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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Bohrmuschel. Schiffswurm.
das Thier in Thätigkeit war, sah man den noch freien Raum im Bohrloche neben der Schale
sich ganz allmälig mit feinem Torfstaube füllen, bis er endlich zur Mündung der Höhle herausfiel.
Die Losscheuerung des Torfes konnte Mettenheimer nur dem Fuße zuschreiben. Wenn daher
nach diesen nicht wohl anzutastenden Zeugnissen über die verschiedene mechanische Thätigkeit
der Pholaden beim Bohren kein Zweifel erhoben werden kann, ist natürlich keineswegs die
Möglichkeit ausgeschlossen, daß außerdem immer, oder wo es ein härterer Kalkstein erfordert, irgend
ein Sekret der Muschel eine auflösende, das Raspeln und Reiben erleichternde Wirkung ausübt.



Die bisher genannten bohrenden Muscheln können kaum unter die schädlichen Thiere gezählt
werden. An Pholas reiht sich aber ein Thier von äußerster Schädlichkeit an, der Schiffswurm,
Teredo, über den wir vorerst einige geschichtliche Nachweise nach Johnston's Zusammenstellung
bringen. "Die Zerstörungen, welche dieses wurmförmige Thier bewirkt, sind ansehnlich genug,
um sowohl die Verhaßtheit, welche ihm zu Theil geworden, als auch den strengen Ausdruck
Linne's zu rechtfertigen, welcher ihn calamitas navium (das Elend, Verderben der Schiffe) nennt.
Er ist mit dem Vermögen begabt, sich in Holz einzubohren, zerstört Schiffswracke, durchwühlt
Bauwerke zur Einengung des Oceans, durchlöchert Schiffe, Brückenpfeiler und Bollwerke in allen
Richtungen, so daß sie bald, unfähig, der Gewalt der Wogen länger zu widerstehen, ihnen erliegen
müssen. Der Betrag des Schadens, welchen der Schiffswurm auf diese Weise jährlich verübt,
ist schwer zu berechnen. Daß er aber sehr beträchtlich sei, geht aus den Klagen, welche über
dieses Thier in fast allen Meeren erhoben werden, und aus den vielen kostspieligen Vorkehrungen
zu Abwendung seiner Angriffe hervor. "Da giebt es", sagt ein ungenannter Reisender, "in den
indischen Meeren eine kleine Wurm-Art, welche in das Bauholz der Schiffe eindringt und dasselbe
so durchbohrt, daß sie überall Wasser ziehen; und wenn sie es auch nicht sogleich ganz durchbohrt,
so greift sie dasselbe doch so an, daß es meistens unmöglich wird, es wieder herzustellen. Zwar
wenden einige Theer, Haare und Kalk als Ueberzug der Schiffe an, welche indessen sämmtlich
nicht nur nicht genügen, um den Wurm zu vertreiben, sondern auch das Schiff in seinem Laufe
aufhalten. Die Portugiesen brennen ihre Schiffe (-- es ist die Rede vom Jahre 1666 --), so
daß sie ganz von einer zolldicken Kohlenrinde überzogen werden. Wenn dieses Verfahren aber
einerseits gefährlich ist, da es nicht selten geschieht, daß das ganze Schiff verbrennt, so beruht
andererseits die Ursache, weshalb der Wurm die portugiesischen Schiffe nicht durchfrißt, nur in
der außerordentlichen Härte des angewendeten Bauholzes." Jm Westen ist der Teredo eben so
thätig. Die ersten englischen Schifffahrer sind in ihren kühnen Unternehmungen oft gekreuzt und
aufgehalten worden durch das Unbrauchbarwerden ihrer Schiffe; und bei weiterer Ausdehnung
des englischen Handels wurde das Uebel so fühlbar, daß man sich entschloß, den Boden der
Schiffe mit Blei und Kupfer zu überziehen. Gewöhnlich nimmt man an, daß der Schiffswurm
nach der Mitte des 17. Jahrhunderts von den tropischen Meeren aus in Europa eingeführt
worden sei; da man aber genügende Beweise hat, daß mehrere Arten daselbst wirklich heimisch
sind, so verschwindet die Hoffnung, sie einmal alle in einem ungewöhnlich strengen Winter oder
durch eine ihrer Natur nachtheilige Witterung vertilgt zu sehen, sofern der Schiffswurm nämlich
meistens in der Nähe der Oberfläche und oft an Stellen verweilt, welche bei der Ebbe trocken
werden und nothwendig den Einflüssen aller atmosphärischen Veränderungen ausgesetzt sind.
