich seinen
oder Philippi's Charakteristiken folgen.

Bei allen Kammkiemern liegt die Athemhöhle auf dem Nacken und enthält eine große Kieme,
neben welcher sich noch eine kleinere, rudimentäre, die Nebenkieme, befindet. Vorn an der linken
Seite streckt sich bei vielen Kammkiemern der Mantel als eine unten ausgehöhlte Rinne,
Athemsipho oder Athemröhre vor und leitet das Wasser in die Athemhöhle, bei anderen fehlt ein
solcher Fortsatz. Der leichteren Uebersicht halber empfiehlt es sich, die Familien mit und ohne
Athemsipho zusammenzustellen, zumal man dafür auch an der Schale ein Kennzeichen hat. Diese
besitzt nämlich, falls eine Athemröhre vorhanden, an der Mündung einen röhrenförmigen Fortsatz
oder einen Ausschnitt. Die Geschlechter sind immer getrennt und sind die Männchen meist an
den an der rechten Seite des Halses weit hervorragenden Begattungswerkzeugen zu erkennen.

Unsere Thiere sind theils Pflanzen- theils Fleischfresser, letztere meist durch den Besitz eines
Rüssels und eines Athemsiphos ausgezeichnet. Wir beginnen mit den Familien, deren Schalen-
mündung ohne Ausschnitt oder Kanal ist, und welche meistens Pflanzenfresser sind. Jn wie fern
die Reibemembran für die einzelnen Familien und Familiengruppen charakteristisch, soll an einzelnen
Arten erläutert werden.

Bei den Paludinaceen (Paludinacea) hat das Thier eine kurze, nicht zurückziehbare Schnauze,
zwei lange und schlanke Fühler, an deren Grunde außen die Augen sitzen. Die Reibemembran
ist lang und schlank und liegt zum Theil in der Höhle für die Eingeweide; sie trägt in der
Mittellinie eine Reihe Zähne und jederseits drei Reihen Haken. Alle Schnecken mit so beschaffener
Zunge werden Bandzüngler (Taenioglossa) genannt.

Vorderkiemer. Kammkiemer. Paludinaceen.
iſt nachgewieſen, daß durch die Niere reines Waſſer in das Blut aufgenommen werden kann.
Jn unſerem Falle ſehen wir dieſe Nierenöffnung in e. Jm Zuſammenhange mit dieſer Verbindung
der inneren größeren venöſen Bluträume mit der Außenwelt ſteht eine Einrichtung, welche das
auszeichnete Schwellvermögen des Fußes vieler Weichthiere und auch der meiſten Vorderkiemer
erklärt und deren Kenntniß für die richtige Auffaſſung verſchiedener Formveränderungen und
Bewegungen dieſer Thiere unentbehrlich iſt. Jm Fuße einer ganzen Reihe von Gattungen iſt eine
Oeffnung entdeckt, welche in ein weit verzweigtes Kanalſyſtem dieſes Körpertheiles führt und von
dort aus auch mit der venöſen Körperbluthöhle communicirt. Beim Entwickeln des Fußes aus
dem Gehäuſe wird durch jene Oeffnung Waſſer in denſelben aufgenommen und dadurch iſt es
möglich, daß er eine Ausdehnung annimmt, welche mit der Weite des Gehäuſes in keinem Ver-
hältniß ſteht. Beim Zurückziehen des Fußes fließt das Waſſer einfach wieder aus. Einen ent-
ſcheidenden Verſuch darüber machte Agaſſiz u. a. mit der großen Natica heros. Setzte er ein
Exemplar dieſer Schnecke mit eingezogenem Fuße in ein bis an den Rand gefülltes Glas Waſſer,
ſo entfaltete das Thier den ganzen Fuß, ohne die geringſte Niveauänderung des Waſſers. Die
Entfaltung konnte alſo nicht etwa geſchehn durch eine bloße mit Volumenvergrößerung verbundene
Ausdehnung der Körpergewebe, ſondern der Fuß mußte ſich wie ein Schwamm voll Waſſer
ſaugen und konnte nur dadurch zu ſeiner erſtaunlichen Größe anſchwellen. Ganz dieſelben Reſultate
ergaben zahlreiche Verſuche mit Schnecken und Muſcheln, die in graduirten Glasröhren beobachtet
wurden und bei deren Bewegungen unter Waſſer nie ein das Ausſtoßen und Einziehen begleitendes
Steigen oder Fallen des Waſſers ſich zeigte. Wir empfehlen zu dieſem eben ſo einfachen als
intereſſanten und lehrreichen Experiment unſere größeren Fluß- und Teichmuſcheln.

