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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Käfer. Blatthörner.
ziehen. Jm Vergleich zu denen des Hirschkäfers sind ihre Luftlöcher größer und der Kopf deutlich
punktirt. Zur Verpuppung gehen sie tiefer in die Erde, fertigen ein eirundes Cocon, in welchem
nach durchschnittlich einem Monate die Puppe und nach der doppelten Frist der Käfer anzutreffen
ist, der so lange darin verbleibt, bis er vollkommen erhärtet. -- Der Podischnus Agenor
Columbiens findet sich während der ersten Regenmonate in den armsdicken Riesensprossen des Bam-
busrohres, aus denen er sich nachher in Seitenöffnungen herausfrißt; auch richtet dieselbe Art in
den halbreifen Maiskolben bisweilen bedeutenden Schaden an und liefert den Beweis, daß nicht
bloß im Verwesen begriffene Pflanzentheile zur Nahrung dienen.

Die letzte, nächst den Melolonthiden und Copriden artenreichste Sippe bilden die honigliebenden
Cetoniden, diejenigen unter allen, welche die vollendetsten Formen und den herrlichsten Farben-
schmuck zur Schau tragen, Thiere, welche der Mehrzahl nach unter dem Einflusse einer tropischen
Sonne erzeugt wurden, welche nicht scheu vor dem Lichte das nächtliche Dunkel abwarten, um
aus ihren Verstecken hervorzukommen, sondern als Freunde desselben die Kinder des Lichts, die
duftenden Blumen und blühenden Sträucher aufsuchen, um in Gesellschaft der bunten Schmetter-
linge, der lustigen Fliegen und ewig geschäftigen Jmmen den Pollen zu verzehren; auch lecken sie
den Bäumen entfließenden Saft. Sie sind der Mehrzahl nach -- wir wissen, daß es überall
Ausnahmen gibt -- die nobelsten ihrer Familie, welche wenigstens im vollkommenen Zustande feinere
Genüsse zu schätzen wissen, als grüne Blätter, faulende Pilze oder durch den Leib der pflanzen-
fressenden Säugethiere gegangene Stoffe bieten können. Mehr als ein Drittel der ganzen Gesell-
schaft bewohnt Afrika, kaum der fünfundzwanzigste Theil Europa oder Australien, nach den
Aphodien sind es die Cetoniden, welche in Südamerika am schwächsten vertreten werden (mit ungefähr
88 Arten). Die hornige Zunge verwächst mit dem Kinne, wie mit dem Gesicht das Kopfschild, welches
Oberlippe wie Kinnbacken bedeckt. Diese bestehen aus einem hornigen Außentheile und einer häutigen
Platte nach innen, der Unterkiefer aus eingelenkter Außenlade, die Fühler aus zehn, ihre Keule
aus den drei letzten Gliedern. Die Flügeldecken liegen, das Pygidium frei lassend, einfach auf
dem Hinterleibe, ohne ihn seitlich zu umfassen, und behalten ihre Lage bei den meisten auch im
Fluge. Die Vorderhüften springen in walzig-kegelförmiger Gestalt hervor, und die drei letzten
Hinterleibsstigmen rücken nach unten. Je nachdem die Hüftblätter des Hinterrückens von oben
sichtbar sind oder nicht, läßt sich die Sippe in die größere Abtheilung der ächten Cetoniden und
die kleinere der Trichiiden zerlegen.

Die Larven unterscheiden sich wesentlich von den übrigen derselben Horde dadurch, daß ihr
letztes Glied nicht durch eine Ouerfurche in zwei zerlegt wird, weniger wesentlich durch einen im
Vergleich zum gedrungenen Körper schmäleren Kopf, die schwächeren Querfurchen auf den Seg-
menten und eine stärkere Sammetbehaarung. Sie nähern sich denen der Dynastiden durch ihre an
der Spitze gezähnten und äußerlich querriefigen Kinnbacken.

