Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838."In's Inn're der Natur dringt kein erschaffner Geist, Zu glücklich, wem sie nur die äußre Schaale weis't. Zum Kern der Kunstfigur, zu wissen wie sie speis't, Dringt jener Frevler nur, den in die Nas' sie beißt." "Sehen kann man es nicht, aber hören sollen Sie es "Knupper, Knupper Kneischen, Du knupperst ja im Häuschen, O du schöne Kunstfigur! Wie ein Mäuschen von Natur." Dann nahm der Alte die Kunstfigur wieder heraus, Denn nach Tische soll man stehn, Oder tausend Schritte gehn, Sagt der würdige Galen." Die Puppe aber wackelte mit Kopf und Händchen und Gackeleia außer sich vor Freude rief: "ach sie winkt mir, „In's Inn're der Natur dringt kein erſchaffner Geiſt, Zu gluͤcklich, wem ſie nur die aͤußre Schaale weiſ't. Zum Kern der Kunſtfigur, zu wiſſen wie ſie ſpeiſ't, Dringt jener Frevler nur, den in die Naſ' ſie beißt.“ „Sehen kann man es nicht, aber hoͤren ſollen Sie es „Knupper, Knupper Kneischen, Du knupperſt ja im Haͤuschen, O du ſchoͤne Kunſtfigur! Wie ein Maͤuschen von Natur.“ Dann nahm der Alte die Kunſtfigur wieder heraus, Denn nach Tiſche ſoll man ſtehn, Oder tauſend Schritte gehn, Sagt der wuͤrdige Galen.“ Die Puppe aber wackelte mit Kopf und Haͤndchen und Gackeleia außer ſich vor Freude rief: „ach ſie winkt mir, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0152" n="114"/> <lg type="poem"> <l>„In's Inn're der Natur dringt kein erſchaffner Geiſt,</l><lb/> <l>Zu gluͤcklich, wem ſie nur die aͤußre Schaale weiſ't.</l><lb/> <l>Zum Kern der Kunſtfigur, zu wiſſen wie ſie ſpeiſ't,</l><lb/> <l>Dringt jener Frevler nur, den in die Naſ' ſie beißt.“</l><lb/> </lg> <p>„Sehen kann man es nicht, aber hoͤren ſollen Sie es<lb/> gleich!“ — „Hoͤren?“ ſagte Gackeleia, „ſie ſchmatzt doch<lb/> nicht, das waͤre nicht artig!“ — „Geduld,“ ſagte der Alte,<lb/> „geben mir das Comteßchen ihr Koͤrbchen, haben Sie nichts<lb/> zu naſchen?“ — „O ja“, ſagte Gackeleia, „da ſind Knack¬<lb/> mandeln von Jungfer Widder, der Schuljungfer, ſie hat ſie<lb/> nach ihrem Braͤutigam geworfen, und Prinz Kronovus hat ſie<lb/> aufgeleſen und mir geſchenkt.“ — „Herrlich,“ ſagte der Alte,<lb/> „aber eine iſt genug,“ und er that die Figur in den Korb<lb/> und die Knackmandel dazu und den Deckel daruͤber, und nun<lb/> ſtellte er den Korb dicht ans Gartengitter und ſagte: „Jetzt<lb/> horchen Sie, wie die Kunſtfigur kruſtilliret.“ — Gackeleia<lb/> hielt das Ohr an den Korb und hoͤrte die Kunſtfigur bald ſo<lb/> artig mit den Zaͤhnchen knuppern, daß ſie freudig ausrief:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Knupper, Knupper Kneischen,</l><lb/> <l>Du knupperſt ja im Haͤuschen,</l><lb/> <l>O du ſchoͤne Kunſtfigur!</l><lb/> <l>Wie ein Maͤuschen von Natur.“</l><lb/> </lg> <p>Dann nahm der Alte die Kunſtfigur wieder heraus,<lb/> zog das Uhrwerk auf und ſagte. „Jetzt wird ihr zur Ver¬<lb/> dauung ein Spaziergang geſund ſeyn, ſonſt ſchlaͤft ſie uns ein:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Denn nach Tiſche ſoll man ſtehn,</l><lb/> <l>Oder tauſend Schritte gehn,</l><lb/> <l>Sagt der wuͤrdige Galen.“</l><lb/> </lg> <p>Die Puppe aber wackelte mit Kopf und Haͤndchen und<lb/> da er ſie an den Boden ſetzte, lief ſie gar geſchaͤftig am Gar¬<lb/> tengitter hin und her, nickte und winkte und ſtieß manchmal<lb/> ans Gitter, weil ſie durch wollte in den Garten, aber nicht<lb/> konnte, denn die Oeffnungen waren nicht groß genug.</p><lb/> <p>Gackeleia außer ſich vor Freude rief: „ach ſie winkt mir,<lb/> ſie winkt mir, ſie moͤchte zu mir in den Garten — ach lie¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [114/0152]
„In's Inn're der Natur dringt kein erſchaffner Geiſt,
Zu gluͤcklich, wem ſie nur die aͤußre Schaale weiſ't.
Zum Kern der Kunſtfigur, zu wiſſen wie ſie ſpeiſ't,
Dringt jener Frevler nur, den in die Naſ' ſie beißt.“
„Sehen kann man es nicht, aber hoͤren ſollen Sie es
gleich!“ — „Hoͤren?“ ſagte Gackeleia, „ſie ſchmatzt doch
nicht, das waͤre nicht artig!“ — „Geduld,“ ſagte der Alte,
„geben mir das Comteßchen ihr Koͤrbchen, haben Sie nichts
zu naſchen?“ — „O ja“, ſagte Gackeleia, „da ſind Knack¬
mandeln von Jungfer Widder, der Schuljungfer, ſie hat ſie
nach ihrem Braͤutigam geworfen, und Prinz Kronovus hat ſie
aufgeleſen und mir geſchenkt.“ — „Herrlich,“ ſagte der Alte,
„aber eine iſt genug,“ und er that die Figur in den Korb
und die Knackmandel dazu und den Deckel daruͤber, und nun
ſtellte er den Korb dicht ans Gartengitter und ſagte: „Jetzt
horchen Sie, wie die Kunſtfigur kruſtilliret.“ — Gackeleia
hielt das Ohr an den Korb und hoͤrte die Kunſtfigur bald ſo
artig mit den Zaͤhnchen knuppern, daß ſie freudig ausrief:
„Knupper, Knupper Kneischen,
Du knupperſt ja im Haͤuschen,
O du ſchoͤne Kunſtfigur!
Wie ein Maͤuschen von Natur.“
Dann nahm der Alte die Kunſtfigur wieder heraus,
zog das Uhrwerk auf und ſagte. „Jetzt wird ihr zur Ver¬
dauung ein Spaziergang geſund ſeyn, ſonſt ſchlaͤft ſie uns ein:
Denn nach Tiſche ſoll man ſtehn,
Oder tauſend Schritte gehn,
Sagt der wuͤrdige Galen.“
Die Puppe aber wackelte mit Kopf und Haͤndchen und
da er ſie an den Boden ſetzte, lief ſie gar geſchaͤftig am Gar¬
tengitter hin und her, nickte und winkte und ſtieß manchmal
ans Gitter, weil ſie durch wollte in den Garten, aber nicht
konnte, denn die Oeffnungen waren nicht groß genug.
Gackeleia außer ſich vor Freude rief: „ach ſie winkt mir,
ſie winkt mir, ſie moͤchte zu mir in den Garten — ach lie¬
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