dann auf die rechte Seite, wo sich allmälig eine Vertiefung zu ihrer Aufnahme, eine seichte Kiemenhöhle mit noch weiter Oeffnung bildet. Anderntheils entwickelt sich die Spiralschale zum Schutze und zur Aufnahme des Thieres immer mehr, indem sie aus einer rudimentären, inneren hornigen eine äußere wird."
Wir haben durch diese treffenden Worte unserer Darstellung vorgegriffen. Sie drücken das Nesultat einer genauen Musterung der ganzen Reihe der Hinterkiemer aus, wenn man, wie naturgemäß, mit den niedriger organisirten beginnt. Nach der Anlage dieses Werkes ist uns leider dieser Gang nicht erlaubt, wir haben aber auch hier nicht unterlassen wollen, darauf hin- zuweisen, wie zur eigentlichen geistigen Durchdringung dieses Theiles der lebenden Welt das Aufsteigen vom Niederen zum Höheren eine innere Nothwendigkeit ist. Jene höheren Hinterkiemer, deren Kiemen "unter dem Mantelrande Schutz gesucht" haben, kann man Deckkiemer oder Seitenkiemer nennen. Der erste Name ist vorzuziehen, indem bei allen Familien dieser Abtheilung die Kiemen mehr oder weniger bedeckt, aber nur bei einer entschieden an der Seite liegen.
Die Familie der Bullaceen besteht aus Gattungen, bei welchen die Kiemen auf dem Rücken sitzen und vom Mantel bedeckt werden. Fast alle besitzen eine äußere Schale, oft so groß, daß sich das Thier vollständig darin bergen kann. Wir haben an den europäischen Küsten einige ausgezeichnete Repräsentanten und wollen zuerst an der gemeinen Kugelschnecke (Acera bullata) der Ost- und Nordsee und des Mittelmeeres ihre Eigenthümlichkeiten kennen lernen. Unser Führer ist das Prachtwerk, welches Meyer und Möbius über die Hinterkiemer der Kieler Bucht vor einigen Jahren herausgegeben, und dessen Wort und Bild wir unten über die Nacktkiemer vielfach benutzen werden*).
Das Thier von Acera ist fast walzenförmig verlängert; der Kopf ist niedergedrückt und vorn abgestumpft. Der Fuß hat große abgerundete Lappen, welche den größten Theil der Schale bedecken können. Am Hinterende des Mantels ist ein fadenförmiger Anhang. Dieser Faden entspringt von dem Mantelrande, tritt aus dem hinteren Schalenspalt hervor und kann sich ausdehnen und zusammenziehen. Ueber seinen Nutzen liegen keine Beobachtungen vor. Jedenfalls erinnert er an den Schwanzanhang der Pterotracheen. Die Schale ist dünn, hornartig, elastisch und eiförmig. Die großen Exemplare vorliegender Art strecken sich beim Kriechen bis auf 20 Linien Länge aus. Jhr mächtig entwickelter Fuß dient nicht bloß zum Kriechen, sondern auch zum freien Schwimmen. Ruht das Thier am Boden oder kriecht es, so sind die freien Seitenplatten des Fußes in die Höhe geschlagen und bedecken nicht nur die Seiten des Körpers, sondern auch den Mittelrücken und einen Theil der Schale; ja ihre Ränder legen sich noch übereinander. Wenn man die Schnecke aus dem Wasser nimmt oder sie beunruhigt, so verkürzt sie den ganzen Körper so sehr, daß ihn der Fuß ganz umhüllen kann. Dann bildet das ganze Thier eine weiche schleimige Kugel, aus welcher der schützend zusammengezogene Fuß weiter nichts als nur noch ein kleines Dreieck von der Schale hervorsehen läßt. Daher ihr Name.
*) Man hätte denken sollen, daß diese beschränkte Lokalität eines schon salzarmen Meeres, weder durch Küstenentwicklung noch durch Strömungen und andere, der Thierwelt günstige Bedingungen bevorzugt, keine besondere und anziehende Ausbeute geben würde. Ganz das Gegentheil! Die beiden Naturforscher haben zuerst alle physikalischen Verhältnisse der Kieler Bucht, soweit sie irgend einen Ein- fluß auf das Thierleben ausüben, gründlichst untersucht und ein höchst anziehendes und lehrreiches Bild der Küstenbeschaffenheit, des Grundes, der Zusammensetzung und Temperatur des Wassers u. s. w. gegeben. Sie belehren uns, indem sie uns an den Schleppnetzerkursionen Theil nehmen lassen, wie die Vertheilung der Thiere statt hat, und von welchen Umständen sie abhängt, welche Pflanzen vorherrschen und wie die Thiere sich auf diesem Bezirk, wo die größten Tiefen 10 Faden betragen, nach wohl- geschiedenen Regionen sondern.