Die Maſſe der hierhergehörigen Thiere — etwa 8000 lebende Arten — iſt ſo groß, daß man
die Familien in einige untergeordnete Gruppen oder Unterordnungen zuſammenzuſtellen genöthigt
iſt, leider wiederum von ſehr ungleicher Ausdehnung. Die Mehrzahl, zu der wir uns zunächſt
wenden, bilden die Kammkiemer (Ctenobranchiata). Wir werden uns bei den allgemeinen
Angaben über dieſe und die folgenden Gruppen an die auf der umfaſſendſten Berückſichtigung der
wiſſenſchaftlichen Ergebniſſe fußende Darſtellung von Keferſtein halten und meiſt wörtlich ſeinen
oder Philippi’s Charakteriſtiken folgen.

Bei allen Kammkiemern liegt die Athemhöhle auf dem Nacken und enthält eine große Kieme,
neben welcher ſich noch eine kleinere, rudimentäre, die Nebenkieme, befindet. Vorn an der linken
Seite ſtreckt ſich bei vielen Kammkiemern der Mantel als eine unten ausgehöhlte Rinne,
Athemſipho oder Athemröhre vor und leitet das Waſſer in die Athemhöhle, bei anderen fehlt ein
ſolcher Fortſatz. Der leichteren Ueberſicht halber empfiehlt es ſich, die Familien mit und ohne
Athemſipho zuſammenzuſtellen, zumal man dafür auch an der Schale ein Kennzeichen hat. Dieſe
beſitzt nämlich, falls eine Athemröhre vorhanden, an der Mündung einen röhrenförmigen Fortſatz
oder einen Ausſchnitt. Die Geſchlechter ſind immer getrennt und ſind die Männchen meiſt an
den an der rechten Seite des Halſes weit hervorragenden Begattungswerkzeugen zu erkennen.

Unſere Thiere ſind theils Pflanzen- theils Fleiſchfreſſer, letztere meiſt durch den Beſitz eines
Rüſſels und eines Athemſiphos ausgezeichnet. Wir beginnen mit den Familien, deren Schalen-
mündung ohne Ausſchnitt oder Kanal iſt, und welche meiſtens Pflanzenfreſſer ſind. Jn wie fern
die Reibemembran für die einzelnen Familien und Familiengruppen charakteriſtiſch, ſoll an einzelnen
Arten erläutert werden.