Jn den Jahren 1731 und 1732 befanden sich die vereinigten Niederlande in einer schreckenvollen
Aufregung, als man entdeckte, daß diese Thiere solche Zerstörungen in dem Pfahlwerke der
Eindämmungen von Seeland und Friesland angerichtet hatten, daß sie mit einer gänzlichen
Vernichtung desselben drohten und dem Menschen schienen wieder entreißen zu wollen, was er
mit beispielloser Anstrengung dem Oceane abgerungen hatte. Glücklicher Weise verließen sie
einige Jahre später diese Dämme wieder; aber in der Furcht vor der Wiederkehr eines Feindes,

Bohrmuſchel. Schiffswurm.
das Thier in Thätigkeit war, ſah man den noch freien Raum im Bohrloche neben der Schale
ſich ganz allmälig mit feinem Torfſtaube füllen, bis er endlich zur Mündung der Höhle herausfiel.
Die Losſcheuerung des Torfes konnte Mettenheimer nur dem Fuße zuſchreiben. Wenn daher
nach dieſen nicht wohl anzutaſtenden Zeugniſſen über die verſchiedene mechaniſche Thätigkeit
der Pholaden beim Bohren kein Zweifel erhoben werden kann, iſt natürlich keineswegs die
Möglichkeit ausgeſchloſſen, daß außerdem immer, oder wo es ein härterer Kalkſtein erfordert, irgend
ein Sekret der Muſchel eine auflöſende, das Raspeln und Reiben erleichternde Wirkung ausübt.



Die bisher genannten bohrenden Muſcheln können kaum unter die ſchädlichen Thiere gezählt
werden. An Pholas reiht ſich aber ein Thier von äußerſter Schädlichkeit an, der Schiffswurm,
Teredo, über den wir vorerſt einige geſchichtliche Nachweiſe nach Johnſton’s Zuſammenſtellung
bringen. „Die Zerſtörungen, welche dieſes wurmförmige Thier bewirkt, ſind anſehnlich genug,
um ſowohl die Verhaßtheit, welche ihm zu Theil geworden, als auch den ſtrengen Ausdruck
Linné’s zu rechtfertigen, welcher ihn calamitas navium (das Elend, Verderben der Schiffe) nennt.
Er iſt mit dem Vermögen begabt, ſich in Holz einzubohren, zerſtört Schiffswracke, durchwühlt
Bauwerke zur Einengung des Oceans, durchlöchert Schiffe, Brückenpfeiler und Bollwerke in allen
Richtungen, ſo daß ſie bald, unfähig, der Gewalt der Wogen länger zu widerſtehen, ihnen erliegen
müſſen. Der Betrag des Schadens, welchen der Schiffswurm auf dieſe Weiſe jährlich verübt,
iſt ſchwer zu berechnen. Daß er aber ſehr beträchtlich ſei, geht aus den Klagen, welche über
dieſes Thier in faſt allen Meeren erhoben werden, und aus den vielen koſtſpieligen Vorkehrungen
zu Abwendung ſeiner Angriffe hervor. „Da giebt es“, ſagt ein ungenannter Reiſender, „in den
indiſchen Meeren eine kleine Wurm-Art, welche in das Bauholz der Schiffe eindringt und daſſelbe
ſo durchbohrt, daß ſie überall Waſſer ziehen; und wenn ſie es auch nicht ſogleich ganz durchbohrt,
ſo greift ſie daſſelbe doch ſo an, daß es meiſtens unmöglich wird, es wieder herzuſtellen. Zwar
wenden einige Theer, Haare und Kalk als Ueberzug der Schiffe an, welche indeſſen ſämmtlich
nicht nur nicht genügen, um den Wurm zu vertreiben, ſondern auch das Schiff in ſeinem Laufe
aufhalten. Die Portugieſen brennen ihre Schiffe (— es iſt die Rede vom Jahre 1666 —), ſo
daß ſie ganz von einer zolldicken Kohlenrinde überzogen werden. Wenn dieſes Verfahren aber
