Besitzt dagegen der Mann keine Religion, ist die Wacht des Gewissens in seinem Innern erstorben, so ist er zu jeglicher Ungerechtigkeit und jeglichem Verrathe fähig. Heute schimpft er in animirter Gesellschaft mit vollem Munde über die laxe Moral der Jesuiten und schon vielleicht Morgen thut er mit beiden Händen einen kühnen Griff in die Staatskasse und sucht mit einer großen Summe schleunigst das Weite. Heute heuchelt er gegen seinen Fürsten treueste Ergebenheit und viel- leicht Morgen schon nimmt er Theil an einem revolu- tionären Komplotte. Nur die Rücksicht auf den größeren Gewinn, auf das blinkende Gold, auf die Partei, der er angehört, wird für ihn maßgebend sein; alles Andere ist ihm feil lind verkäuflich, besitzt für ihn keinen Werth.
Im August 1885 starb in Haag Staatsminister Moddermann. Derselbe war ein gläubiger Protestant, aber ohne allen Fanatismus und rechtlich durch und durch. Vor der katholischen Kirche, die ob ihrer Frei- heit in seinem Vaterlande herrliche Blüthen entfaltet, hatte er eine große Hochachtung. Eines Tages kam ein Rechtscandidat zu ihm und bat um eine Anstellung im Staatsdienste. Moddermann fragte ihn: "Welcher Con- fession gehören Sie an?" Der junge Mann ant- wortete: "Ich bin eigentlich katholisch, aber darauf kommt es mir nicht weiter an.""Was?" sagte Modder- mann mit Strenge und sprang auf, "Sie wissen es nicht zu schätzen, was es heißt, in der katholischen Kirche geboren und erzogen zu sein? Ich habe für Sie keine
Besitzt dagegen der Mann keine Religion, ist die Wacht des Gewissens in seinem Innern erstorben, so ist er zu jeglicher Ungerechtigkeit und jeglichem Verrathe fähig. Heute schimpft er in animirter Gesellschaft mit vollem Munde über die laxe Moral der Jesuiten und schon vielleicht Morgen thut er mit beiden Händen einen kühnen Griff in die Staatskasse und sucht mit einer großen Summe schleunigst das Weite. Heute heuchelt er gegen seinen Fürsten treueste Ergebenheit und viel- leicht Morgen schon nimmt er Theil an einem revolu- tionären Komplotte. Nur die Rücksicht auf den größeren Gewinn, auf das blinkende Gold, auf die Partei, der er angehört, wird für ihn maßgebend sein; alles Andere ist ihm feil lind verkäuflich, besitzt für ihn keinen Werth.
Im August 1885 starb in Haag Staatsminister Moddermann. Derselbe war ein gläubiger Protestant, aber ohne allen Fanatismus und rechtlich durch und durch. Vor der katholischen Kirche, die ob ihrer Frei- heit in seinem Vaterlande herrliche Blüthen entfaltet, hatte er eine große Hochachtung. Eines Tages kam ein Rechtscandidat zu ihm und bat um eine Anstellung im Staatsdienste. Moddermann fragte ihn: „Welcher Con- fession gehören Sie an?“ Der junge Mann ant- wortete: „Ich bin eigentlich katholisch, aber darauf kommt es mir nicht weiter an.“„Was?“ sagte Modder- mann mit Strenge und sprang auf, „Sie wissen es nicht zu schätzen, was es heißt, in der katholischen Kirche geboren und erzogen zu sein? Ich habe für Sie keine
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Besitzt dagegen der Mann keine Religion, ist die
Wacht des Gewissens in seinem Innern erstorben, so
ist er zu jeglicher Ungerechtigkeit und jeglichem Verrathe
fähig. Heute schimpft er in animirter Gesellschaft mit
vollem Munde über die laxe Moral der Jesuiten und
schon vielleicht Morgen thut er mit beiden Händen einen
kühnen Griff in die Staatskasse und sucht mit einer
großen Summe schleunigst das Weite. Heute heuchelt
er gegen seinen Fürsten treueste Ergebenheit und viel-
leicht Morgen schon nimmt er Theil an einem revolu-
tionären Komplotte. Nur die Rücksicht auf den größeren
Gewinn, auf das blinkende Gold, auf die Partei, der
er angehört, wird für ihn maßgebend sein; alles
Andere ist ihm feil lind verkäuflich, besitzt für ihn
keinen Werth.
Im August 1885 starb in Haag Staatsminister
Moddermann. Derselbe war ein gläubiger Protestant,
aber ohne allen Fanatismus und rechtlich durch und
durch. Vor der katholischen Kirche, die ob ihrer Frei-
heit in seinem Vaterlande herrliche Blüthen entfaltet,
hatte er eine große Hochachtung. Eines Tages kam ein
Rechtscandidat zu ihm und bat um eine Anstellung im
Staatsdienste. Moddermann fragte ihn: „Welcher Con-
fession gehören Sie an?“ Der junge Mann ant-
wortete: „Ich bin eigentlich katholisch, aber darauf
kommt es mir nicht weiter an.“ „Was?“ sagte Modder-
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geboren und erzogen zu sein? Ich habe für Sie keine
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Bremscheid, Matthias von. Der christliche Mann in seinem Glauben und Leben. Mainz, 1901, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bremscheid_mann_1901/39>, abgerufen am 23.11.2024.
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