richteten Alles in eine vollkommene Stadt ein, und es wird jetzt von dort aus ein großes Mäusereich regiert. Du wirst dein blaues Wunder an den herrlichen, geschmackvollen An¬ lagen sehen. Sobald wir dort sind, lasse ich dir ein Blumen¬ bettchen auf unserm Maifeld machen, da legst du dich gleich nieder und schläfst und kannst dann Alles verstehen, was ich sagen und thun werde, um deinem Vater Gockel den Ring Salomonis wieder zu verschaffen. -- Jetzt erschrick nicht, ich beiße dich ein bischen ins Ohr, damit du aufwachst; dann nehme ich einen leuchtenden Johanniswurm in den Mund und laufe vor dir her nach meiner Heimath, da folgst du mir, wie einer Fackelträgerin. Glück auf Gackeleia!" Nun biß die Prinzessin Mandelbiß mich ins Ohrläppchen, und ich erwachte.
Schnell packte ich die Kunstfigur und alles Andre wie¬ der in mein Körbchen und rüstete mich zum Abmarsch. Die Mäuseprinzessin machte die lustigsten Freudensprünge mit dem leuchtenden Johanniswürmchen vor mir her durch das Gras, was gut war; denn da der Mond noch nicht aufge¬ gangen, so war es im dichten Wald noch sehr dunkel und ich wußte weder Weg, noch Steg. Ich folgte dem Lich¬ te; aber sie eilte so sehr, daß ich sie oft aus dem Ge¬ sichte verlor. Wenn ich dann ängstlich rief: "Mandelbi߬ chen, laß mich nicht im Stiche!" pfiff sie laut und sprang mit dem Lichtchen vor mir hoch aus dem Gras auf, wo¬ durch ich mich wieder zurecht fand.
Als wir ungefähr eine halbe Stunde gegangen waren, hörte ich ein großes Gepfeife und sah um einen Hügel herum die Residenz des Mäusekönigs im Sternenschein liegen, die ich euch gleich beschreiben will. Kaum hatte die Prin¬ zessin sich am Thore der Stadt gezeigt, als es weit aufflog, und ein freudiges Gepfeife durch die ganze Stadt und das oben liegende Schloß sich verbreitete, aus welchem viele weiße Mäuse ihr entgegenstürzten und sie mit großem Ju¬
richteten Alles in eine vollkommene Stadt ein, und es wird jetzt von dort aus ein großes Maͤuſereich regiert. Du wirſt dein blaues Wunder an den herrlichen, geſchmackvollen An¬ lagen ſehen. Sobald wir dort ſind, laſſe ich dir ein Blumen¬ bettchen auf unſerm Maifeld machen, da legſt du dich gleich nieder und ſchlaͤfſt und kannſt dann Alles verſtehen, was ich ſagen und thun werde, um deinem Vater Gockel den Ring Salomonis wieder zu verſchaffen. — Jetzt erſchrick nicht, ich beiße dich ein bischen ins Ohr, damit du aufwachſt; dann nehme ich einen leuchtenden Johanniswurm in den Mund und laufe vor dir her nach meiner Heimath, da folgſt du mir, wie einer Fackeltraͤgerin. Gluͤck auf Gackeleia!“ Nun biß die Prinzeſſin Mandelbiß mich ins Ohrlaͤppchen, und ich erwachte.
Schnell packte ich die Kunſtfigur und alles Andre wie¬ der in mein Koͤrbchen und ruͤſtete mich zum Abmarſch. Die Maͤuſeprinzeſſin machte die luſtigſten Freudenſpruͤnge mit dem leuchtenden Johanniswuͤrmchen vor mir her durch das Gras, was gut war; denn da der Mond noch nicht aufge¬ gangen, ſo war es im dichten Wald noch ſehr dunkel und ich wußte weder Weg, noch Steg. Ich folgte dem Lich¬ te; aber ſie eilte ſo ſehr, daß ich ſie oft aus dem Ge¬ ſichte verlor. Wenn ich dann aͤngſtlich rief: „Mandelbi߬ chen, laß mich nicht im Stiche!“ pfiff ſie laut und ſprang mit dem Lichtchen vor mir hoch aus dem Gras auf, wo¬ durch ich mich wieder zurecht fand.
Als wir ungefaͤhr eine halbe Stunde gegangen waren, hoͤrte ich ein großes Gepfeife und ſah um einen Huͤgel herum die Reſidenz des Maͤuſekoͤnigs im Sternenſchein liegen, die ich euch gleich beſchreiben will. Kaum hatte die Prin¬ zeſſin ſich am Thore der Stadt gezeigt, als es weit aufflog, und ein freudiges Gepfeife durch die ganze Stadt und das oben liegende Schloß ſich verbreitete, aus welchem viele weiße Maͤuſe ihr entgegenſtuͤrzten und ſie mit großem Ju¬
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richteten Alles in eine vollkommene Stadt ein, und es wird
jetzt von dort aus ein großes Maͤuſereich regiert. Du wirſt
dein blaues Wunder an den herrlichen, geſchmackvollen An¬
lagen ſehen. Sobald wir dort ſind, laſſe ich dir ein Blumen¬
bettchen auf unſerm Maifeld machen, da legſt du dich gleich
nieder und ſchlaͤfſt und kannſt dann Alles verſtehen, was ich
ſagen und thun werde, um deinem Vater Gockel den Ring
Salomonis wieder zu verſchaffen. — Jetzt erſchrick nicht, ich
beiße dich ein bischen ins Ohr, damit du aufwachſt; dann
nehme ich einen leuchtenden Johanniswurm in den Mund
und laufe vor dir her nach meiner Heimath, da folgſt du
mir, wie einer Fackeltraͤgerin. Gluͤck auf Gackeleia!“ Nun
biß die Prinzeſſin Mandelbiß mich ins Ohrlaͤppchen, und ich
erwachte.
Schnell packte ich die Kunſtfigur und alles Andre wie¬
der in mein Koͤrbchen und ruͤſtete mich zum Abmarſch. Die
Maͤuſeprinzeſſin machte die luſtigſten Freudenſpruͤnge mit
dem leuchtenden Johanniswuͤrmchen vor mir her durch das
Gras, was gut war; denn da der Mond noch nicht aufge¬
gangen, ſo war es im dichten Wald noch ſehr dunkel und
ich wußte weder Weg, noch Steg. Ich folgte dem Lich¬
te; aber ſie eilte ſo ſehr, daß ich ſie oft aus dem Ge¬
ſichte verlor. Wenn ich dann aͤngſtlich rief: „Mandelbi߬
chen, laß mich nicht im Stiche!“ pfiff ſie laut und ſprang
mit dem Lichtchen vor mir hoch aus dem Gras auf, wo¬
durch ich mich wieder zurecht fand.
Als wir ungefaͤhr eine halbe Stunde gegangen waren,
hoͤrte ich ein großes Gepfeife und ſah um einen Huͤgel
herum die Reſidenz des Maͤuſekoͤnigs im Sternenſchein liegen,
die ich euch gleich beſchreiben will. Kaum hatte die Prin¬
zeſſin ſich am Thore der Stadt gezeigt, als es weit aufflog,
und ein freudiges Gepfeife durch die ganze Stadt und das
oben liegende Schloß ſich verbreitete, aus welchem viele
weiße Maͤuſe ihr entgegenſtuͤrzten und ſie mit großem Ju¬
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/195>, abgerufen am 23.11.2024.
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