Muscheln dicht über einander gelagert, so können sie 8 oder 10 auf einmal los bekommen. Dann zerren sie an der Leine und die Leute im Boote ziehen sie möglichst schnell wieder herauf. Man hat die Zeit, welche sie unter dem Wasser bleiben, sehr überschätzt, sie beträgt im Durchschnitt gewöhnlich 40 Sekunden. Unfälle durch Haifische kommen nicht oft vor, aber der Sägefisch ist sehr gefürchtet. Man erzählt Beispiele, wo Taucher durch diese Ungeheuer völlig entzwei geschnitten wurden. Um den Athem besser anhalten zu können, setzen sie ein Stück elastisches Horn über die Nase, welche dadurch fest zusammen gehalten wird. Der Taucher geht nicht jedesmal, wenn er an die Oberfläche kommt, an Bord zurück, sondern hält sich an den Stricken, welche an der Seite des Bordes hängen, fest, bis er wieder hinlänglich Athem geschöpft hat; meist nach drei Minuten Erholung stürzt er von Neuem in die Tiefe. Der Ertrag dieser Fischereien, welcher früher bis auf 300 Millionen Pfund Sterling sich belief, macht jetzt nach einem Berichterstatter nur mehr den 10. Theil aus."
Die zweite berühmteste Perlenregion Asiens ist die Westküste Ceylons und die Küsten des gegenüber liegenden Festlandes. Wir finden bei Heßling die Schilderung des englischen Offiziers Grylls, welcher zum Schutze der Perlenfischerei in Aripo auf Ceylon eine Truppenabtheilung befehligte und in seinem Buche sagt, daß er um alle Perlen der Welt diese Expedition nicht mehr wiederholen möge, welche mehrerer Monate seines Lebens raubte, indem er sie zuerst fast verhungernd, dann schiffbrüchig und schließlich in heftigem Fieber zubrachte. Heßling giebt nach ihm und unter Benützung anderer Erzählungen nachstehende Skizze: "Der Hauptplatz der Perlen- boote ist die dürre und öde Küste von Aripo (Ceylon). Mit unerbittlicher Macht sengt hier die Sonne Alles zusammen, so weit nur das Auge schweifen kann. Jm ausgeglühten Sande gedeiht nur Dorngestrüppe, zusammengeschrumpfte Blätter hängen am nackten Gesträuche. Die Thiere suchen Schutz vor den brennenden Strahlen, aber da ist nichts von einem Schatten, nur ein athemhemmender Dunst zittert über dem Boden und die See spiegelt die erdrückende Hitze zurück. Aus glühendem Sande ragen die gebleichten Gebeine der Perlentaucher hervor, welche die Gier nach den Schätzen in den Tod führte. Ein dorischer Palast, seit der englischen Besitzergreifung aus Quadersandstein erbaut, von außen mit dem schönsten Stucco aus Austerschalenkalk überzogen und von dürftigen Baumpflanzungen umgeben, ist der einzige Schmuck dieser Gegend, der einförmigsten von ganz Ceylon. Das ist der Ort, auf welchem sich das Bild des buntesten Treibens aufrollt, wenn die Taucherboote herausegeln und auf den Ruf der Regierung aus allen Gegenden Hindostaus Tausende und Tausende schnöden Gewinnes halber herbeiströmen. Da erheben sich plötzlich von Condatchy an längs dem Gestade hin breite Straßen, wo Hütte an Hütte aus Bambus- und Arekapfählen, mit Palmenblättern, Reißstroh und bunten Wollenzeugen bedeckt, aufsteigt, in denen Lubbies, d. i. die eingebornen Mohamedaner, Moren, d. i. moha- medanische Handelsleute aus der Ferne, Malabaren, Koromandeler und andere Hindus ihre Buden aufschlagen. Abenteurer und Taschenspieler treten auf, gewandte Diebe schleichen sich ein. An allen Orten Spekulation mit Geld und Kredit. Stolze Eingeborene vom Kontinent im Rufe des Reichthums lassen sich zum sinnenverwirrenden Schauspiele in reichverbrämten Tragsesseln unter prachtvollen Sonnenschirmen bringen. Alle indischen Sitten und Trachten kommen zum Vorschein, jede Kaste ist vertreten, Priester und Anhänger jeder Sekte eilen herbei, Gaukler und Tänzerinnen belustigen die Menge. Während dieses Schauspieles gehen jeden Morgen etwa 200 Boote in die See, von welchem jedes zwei Taucher, nebst zwei Gehilfen und einen Malayensoldaten mit geladenem Gewehre trägt; letzterer soll nämlich verhüten, daß die Muscheln ihrer Schätze nicht eher entledigt werden, bis sie aus Ufer gebracht sind. Jst diese ganze Flotte an ihrem Bestimmungsorte, etwa vier englische Meilen weit vom Lande angelangt, so beginnt die Arbeit. Eine bewaffnete Schaluppe liegt zu ihrem Schutze in der Nähe und ein Zeltdach dieses Fahrzeugs läßt mit Muße und Bequemlichkeit dieses Schauspiel genießen. Um den Tauchern die Erreichung des Meeresgrundes zu erleichtern, welcher an dem Aufenthaltsorte der Perlenmuscheln 10 bis
See-Perlenmuſchel.