Vollendet im Bau steht der männliche Riesen-Goliath (Goliathus giganteus oder G. Druryi)
aus Ober-Guinea da. Sein fast kreisrundes Halsschild, welches in der Mitte am breitesten ist,
setzt sich am Hinterrande dreimal ab, am kürzesten vor dem lang dreieckigen Schildchen, welches
bedeutend mehr nach hinten liegt, als die Schultern, will so viel sagen als: die Naht der Flügel-
decken ist merklich kürzer als ihr Außenrand. Den schräg abschüssigen Kopf zieren neben den Augen
zwei stumpfe, aufgerichtete Lappen und vorn eine breite, kurze, an den Spitzen gestutzte Horn-
gabel. Ein converes Kinn, das kürzer als breit, die sehr kräftige und zweizähnige äußere Lade
des Unterkiefers und unbewehrte Vorderschienen gehören noch zu den Kennzeichen des Goliath.
Derselbe ist sammetschwarz, Kopf, Halsschild mit Ausnahme von sechs Längsstriemen, Schildchen,
ein großer dreieckiger Nahtfleck und der Außenrand der Flügeldecken kreideweiß. Länge bis 33/4 Zoll.
Das etwas kleinere Weibchen hat mehr Glanz, keinen Kopfputz, aber drei Zähne am Außenrande
der Vorderschienen. Seit 1770 wurde dieser schöne Käfer in Europa bekannt und von den

Die Käfer. Blatthörner.
ziehen. Jm Vergleich zu denen des Hirſchkäfers ſind ihre Luftlöcher größer und der Kopf deutlich
punktirt. Zur Verpuppung gehen ſie tiefer in die Erde, fertigen ein eirundes Cocon, in welchem
nach durchſchnittlich einem Monate die Puppe und nach der doppelten Friſt der Käfer anzutreffen
iſt, der ſo lange darin verbleibt, bis er vollkommen erhärtet. — Der Podischnus Agenor
Columbiens findet ſich während der erſten Regenmonate in den armsdicken Rieſenſproſſen des Bam-
busrohres, aus denen er ſich nachher in Seitenöffnungen herausfrißt; auch richtet dieſelbe Art in
den halbreifen Maiskolben bisweilen bedeutenden Schaden an und liefert den Beweis, daß nicht
bloß im Verweſen begriffene Pflanzentheile zur Nahrung dienen.

Die letzte, nächſt den Melolonthiden und Copriden artenreichſte Sippe bilden die honigliebenden
Cetoniden, diejenigen unter allen, welche die vollendetſten Formen und den herrlichſten Farben-
ſchmuck zur Schau tragen, Thiere, welche der Mehrzahl nach unter dem Einfluſſe einer tropiſchen
Sonne erzeugt wurden, welche nicht ſcheu vor dem Lichte das nächtliche Dunkel abwarten, um
aus ihren Verſtecken hervorzukommen, ſondern als Freunde deſſelben die Kinder des Lichts, die
duftenden Blumen und blühenden Sträucher aufſuchen, um in Geſellſchaft der bunten Schmetter-
linge, der luſtigen Fliegen und ewig geſchäftigen Jmmen den Pollen zu verzehren; auch lecken ſie
den Bäumen entfließenden Saft. Sie ſind der Mehrzahl nach — wir wiſſen, daß es überall
Ausnahmen gibt — die nobelſten ihrer Familie, welche wenigſtens im vollkommenen Zuſtande feinere
Genüſſe zu ſchätzen wiſſen, als grüne Blätter, faulende Pilze oder durch den Leib der pflanzen-
freſſenden Säugethiere gegangene Stoffe bieten können. Mehr als ein Drittel der ganzen Geſell-
ſchaft bewohnt Afrika, kaum der fünfundzwanzigſte Theil Europa oder Auſtralien, nach den
Aphodien ſind es die Cetoniden, welche in Südamerika am ſchwächſten vertreten werden (mit ungefähr
88 Arten). Die hornige Zunge verwächſt mit dem Kinne, wie mit dem Geſicht das Kopfſchild, welches
Oberlippe wie Kinnbacken bedeckt. Dieſe beſtehen aus einem hornigen Außentheile und einer häutigen
Platte nach innen, der Unterkiefer aus eingelenkter Außenlade, die Fühler aus zehn, ihre Keule
aus den drei letzten Gliedern. Die Flügeldecken liegen, das Pygidium frei laſſend, einfach auf
dem Hinterleibe, ohne ihn ſeitlich zu umfaſſen, und behalten ihre Lage bei den meiſten auch im
Fluge. Die Vorderhüften ſpringen in walzig-kegelförmiger Geſtalt hervor, und die drei letzten
Hinterleibsſtigmen rücken nach unten. Je nachdem die Hüftblätter des Hinterrückens von oben
ſichtbar ſind oder nicht, läßt ſich die Sippe in die größere Abtheilung der ächten Cetoniden und
die kleinere der Trichiiden zerlegen.