einerſeits gefährlich iſt, da es nicht ſelten geſchieht, daß das ganze Schiff verbrennt, ſo beruht
andererſeits die Urſache, weshalb der Wurm die portugieſiſchen Schiffe nicht durchfrißt, nur in
der außerordentlichen Härte des angewendeten Bauholzes.“ Jm Weſten iſt der Teredo eben ſo
thätig. Die erſten engliſchen Schifffahrer ſind in ihren kühnen Unternehmungen oft gekreuzt und
aufgehalten worden durch das Unbrauchbarwerden ihrer Schiffe; und bei weiterer Ausdehnung
des engliſchen Handels wurde das Uebel ſo fühlbar, daß man ſich entſchloß, den Boden der
Schiffe mit Blei und Kupfer zu überziehen. Gewöhnlich nimmt man an, daß der Schiffswurm
nach der Mitte des 17. Jahrhunderts von den tropiſchen Meeren aus in Europa eingeführt
worden ſei; da man aber genügende Beweiſe hat, daß mehrere Arten daſelbſt wirklich heimiſch
ſind, ſo verſchwindet die Hoffnung, ſie einmal alle in einem ungewöhnlich ſtrengen Winter oder
durch eine ihrer Natur nachtheilige Witterung vertilgt zu ſehen, ſofern der Schiffswurm nämlich
meiſtens in der Nähe der Oberfläche und oft an Stellen verweilt, welche bei der Ebbe trocken
werden und nothwendig den Einflüſſen aller atmoſphäriſchen Veränderungen ausgeſetzt ſind.
Jn den Jahren 1731 und 1732 befanden ſich die vereinigten Niederlande in einer ſchreckenvollen
Aufregung, als man entdeckte, daß dieſe Thiere ſolche Zerſtörungen in dem Pfahlwerke der
Eindämmungen von Seeland und Friesland angerichtet hatten, daß ſie mit einer gänzlichen
Vernichtung deſſelben drohten und dem Menſchen ſchienen wieder entreißen zu wollen, was er
mit beiſpielloſer Anſtrengung dem Oceane abgerungen hatte. Glücklicher Weiſe verließen ſie
einige Jahre ſpäter dieſe Dämme wieder; aber in der Furcht vor der Wiederkehr eines Feindes,

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[925/0973] Bohrmuſchel. Schiffswurm. das Thier in Thätigkeit war, ſah man den noch freien Raum im Bohrloche neben der Schale ſich ganz allmälig mit feinem Torfſtaube füllen, bis er endlich zur Mündung der Höhle herausfiel. Die Losſcheuerung des Torfes konnte Mettenheimer nur dem Fuße zuſchreiben. Wenn daher nach dieſen nicht wohl anzutaſtenden Zeugniſſen über die verſchiedene mechaniſche Thätigkeit der Pholaden beim Bohren kein Zweifel erhoben werden kann, iſt natürlich keineswegs die Möglichkeit ausgeſchloſſen, daß außerdem immer, oder wo es ein härterer Kalkſtein erfordert, irgend ein Sekret der Muſchel eine auflöſende, das Raspeln und Reiben erleichternde Wirkung ausübt. Die bisher genannten bohrenden Muſcheln können kaum unter die ſchädlichen Thiere gezählt werden. An Pholas reiht ſich aber ein Thier von äußerſter Schädlichkeit an, der Schiffswurm, Teredo, über den wir vorerſt einige geſchichtliche Nachweiſe nach Johnſton’s Zuſammenſtellung bringen. „Die Zerſtörungen, welche dieſes wurmförmige Thier bewirkt, ſind anſehnlich genug, um ſowohl die Verhaßtheit, welche ihm zu Theil geworden, als auch den ſtrengen Ausdruck Linné’s zu rechtfertigen, welcher ihn calamitas navium (das Elend, Verderben der Schiffe) nennt. Er iſt mit dem Vermögen begabt, ſich in Holz einzubohren, zerſtört Schiffswracke, durchwühlt