Muſcheln dicht über einander gelagert, ſo können ſie 8 oder 10 auf einmal los bekommen. Dann zerren ſie an der Leine und die Leute im Boote ziehen ſie möglichſt ſchnell wieder herauf. Man hat die Zeit, welche ſie unter dem Waſſer bleiben, ſehr überſchätzt, ſie beträgt im Durchſchnitt gewöhnlich 40 Sekunden. Unfälle durch Haifiſche kommen nicht oft vor, aber der Sägefiſch iſt ſehr gefürchtet. Man erzählt Beiſpiele, wo Taucher durch dieſe Ungeheuer völlig entzwei geſchnitten wurden. Um den Athem beſſer anhalten zu können, ſetzen ſie ein Stück elaſtiſches Horn über die Naſe, welche dadurch feſt zuſammen gehalten wird. Der Taucher geht nicht jedesmal, wenn er an die Oberfläche kommt, an Bord zurück, ſondern hält ſich an den Stricken, welche an der Seite des Bordes hängen, feſt, bis er wieder hinlänglich Athem geſchöpft hat; meiſt nach drei Minuten Erholung ſtürzt er von Neuem in die Tiefe. Der Ertrag dieſer Fiſchereien, welcher früher bis auf 300 Millionen Pfund Sterling ſich belief, macht jetzt nach einem Berichterſtatter nur mehr den 10. Theil aus.“
Die zweite berühmteſte Perlenregion Aſiens iſt die Weſtküſte Ceylons und die Küſten des gegenüber liegenden Feſtlandes. Wir finden bei Heßling die Schilderung des engliſchen Offiziers Grylls, welcher zum Schutze der Perlenfiſcherei in Aripo auf Ceylon eine Truppenabtheilung befehligte und in ſeinem Buche ſagt, daß er um alle Perlen der Welt dieſe Expedition nicht mehr wiederholen möge, welche mehrerer Monate ſeines Lebens raubte, indem er ſie zuerſt faſt verhungernd, dann ſchiffbrüchig und ſchließlich in heftigem Fieber zubrachte. Heßling giebt nach ihm und unter Benützung anderer Erzählungen nachſtehende Skizze: „Der Hauptplatz der Perlen- boote iſt die dürre und öde Küſte von Aripo (Ceylon). Mit unerbittlicher Macht ſengt hier die Sonne Alles zuſammen, ſo weit nur das Auge ſchweifen kann. Jm ausgeglühten Sande gedeiht nur Dorngeſtrüppe, zuſammengeſchrumpfte Blätter hängen am nackten Geſträuche. Die Thiere ſuchen Schutz vor den brennenden Strahlen, aber da iſt nichts von einem Schatten, nur ein athemhemmender Dunſt zittert über dem Boden und die See ſpiegelt die erdrückende Hitze zurück. Aus glühendem Sande ragen die gebleichten Gebeine der Perlentaucher hervor, welche die Gier nach den Schätzen in den Tod führte. Ein doriſcher Palaſt, ſeit der engliſchen Beſitzergreifung aus Quaderſandſtein erbaut, von außen mit dem ſchönſten Stucco aus Auſterſchalenkalk überzogen und von dürftigen Baumpflanzungen umgeben, iſt der einzige Schmuck dieſer Gegend, der einförmigſten von ganz Ceylon. Das iſt der Ort, auf welchem ſich das Bild des bunteſten Treibens aufrollt, wenn die Taucherboote herauſegeln und auf den Ruf der Regierung aus allen Gegenden Hindoſtaus Tauſende und Tauſende ſchnöden Gewinnes halber herbeiſtrömen. Da erheben ſich plötzlich von Condatchy an längs dem Geſtade hin breite Straßen, wo Hütte an Hütte aus Bambus- und Arekapfählen, mit Palmenblättern, Reißſtroh und bunten Wollenzeugen bedeckt, aufſteigt, in denen Lubbies, d. i. die eingebornen Mohamedaner, Moren, d. i. moha- medaniſche Handelsleute aus der Ferne, Malabaren, Koromandeler und andere Hindus ihre Buden aufſchlagen. Abenteurer und Taſchenſpieler treten auf, gewandte Diebe ſchleichen ſich ein. An allen Orten Spekulation mit Geld und