Die Larven unterſcheiden ſich weſentlich von den übrigen derſelben Horde dadurch, daß ihr
letztes Glied nicht durch eine Ouerfurche in zwei zerlegt wird, weniger weſentlich durch einen im
Vergleich zum gedrungenen Körper ſchmäleren Kopf, die ſchwächeren Querfurchen auf den Seg-
menten und eine ſtärkere Sammetbehaarung. Sie nähern ſich denen der Dynaſtiden durch ihre an
der Spitze gezähnten und äußerlich querriefigen Kinnbacken.

Vollendet im Bau ſteht der männliche Rieſen-Goliath (Goliathus giganteus oder G. Druryi)
aus Ober-Guinea da. Sein faſt kreisrundes Halsſchild, welches in der Mitte am breiteſten iſt,
ſetzt ſich am Hinterrande dreimal ab, am kürzeſten vor dem lang dreieckigen Schildchen, welches
bedeutend mehr nach hinten liegt, als die Schultern, will ſo viel ſagen als: die Naht der Flügel-
decken iſt merklich kürzer als ihr Außenrand. Den ſchräg abſchüſſigen Kopf zieren neben den Augen
zwei ſtumpfe, aufgerichtete Lappen und vorn eine breite, kurze, an den Spitzen geſtutzte Horn-
gabel. Ein converes Kinn, das kürzer als breit, die ſehr kräftige und zweizähnige äußere Lade
des Unterkiefers und unbewehrte Vorderſchienen gehören noch zu den Kennzeichen des Goliath.
Derſelbe iſt ſammetſchwarz, Kopf, Halsſchild mit Ausnahme von ſechs Längsſtriemen, Schildchen,
ein großer dreieckiger Nahtfleck und der Außenrand der Flügeldecken kreideweiß. Länge bis 3¾ Zoll.
Das etwas kleinere Weibchen hat mehr Glanz, keinen Kopfputz, aber drei Zähne am Außenrande
der Vorderſchienen. Seit 1770 wurde dieſer ſchöne Käfer in Europa bekannt und von den