Bauwerke zur Einengung des Oceans, durchlöchert Schiffe, Brückenpfeiler und Bollwerke in allen Richtungen, ſo daß ſie bald, unfähig, der Gewalt der Wogen länger zu widerſtehen, ihnen erliegen müſſen. Der Betrag des Schadens, welchen der Schiffswurm auf dieſe Weiſe jährlich verübt, iſt ſchwer zu berechnen. Daß er aber ſehr beträchtlich ſei, geht aus den Klagen, welche über dieſes Thier in faſt allen Meeren erhoben werden, und aus den vielen koſtſpieligen Vorkehrungen zu Abwendung ſeiner Angriffe hervor. „Da giebt es“, ſagt ein ungenannter Reiſender, „in den indiſchen Meeren eine kleine Wurm-Art, welche in das Bauholz der Schiffe eindringt und daſſelbe ſo durchbohrt, daß ſie überall Waſſer ziehen; und wenn ſie es auch nicht ſogleich ganz durchbohrt, ſo greift ſie daſſelbe doch ſo an, daß es meiſtens unmöglich wird, es wieder herzuſtellen. Zwar wenden einige Theer, Haare und Kalk als Ueberzug der Schiffe an, welche indeſſen ſämmtlich nicht nur nicht genügen, um den Wurm zu vertreiben, ſondern auch das Schiff in ſeinem Laufe aufhalten. Die Portugieſen brennen ihre Schiffe (— es iſt die Rede vom Jahre 1666 —), ſo daß ſie ganz von einer zolldicken Kohlenrinde überzogen werden. Wenn dieſes Verfahren aber einerſeits gefährlich iſt, da es nicht ſelten geſchieht, daß das ganze Schiff verbrennt, ſo beruht andererſeits die Urſache, weshalb der Wurm die portugieſiſchen Schiffe nicht durchfrißt, nur in der außerordentlichen Härte des angewendeten Bauholzes.“ Jm Weſten iſt der Teredo eben ſo thätig. Die erſten engliſchen Schifffahrer ſind in ihren kühnen Unternehmungen oft gekreuzt und aufgehalten worden durch das Unbrauchbarwerden ihrer Schiffe; und bei weiterer Ausdehnung des engliſchen Handels wurde das Uebel ſo fühlbar, daß man ſich entſchloß, den Boden der Schiffe mit Blei und Kupfer zu überziehen. Gewöhnlich nimmt man an, daß der Schiffswurm nach der Mitte des 17. Jahrhunderts von den tropiſchen Meeren aus in Europa eingeführt worden ſei; da man aber genügende Beweiſe hat, daß mehrere Arten daſelbſt wirklich heimiſch ſind, ſo verſchwindet die Hoffnung, ſie einmal alle in einem ungewöhnlich ſtrengen Winter oder durch eine ihrer Natur nachtheilige Witterung vertilgt zu ſehen, ſofern der Schiffswurm nämlich meiſtens in der Nähe der Oberfläche und oft an Stellen verweilt, welche bei der Ebbe trocken werden und nothwendig den Einflüſſen aller atmoſphäriſchen Veränderungen ausgeſetzt ſind. Jn den Jahren 1731 und 1732 befanden ſich die vereinigten Niederlande in einer ſchreckenvollen Aufregung, als man entdeckte, daß dieſe Thiere ſolche Zerſtörungen in dem Pfahlwerke der Eindämmungen von Seeland und Friesland angerichtet hatten, daß ſie mit einer gänzlichen Vernichtung deſſelben drohten und dem Menſchen ſchienen wieder entreißen zu wollen, was er mit beiſpielloſer Anſtrengung dem Oceane abgerungen hatte. Glücklicher Weiſe verließen ſie einige Jahre ſpäter dieſe Dämme wieder; aber in der Furcht vor der Wiederkehr eines Feindes,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 925. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/973>, abgerufen am 23.11.2024.