Allgemeines. Kugelſchnecke.
dann auf die rechte Seite, wo ſich allmälig eine Vertiefung zu ihrer Aufnahme, eine ſeichte Kiemenhöhle mit noch weiter Oeffnung bildet. Anderntheils entwickelt ſich die Spiralſchale zum Schutze und zur Aufnahme des Thieres immer mehr, indem ſie aus einer rudimentären, inneren hornigen eine äußere wird.“
Wir haben durch dieſe treffenden Worte unſerer Darſtellung vorgegriffen. Sie drücken das Neſultat einer genauen Muſterung der ganzen Reihe der Hinterkiemer aus, wenn man, wie naturgemäß, mit den niedriger organiſirten beginnt. Nach der Anlage dieſes Werkes iſt uns leider dieſer Gang nicht erlaubt, wir haben aber auch hier nicht unterlaſſen wollen, darauf hin- zuweiſen, wie zur eigentlichen geiſtigen Durchdringung dieſes Theiles der lebenden Welt das Aufſteigen vom Niederen zum Höheren eine innere Nothwendigkeit iſt. Jene höheren Hinterkiemer, deren Kiemen „unter dem Mantelrande Schutz geſucht“ haben, kann man Deckkiemer oder Seitenkiemer nennen. Der erſte Name iſt vorzuziehen, indem bei allen Familien dieſer Abtheilung die Kiemen mehr oder weniger bedeckt, aber nur bei einer entſchieden an der Seite liegen.
Die Familie der Bullaceen beſteht aus Gattungen, bei welchen die Kiemen auf dem Rücken ſitzen und vom Mantel bedeckt werden. Faſt alle beſitzen eine äußere Schale, oft ſo groß, daß ſich das Thier vollſtändig darin bergen kann. Wir haben an den europäiſchen Küſten einige ausgezeichnete Repräſentanten und wollen zuerſt an der gemeinen Kugelſchnecke (Acera bullata) der Oſt- und Nordſee und des Mittelmeeres ihre Eigenthümlichkeiten kennen lernen. Unſer Führer iſt das Prachtwerk, welches Meyer und Möbius über die Hinterkiemer der Kieler Bucht vor einigen Jahren herausgegeben, und deſſen Wort und Bild wir unten über die Nacktkiemer vielfach benutzen werden*).
Das Thier von Acera iſt faſt walzenförmig verlängert; der Kopf iſt niedergedrückt und vorn abgeſtumpft. Der Fuß hat große abgerundete Lappen, welche den größten Theil der Schale bedecken können. Am Hinterende des Mantels iſt ein fadenförmiger Anhang. Dieſer Faden entſpringt von dem Mantelrande, tritt aus dem hinteren Schalenſpalt hervor und kann ſich ausdehnen und zuſammenziehen. Ueber ſeinen Nutzen liegen keine Beobachtungen vor. Jedenfalls erinnert er an den Schwanzanhang der Pterotracheen. Die Schale iſt dünn, hornartig, elaſtiſch und eiförmig. Die großen Exemplare vorliegender Art ſtrecken ſich beim Kriechen bis auf 20 Linien Länge aus. Jhr mächtig entwickelter Fuß dient nicht bloß zum Kriechen, ſondern auch zum freien Schwimmen. Ruht das Thier am Boden oder kriecht es, ſo ſind die freien Seitenplatten des Fußes in die Höhe geſchlagen und bedecken nicht nur die Seiten des Körpers, ſondern auch den Mittelrücken und einen Theil der Schale; ja ihre Ränder legen ſich noch übereinander. Wenn man die Schnecke aus dem Waſſer nimmt oder ſie beunruhigt, ſo verkürzt ſie den ganzen Körper ſo ſehr, daß ihn der Fuß ganz umhüllen kann. Dann bildet das ganze Thier eine weiche ſchleimige Kugel, aus welcher der ſchützend zuſammengezogene Fuß weiter nichts als nur noch ein kleines Dreieck von der Schale hervorſehen läßt. Daher ihr Name.
*) Man hätte denken ſollen, daß dieſe beſchränkte Lokalität eines ſchon ſalzarmen Meeres, weder durch Küſtenentwicklung noch durch Strömungen und andere, der Thierwelt günſtige Bedingungen bevorzugt, keine beſondere und anziehende Ausbeute geben würde. Ganz das Gegentheil! Die beiden Naturforſcher haben zuerſt alle phyſikaliſchen Verhältniſſe der Kieler Bucht, ſoweit ſie irgend einen Ein- fluß auf das Thierleben ausüben, gründlichſt unterſucht und ein höchſt anziehendes und lehrreiches Bild der Küſtenbeſchaffenheit, des Grundes, der Zuſammenſetzung und Temperatur des Waſſers u. ſ. w. gegeben. Sie belehren uns, indem ſie uns an den Schleppnetzerkurſionen Theil nehmen laſſen, wie die Vertheilung der Thiere ſtatt hat, und von welchen Umſtänden ſie abhängt, welche Pflanzen vorherrſchen und wie die Thiere ſich auf dieſem Bezirk, wo die größten Tiefen 10 Faden betragen, nach wohl- geſchiedenen Regionen ſondern.