Bei den Paludinaceen (Paludinacea) hat das Thier eine kurze, nicht zurückziehbare Schnauze,
zwei lange und ſchlanke Fühler, an deren Grunde außen die Augen ſitzen. Die Reibemembran
iſt lang und ſchlank und liegt zum Theil in der Höhle für die Eingeweide; ſie trägt in der
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[816/0864] Vorderkiemer. Kammkiemer. Paludinaceen. iſt nachgewieſen, daß durch die Niere reines Waſſer in das Blut aufgenommen werden kann. Jn unſerem Falle ſehen wir dieſe Nierenöffnung in e. Jm Zuſammenhange mit dieſer Verbindung der inneren größeren venöſen Bluträume mit der Außenwelt ſteht eine Einrichtung, welche das auszeichnete Schwellvermögen des Fußes vieler Weichthiere und auch der meiſten Vorderkiemer erklärt und deren Kenntniß für die richtige Auffaſſung verſchiedener Formveränderungen und Bewegungen dieſer Thiere unentbehrlich iſt. Jm Fuße einer ganzen Reihe von Gattungen iſt eine Oeffnung entdeckt, welche in ein weit verzweigtes Kanalſyſtem dieſes Körpertheiles führt und von dort aus auch mit der venöſen Körperbluthöhle communicirt. Beim Entwickeln des Fußes aus dem Gehäuſe wird durch jene Oeffnung Waſſer in denſelben aufgenommen und dadurch iſt es möglich, daß er eine Ausdehnung annimmt, welche mit der Weite des Gehäuſes in keinem Ver- hältniß ſteht. Beim Zurückziehen des Fußes fließt das Waſſer einfach wieder aus. Einen ent- ſcheidenden Verſuch darüber machte Agaſſiz u. a. mit der großen Natica heros. Setzte er ein Exemplar dieſer Schnecke mit eingezogenem Fuße in ein bis an den Rand gefülltes Glas Waſſer, ſo entfaltete das Thier den ganzen Fuß, ohne die geringſte Niveauänderung des Waſſers. Die Entfaltung konnte alſo nicht etwa geſchehn durch eine bloße mit Volumenvergrößerung verbundene Ausdehnung der Körpergewebe, ſondern der Fuß mußte ſich wie ein Schwamm voll Waſſer ſaugen und konnte nur dadurch zu ſeiner erſtaunlichen Größe anſchwellen. Ganz dieſelben Reſultate ergaben zahlreiche Verſuche mit Schnecken und Muſcheln, die in graduirten Glasröhren beobachtet wurden und bei deren Bewegungen unter Waſſer nie ein das Ausſtoßen und Einziehen begleitendes Steigen oder Fallen des Waſſers ſich zeigte. Wir empfehlen zu dieſem eben ſo einfachen als intereſſanten und lehrreichen Experiment unſere größeren Fluß- und Teichmuſcheln. Die Maſſe der hierhergehörigen Thiere — etwa 8000 lebende Arten — iſt ſo groß, daß man die Familien in einige untergeordnete Gruppen oder Unterordnungen zuſammenzuſtellen genöthigt iſt, leider wiederum von ſehr ungleicher Ausdehnung. Die Mehrzahl, zu der wir uns zunächſt wenden, bilden die Kammkiemer (Ctenobranchiata). Wir werden uns bei den allgemeinen Angaben über dieſe und die folgenden Gruppen an die auf der umfaſſendſten Berückſichtigung der wiſſenſchaftlichen Ergebniſſe fußende Darſtellung von Keferſtein halten und meiſt wörtlich ſeinen oder Philippi’s Charakteriſtiken folgen. Bei allen Kammkiemern liegt die Athemhöhle auf dem Nacken und enthält eine große Kieme, neben welcher ſich noch eine kleinere, rudimentäre, die Nebenkieme, befindet. Vorn an der linken Seite ſtreckt ſich bei vielen Kammkiemern der Mantel als eine unten ausgehöhlte Rinne, Athemſipho oder Athemröhre vor und leitet das Waſſer in die Athemhöhle, bei anderen fehlt ein ſolcher Fortſatz. Der leichteren Ueberſicht halber empfiehlt es ſich, die Familien mit und ohne Athemſipho zuſammenzuſtellen, zumal man dafür auch an der Schale ein Kennzeichen hat. Dieſe beſitzt nämlich, falls eine Athemröhre vorhanden, an der Mündung einen röhrenförmigen Fortſatz oder einen Ausſchnitt. Die Geſchlechter ſind immer getrennt und ſind die Männchen meiſt an den an der rechten Seite des Halſes weit hervorragenden Begattungswerkzeugen zu erkennen. Unſere Thiere ſind theils Pflanzen- theils Fleiſchfreſſer, letztere meiſt durch den Beſitz eines Rüſſels und eines Athemſiphos ausgezeichnet. Wir beginnen mit den Familien, deren Schalen- mündung ohne Ausſchnitt oder Kanal iſt, und welche meiſtens Pflanzenfreſſer ſind. Jn wie fern die Reibemembran für die einzelnen Familien und Familiengruppen charakteriſtiſch, ſoll an einzelnen Arten erläutert werden. Bei den Paludinaceen (Paludinacea) hat das Thier eine kurze, nicht zurückziehbare Schnauze, zwei lange und ſchlanke Fühler, an deren Grunde außen die Augen ſitzen. Die Reibemembran iſt lang und ſchlank und liegt zum Theil in der Höhle für die Eingeweide; ſie trägt in der Mittellinie eine Reihe Zähne und jederſeits drei Reihen Haken. Alle Schnecken mit ſo beſchaffener Zunge werden Bandzüngler (Taenioglossa) genannt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 816. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/864>, abgerufen am 23.11.2024.