Kredit. Stolze Eingeborene vom Kontinent im Rufe des Reichthums laſſen ſich zum ſinnenverwirrenden Schauſpiele in reichverbrämten Tragſeſſeln unter prachtvollen Sonnenſchirmen bringen. Alle indiſchen Sitten und Trachten kommen zum Vorſchein, jede Kaſte iſt vertreten, Prieſter und Anhänger jeder Sekte eilen herbei, Gaukler und Tänzerinnen beluſtigen die Menge. Während dieſes Schauſpieles gehen jeden Morgen etwa 200 Boote in die See, von welchem jedes zwei Taucher, nebſt zwei Gehilfen und einen Malayenſoldaten mit geladenem Gewehre trägt; letzterer ſoll nämlich verhüten, daß die Muſcheln ihrer Schätze nicht eher entledigt werden, bis ſie aus Ufer gebracht ſind. Jſt dieſe ganze Flotte an ihrem Beſtimmungsorte, etwa vier engliſche Meilen weit vom Lande angelangt, ſo beginnt die Arbeit. Eine bewaffnete Schaluppe liegt zu ihrem Schutze in der Nähe und ein Zeltdach dieſes Fahrzeugs läßt mit Muße und Bequemlichkeit dieſes Schauſpiel genießen. Um den Tauchern die Erreichung des Meeresgrundes zu erleichtern, welcher an dem Aufenthaltsorte der Perlenmuſcheln 10 bis
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See-Perlenmuſchel.
Muſcheln dicht über einander gelagert, ſo können ſie 8 oder 10 auf einmal los bekommen. Dann
zerren ſie an der Leine und die Leute im Boote ziehen ſie möglichſt ſchnell wieder herauf. Man
hat die Zeit, welche ſie unter dem Waſſer bleiben, ſehr überſchätzt, ſie beträgt im Durchſchnitt
gewöhnlich 40 Sekunden. Unfälle durch Haifiſche kommen nicht oft vor, aber der Sägefiſch iſt
ſehr gefürchtet. Man erzählt Beiſpiele, wo Taucher durch dieſe Ungeheuer völlig entzwei geſchnitten
wurden. Um den Athem beſſer anhalten zu können, ſetzen ſie ein Stück elaſtiſches Horn über
die Naſe, welche dadurch feſt zuſammen gehalten wird. Der Taucher geht nicht jedesmal, wenn
er an die Oberfläche kommt, an Bord zurück, ſondern hält ſich an den Stricken, welche an der
Seite des Bordes hängen, feſt, bis er wieder hinlänglich Athem geſchöpft hat; meiſt nach drei Minuten
Erholung ſtürzt er von Neuem in die Tiefe. Der Ertrag dieſer Fiſchereien, welcher früher bis
auf 300 Millionen Pfund Sterling ſich belief, macht jetzt nach einem Berichterſtatter nur mehr
den 10. Theil aus.“
Die zweite berühmteſte Perlenregion Aſiens iſt die Weſtküſte Ceylons und die Küſten des
gegenüber liegenden Feſtlandes. Wir finden bei Heßling die Schilderung des engliſchen Offiziers
Grylls, welcher zum Schutze der Perlenfiſcherei in Aripo auf Ceylon eine Truppenabtheilung
befehligte und in ſeinem Buche ſagt, daß er um alle Perlen der Welt dieſe Expedition nicht
mehr wiederholen möge, welche mehrerer Monate ſeines Lebens raubte, indem er ſie zuerſt faſt
verhungernd, dann ſchiffbrüchig und ſchließlich in heftigem Fieber zubrachte. Heßling giebt nach
ihm und unter Benützung anderer Erzählungen nachſtehende Skizze: „Der Hauptplatz der Perlen-
boote iſt die dürre und öde Küſte von Aripo (Ceylon). Mit unerbittlicher Macht ſengt hier die
Sonne Alles zuſammen, ſo weit nur das Auge ſchweifen kann. Jm ausgeglühten Sande gedeiht
nur Dorngeſtrüppe, zuſammengeſchrumpfte Blätter hängen am nackten Geſträuche. Die Thiere
ſuchen Schutz vor den brennenden Strahlen, aber da iſt nichts von einem Schatten, nur ein
athemhemmender Dunſt zittert über dem Boden und die See ſpiegelt die erdrückende Hitze zurück.