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[859/0907]
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dann auf die rechte Seite, wo ſich allmälig eine Vertiefung zu ihrer Aufnahme, eine ſeichte
Kiemenhöhle mit noch weiter Oeffnung bildet. Anderntheils entwickelt ſich die Spiralſchale zum
Schutze und zur Aufnahme des Thieres immer mehr, indem ſie aus einer rudimentären, inneren
hornigen eine äußere wird.“
Wir haben durch dieſe treffenden Worte unſerer Darſtellung vorgegriffen. Sie drücken das
Neſultat einer genauen Muſterung der ganzen Reihe der Hinterkiemer aus, wenn man, wie
naturgemäß, mit den niedriger organiſirten beginnt. Nach der Anlage dieſes Werkes iſt uns
leider dieſer Gang nicht erlaubt, wir haben aber auch hier nicht unterlaſſen wollen, darauf hin-
zuweiſen, wie zur eigentlichen geiſtigen Durchdringung dieſes Theiles der lebenden Welt das
Aufſteigen vom Niederen zum Höheren eine innere Nothwendigkeit iſt. Jene höheren Hinterkiemer,
deren Kiemen „unter dem Mantelrande Schutz geſucht“ haben, kann man Deckkiemer oder
Seitenkiemer nennen. Der erſte Name iſt vorzuziehen, indem bei allen Familien dieſer
Abtheilung die Kiemen mehr oder weniger bedeckt, aber nur bei einer entſchieden an der Seite liegen.
Die Familie der Bullaceen beſteht aus Gattungen, bei welchen die Kiemen auf dem Rücken
ſitzen und vom Mantel bedeckt werden. Faſt alle beſitzen eine äußere Schale, oft ſo groß, daß ſich das
Thier vollſtändig darin bergen kann. Wir haben an den europäiſchen Küſten einige ausgezeichnete
Repräſentanten und wollen zuerſt an der gemeinen Kugelſchnecke (Acera bullata) der Oſt-
und Nordſee und des Mittelmeeres ihre Eigenthümlichkeiten kennen lernen. Unſer Führer iſt das
Prachtwerk, welches Meyer und Möbius über die Hinterkiemer der Kieler Bucht vor einigen
Jahren herausgegeben, und deſſen Wort und Bild wir unten über die Nacktkiemer vielfach
benutzen werden *).
Das Thier von Acera iſt faſt walzenförmig verlängert; der Kopf iſt niedergedrückt und vorn
abgeſtumpft. Der Fuß hat große abgerundete Lappen, welche den größten Theil der Schale
bedecken können. Am Hinterende des Mantels iſt ein fadenförmiger Anhang. Dieſer Faden
entſpringt von dem Mantelrande, tritt aus dem hinteren Schalenſpalt hervor und kann ſich
ausdehnen und zuſammenziehen. Ueber ſeinen Nutzen liegen keine Beobachtungen vor. Jedenfalls
erinnert er an den Schwanzanhang der Pterotracheen. Die Schale iſt dünn, hornartig, elaſtiſch
und eiförmig. Die großen Exemplare vorliegender Art ſtrecken ſich beim Kriechen bis auf 20 Linien
Länge aus. Jhr mächtig entwickelter Fuß dient nicht bloß zum Kriechen, ſondern auch zum freien
Schwimmen. Ruht das Thier am Boden oder kriecht es, ſo ſind die freien Seitenplatten des
Fußes in die Höhe geſchlagen und bedecken nicht nur die Seiten des Körpers, ſondern auch den
Mittelrücken und einen Theil der Schale; ja ihre Ränder legen ſich noch übereinander. Wenn
man die Schnecke aus dem Waſſer nimmt oder ſie beunruhigt, ſo verkürzt ſie den ganzen Körper
ſo ſehr, daß ihn der Fuß ganz umhüllen kann. Dann bildet das ganze Thier eine weiche
ſchleimige Kugel, aus welcher der ſchützend zuſammengezogene Fuß weiter nichts als nur noch ein
kleines Dreieck von der Schale hervorſehen läßt. Daher ihr Name.
*) Man hätte denken ſollen, daß dieſe beſchränkte Lokalität eines ſchon ſalzarmen Meeres, weder
durch Küſtenentwicklung noch durch Strömungen und andere, der Thierwelt günſtige Bedingungen
bevorzugt, keine beſondere und anziehende Ausbeute geben würde. Ganz das Gegentheil! Die beiden
Naturforſcher haben zuerſt alle phyſikaliſchen Verhältniſſe der Kieler Bucht, ſoweit ſie irgend einen Ein-
fluß auf das Thierleben ausüben, gründlichſt unterſucht und ein höchſt anziehendes und lehrreiches Bild
der Küſtenbeſchaffenheit, des Grundes, der Zuſammenſetzung und Temperatur des Waſſers u. ſ. w.
gegeben. Sie belehren uns, indem ſie uns an den Schleppnetzerkurſionen Theil nehmen laſſen, wie die
Vertheilung der Thiere ſtatt hat, und von welchen Umſtänden ſie abhängt, welche Pflanzen vorherrſchen
und wie die Thiere ſich auf dieſem Bezirk, wo die größten Tiefen 10 Faden betragen, nach wohl-
geſchiedenen Regionen ſondern.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 859. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/907>, abgerufen am 23.11.2024.
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