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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Schnecken. Hinterkiemer. Nacktkiemer.
blaßrothen, mit dunkel- fast schwarzrothem Mittelfleck versehenen Anhänge und die schwärzlich
unregelmäßig weiß geränderten Augenflecken der Oberseite, warf sich auf dem Rücken liegend
unablässig und mit einer gewissen Grazie hin und her, wobei er sich so stark einkrümmte, daß
das Körperende die Seitenränder des Segels berührte. Das große Segel war fast ganz aufwärts
und zurückgeschlagen, sein gefranster Rand nach hinten umgebogen und die Seitenränder der ganz
hohl gemachten Fußscheibe einander so genähert, daß zwischen ihnen kaum eine schmale Furche
übrig blieb oder sie sich sogar berührten. Jn dieser Lage glich das Thier einem Hammer, an
dem das verkürzte Segel das Eisen, der Leib den Stiel vorstellte; sobald es jedoch ruhiger wurde,
breitete sich der Fuß in Gestalt einer ovalen tiefen Schüssel aus, deren Seitenränder höher als
Vorder- und Hinterrand waren. Es phosphorescirte lebhaft im Dunkeln, und die Phosphorescenz
trat sowohl dann ein, wenn ich dasselbe berührte, als auch, wenn ich nur die Hand in seinem
Wasserbecken bewegte. Trotzdem, daß ich ein paar Stunden darauf, nachdem mir das seltene
Thier gebracht war, das Seewasser erneuerte, und das Becken, in dem das Thier seine Bewegungen
ausführte, nicht eben klein war, erlosch über Nacht sein Leben: am andern Morgen waren seine
Anhänge, obwohl sie ihre Farbe noch behalten hatten, abgefallen und regungslos. Wer diese
Tethys und ihr stürmisches Hin- und Herwälzen nur einmal gesehen, wird nicht mehr so
beschränkend, wie dieß gewöhnlich geschieht, den Begriff des Phlegmas mit dem Charakter der
Molluske verbinden."



Mit Elysia treten wir nun in den Kreis derjenigen Gattungen, bei welchen die Kiemen als
besondere Anhangsorgane mehr und mehr zu schwinden anfangen. Man begreift unter Elysia die-
jenigen Arten, deren Kopf nicht deutlich vom Rumpfe geschieden ist und an deren Körperseiten zwei
Hautlappen entspringen, welche sich hinten vereinigen und als Athmungswerkzeuge dienen. Man
schließt dieß daraus, daß ein oder einige stärkere Blutgefäße sich vom Rücken hier hinein begeben

[Abbildung] Grüne Sammetschnecke (Elysia viridis).
und darin sich in feinere, für das Respirationsgeschäft geeignete Aederchen auflösen. Die
zwei auf dem Kopfe stehenden Fühler sind der Länge nach zusammengerollt und daher oben und
an der Seite geöffnet. Vom Mittelmeer bis zum Nordseegebiete findet sich die wundervoll
geschmückte grüne Sammetschnecke, Elysia viridis. Wir sehen aus der, auch unserem Pracht-
werke entnommenen Abbildung, daß die charakteristischen Hautlappen mitten über dem Fuße
verschmolzen sind. Werden sie in gewöhnlicher Haltung aufrecht getragen, so steigt ihr freier
Rand eine kurze Strecke schräg an und fällt dann weniger geneigt bis zum Hinterende ab. Der

Schnecken. Hinterkiemer. Nacktkiemer.
blaßrothen, mit dunkel- faſt ſchwarzrothem Mittelfleck verſehenen Anhänge und die ſchwärzlich
unregelmäßig weiß geränderten Augenflecken der Oberſeite, warf ſich auf dem Rücken liegend
unabläſſig und mit einer gewiſſen Grazie hin und her, wobei er ſich ſo ſtark einkrümmte, daß
das Körperende die Seitenränder des Segels berührte. Das große Segel war faſt ganz aufwärts
und zurückgeſchlagen, ſein gefranſter Rand nach hinten umgebogen und die Seitenränder der ganz
hohl gemachten Fußſcheibe einander ſo genähert, daß zwiſchen ihnen kaum eine ſchmale Furche
übrig blieb oder ſie ſich ſogar berührten. Jn dieſer Lage glich das Thier einem Hammer, an
dem das verkürzte Segel das Eiſen, der Leib den Stiel vorſtellte; ſobald es jedoch ruhiger wurde,
breitete ſich der Fuß in Geſtalt einer ovalen tiefen Schüſſel aus, deren Seitenränder höher als
Vorder- und Hinterrand waren. Es phosphorescirte lebhaft im Dunkeln, und die Phosphorescenz
trat ſowohl dann ein, wenn ich daſſelbe berührte, als auch, wenn ich nur die Hand in ſeinem
Waſſerbecken bewegte. Trotzdem, daß ich ein paar Stunden darauf, nachdem mir das ſeltene
Thier gebracht war, das Seewaſſer erneuerte, und das Becken, in dem das Thier ſeine Bewegungen
ausführte, nicht eben klein war, erloſch über Nacht ſein Leben: am andern Morgen waren ſeine
Anhänge, obwohl ſie ihre Farbe noch behalten hatten, abgefallen und regungslos. Wer dieſe
Tethys und ihr ſtürmiſches Hin- und Herwälzen nur einmal geſehen, wird nicht mehr ſo
beſchränkend, wie dieß gewöhnlich geſchieht, den Begriff des Phlegmas mit dem Charakter der
Molluske verbinden.“