Aus glühendem Sande ragen die gebleichten Gebeine der Perlentaucher hervor, welche die Gier
nach den Schätzen in den Tod führte. Ein doriſcher Palaſt, ſeit der engliſchen Beſitzergreifung
aus Quaderſandſtein erbaut, von außen mit dem ſchönſten Stucco aus Auſterſchalenkalk überzogen
und von dürftigen Baumpflanzungen umgeben, iſt der einzige Schmuck dieſer Gegend, der
einförmigſten von ganz Ceylon. Das iſt der Ort, auf welchem ſich das Bild des bunteſten
Treibens aufrollt, wenn die Taucherboote herauſegeln und auf den Ruf der Regierung aus allen
Gegenden Hindoſtaus Tauſende und Tauſende ſchnöden Gewinnes halber herbeiſtrömen. Da
erheben ſich plötzlich von Condatchy an längs dem Geſtade hin breite Straßen, wo Hütte an
Hütte aus Bambus- und Arekapfählen, mit Palmenblättern, Reißſtroh und bunten Wollenzeugen
bedeckt, aufſteigt, in denen Lubbies, d. i. die eingebornen Mohamedaner, Moren, d. i. moha-
medaniſche Handelsleute aus der Ferne, Malabaren, Koromandeler und andere Hindus ihre
Buden aufſchlagen. Abenteurer und Taſchenſpieler treten auf, gewandte Diebe ſchleichen ſich ein.
An allen Orten Spekulation mit Geld und Kredit. Stolze Eingeborene vom Kontinent im
Rufe des Reichthums laſſen ſich zum ſinnenverwirrenden Schauſpiele in reichverbrämten Tragſeſſeln
unter prachtvollen Sonnenſchirmen bringen. Alle indiſchen Sitten und Trachten kommen zum
Vorſchein, jede Kaſte iſt vertreten, Prieſter und Anhänger jeder Sekte eilen herbei, Gaukler und
Tänzerinnen beluſtigen die Menge. Während dieſes Schauſpieles gehen jeden Morgen etwa 200
Boote in die See, von welchem jedes zwei Taucher, nebſt zwei Gehilfen und einen Malayenſoldaten
mit geladenem Gewehre trägt; letzterer ſoll nämlich verhüten, daß die Muſcheln ihrer Schätze
nicht eher entledigt werden, bis ſie aus Ufer gebracht ſind. Jſt dieſe ganze Flotte an ihrem
Beſtimmungsorte, etwa vier engliſche Meilen weit vom Lande angelangt, ſo beginnt die Arbeit.
Eine bewaffnete Schaluppe liegt zu ihrem Schutze in der Nähe und ein Zeltdach dieſes Fahrzeugs
läßt mit Muße und Bequemlichkeit dieſes Schauſpiel genießen. Um den Tauchern die Erreichung
des Meeresgrundes zu erleichtern, welcher an dem Aufenthaltsorte der Perlenmuſcheln 10 bis
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 941. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/989>, abgerufen am 23.11.2024.
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