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[78/0096] Die Käfer. Blatthörner. ziehen. Jm Vergleich zu denen des Hirſchkäfers ſind ihre Luftlöcher größer und der Kopf deutlich punktirt. Zur Verpuppung gehen ſie tiefer in die Erde, fertigen ein eirundes Cocon, in welchem nach durchſchnittlich einem Monate die Puppe und nach der doppelten Friſt der Käfer anzutreffen iſt, der ſo lange darin verbleibt, bis er vollkommen erhärtet. — Der Podischnus Agenor Columbiens findet ſich während der erſten Regenmonate in den armsdicken Rieſenſproſſen des Bam- busrohres, aus denen er ſich nachher in Seitenöffnungen herausfrißt; auch richtet dieſelbe Art in den halbreifen Maiskolben bisweilen bedeutenden Schaden an und liefert den Beweis, daß nicht bloß im Verweſen begriffene Pflanzentheile zur Nahrung dienen. Die letzte, nächſt den Melolonthiden und Copriden artenreichſte Sippe bilden die honigliebenden Cetoniden, diejenigen unter allen, welche die vollendetſten Formen und den herrlichſten Farben- ſchmuck zur Schau tragen, Thiere, welche der Mehrzahl nach unter dem Einfluſſe einer tropiſchen Sonne erzeugt wurden, welche nicht ſcheu vor dem Lichte das nächtliche Dunkel abwarten, um aus ihren Verſtecken hervorzukommen, ſondern als Freunde deſſelben die Kinder des Lichts, die duftenden Blumen und blühenden Sträucher aufſuchen, um in Geſellſchaft der bunten Schmetter- linge, der luſtigen Fliegen und ewig geſchäftigen Jmmen den Pollen zu verzehren; auch lecken ſie den Bäumen entfließenden Saft. Sie ſind der Mehrzahl nach — wir wiſſen, daß es überall Ausnahmen gibt — die nobelſten ihrer Familie, welche wenigſtens im vollkommenen Zuſtande feinere Genüſſe zu ſchätzen wiſſen, als grüne Blätter, faulende Pilze oder durch den Leib der pflanzen- freſſenden Säugethiere gegangene Stoffe bieten können. Mehr als ein Drittel der ganzen Geſell- ſchaft bewohnt Afrika, kaum der fünfundzwanzigſte Theil Europa oder Auſtralien, nach den Aphodien ſind es die Cetoniden, welche in Südamerika am ſchwächſten vertreten werden (mit ungefähr 88 Arten). Die hornige Zunge verwächſt mit dem Kinne, wie mit dem Geſicht das Kopfſchild, welches Oberlippe wie Kinnbacken bedeckt. Dieſe beſtehen aus einem hornigen Außentheile und einer häutigen Platte nach innen, der Unterkiefer aus eingelenkter Außenlade, die Fühler aus zehn, ihre Keule aus den drei letzten Gliedern. Die Flügeldecken liegen, das Pygidium frei laſſend, einfach auf dem Hinterleibe, ohne ihn ſeitlich zu umfaſſen, und behalten ihre Lage bei den meiſten auch im Fluge. Die Vorderhüften ſpringen in walzig-kegelförmiger Geſtalt hervor, und die drei letzten Hinterleibsſtigmen rücken nach unten. Je nachdem die Hüftblätter des Hinterrückens von oben ſichtbar ſind oder nicht, läßt ſich die Sippe in die größere Abtheilung der ächten Cetoniden und die kleinere der Trichiiden zerlegen. Die Larven unterſcheiden ſich weſentlich von den übrigen derſelben Horde dadurch, daß ihr letztes Glied nicht durch eine Ouerfurche in zwei zerlegt wird, weniger weſentlich durch einen im Vergleich zum gedrungenen Körper ſchmäleren Kopf, die ſchwächeren Querfurchen auf den Seg- menten und eine ſtärkere Sammetbehaarung. Sie nähern ſich denen der Dynaſtiden durch ihre an der Spitze gezähnten und äußerlich querriefigen Kinnbacken. Vollendet im Bau ſteht der männliche Rieſen-Goliath (Goliathus giganteus oder G. Druryi) aus Ober-Guinea da. Sein faſt kreisrundes Halsſchild, welches in der Mitte am breiteſten iſt, ſetzt ſich am Hinterrande dreimal ab, am kürzeſten vor dem lang dreieckigen Schildchen, welches bedeutend mehr nach hinten liegt, als die Schultern, will ſo viel ſagen als: die Naht der Flügel- decken iſt merklich kürzer als ihr Außenrand. Den ſchräg abſchüſſigen Kopf zieren neben den Augen zwei ſtumpfe, aufgerichtete Lappen und vorn eine breite, kurze, an den Spitzen geſtutzte Horn- gabel. Ein converes Kinn, das kürzer als breit, die ſehr kräftige und zweizähnige äußere Lade des Unterkiefers und unbewehrte Vorderſchienen gehören noch zu den Kennzeichen des Goliath. Derſelbe iſt ſammetſchwarz, Kopf, Halsſchild mit Ausnahme von ſechs Längsſtriemen, Schildchen, ein großer dreieckiger Nahtfleck und der Außenrand der Flügeldecken kreideweiß. Länge bis 3¾ Zoll. Das etwas kleinere Weibchen hat mehr Glanz, keinen Kopfputz, aber drei Zähne am Außenrande der Vorderſchienen. Seit 1770 wurde dieſer ſchöne Käfer in Europa bekannt und von den

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/96>, abgerufen am 23.11.2024.