Mit Elysia treten wir nun in den Kreis derjenigen Gattungen, bei welchen die Kiemen als
beſondere Anhangsorgane mehr und mehr zu ſchwinden anfangen. Man begreift unter Elysia die-
jenigen Arten, deren Kopf nicht deutlich vom Rumpfe geſchieden iſt und an deren Körperſeiten zwei
Hautlappen entſpringen, welche ſich hinten vereinigen und als Athmungswerkzeuge dienen. Man
ſchließt dieß daraus, daß ein oder einige ſtärkere Blutgefäße ſich vom Rücken hier hinein begeben

[Abbildung] Grüne Sammetſchnecke (Elysia viridis).
und darin ſich in feinere, für das Reſpirationsgeſchäft geeignete Aederchen auflöſen. Die
zwei auf dem Kopfe ſtehenden Fühler ſind der Länge nach zuſammengerollt und daher oben und
an der Seite geöffnet. Vom Mittelmeer bis zum Nordſeegebiete findet ſich die wundervoll
geſchmückte grüne Sammetſchnecke, Elysia viridis. Wir ſehen aus der, auch unſerem Pracht-
werke entnommenen Abbildung, daß die charakteriſtiſchen Hautlappen mitten über dem Fuße
verſchmolzen ſind. Werden ſie in gewöhnlicher Haltung aufrecht getragen, ſo ſteigt ihr freier
Rand eine kurze Strecke ſchräg an und fällt dann weniger geneigt bis zum Hinterende ab. Der

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[872/0920] Schnecken. Hinterkiemer. Nacktkiemer. blaßrothen, mit dunkel- faſt ſchwarzrothem Mittelfleck verſehenen Anhänge und die ſchwärzlich unregelmäßig weiß geränderten Augenflecken der Oberſeite, warf ſich auf dem Rücken liegend unabläſſig und mit einer gewiſſen Grazie hin und her, wobei er ſich ſo ſtark einkrümmte, daß das Körperende die Seitenränder des Segels berührte. Das große Segel war faſt ganz aufwärts und zurückgeſchlagen, ſein gefranſter Rand nach hinten umgebogen und die Seitenränder der ganz hohl gemachten Fußſcheibe einander ſo genähert, daß zwiſchen ihnen kaum eine ſchmale Furche übrig blieb oder ſie ſich ſogar berührten. Jn dieſer Lage glich das Thier einem Hammer, an dem das verkürzte Segel das Eiſen, der Leib den Stiel vorſtellte; ſobald es jedoch ruhiger wurde, breitete ſich der Fuß in Geſtalt einer ovalen tiefen Schüſſel aus, deren Seitenränder höher als Vorder- und Hinterrand waren. Es phosphorescirte lebhaft im Dunkeln, und die Phosphorescenz trat ſowohl dann ein, wenn ich daſſelbe berührte, als auch, wenn ich nur die Hand in ſeinem Waſſerbecken bewegte. Trotzdem, daß ich ein paar Stunden darauf, nachdem mir das ſeltene Thier gebracht war, das Seewaſſer erneuerte, und das Becken, in dem das Thier ſeine Bewegungen ausführte, nicht eben klein war, erloſch über Nacht ſein Leben: am andern Morgen waren ſeine Anhänge, obwohl ſie ihre Farbe noch behalten hatten, abgefallen und regungslos. Wer dieſe Tethys und ihr ſtürmiſches Hin- und Herwälzen nur einmal geſehen, wird nicht mehr ſo beſchränkend, wie dieß gewöhnlich geſchieht, den Begriff des Phlegmas mit dem Charakter der Molluske verbinden.“ Mit Elysia treten wir nun in den Kreis derjenigen Gattungen, bei welchen die Kiemen als beſondere Anhangsorgane mehr und mehr zu ſchwinden anfangen. Man begreift unter Elysia die- jenigen Arten, deren Kopf nicht deutlich vom Rumpfe geſchieden iſt und an deren Körperſeiten zwei Hautlappen entſpringen, welche ſich hinten vereinigen und als Athmungswerkzeuge dienen. Man ſchließt dieß daraus, daß ein oder einige ſtärkere Blutgefäße ſich vom Rücken hier hinein begeben [Abbildung Grüne Sammetſchnecke (Elysia viridis).] und darin ſich in feinere, für das Reſpirationsgeſchäft geeignete Aederchen auflöſen. Die zwei auf dem Kopfe ſtehenden Fühler ſind der Länge nach zuſammengerollt und daher oben und an der Seite geöffnet. Vom Mittelmeer bis zum Nordſeegebiete findet ſich die wundervoll geſchmückte grüne Sammetſchnecke, Elysia viridis. Wir ſehen aus der, auch unſerem Pracht- werke entnommenen Abbildung, daß die charakteriſtiſchen Hautlappen mitten über dem Fuße verſchmolzen ſind. Werden ſie in gewöhnlicher Haltung aufrecht getragen, ſo ſteigt ihr freier Rand eine kurze Strecke ſchräg an und fällt dann weniger geneigt bis zum Hinterende ab. Der

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 872. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/920>, abgerufen am 23.11.2024.