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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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und vor einander selbst. Sie fürchten des Ringes halber ge¬
tödtet zu werden; damit man nun nicht merken möge, wo
ihr großer Reichthum herkömmt, haben sie hier die großen
Salzbergwerke gekauft und sind Salzverschwärzer, Salzver¬
silberer, Salzjunker und endlich Salzgrafen geworden; sie ha¬
ben sich einen salzgräflichen Pallast erbaut, sie sagen, daß sie
Gold machen können; aber Alles ist durch den Ring Salomonis.
Trage mich und Sissi nur gleich in die Kirche und bete einst¬
weilen, daß Gott uns hilft, so wollen wir den Ring bald
erwischen. So gern ich und Sissi und alle Mäuse Salz le¬
cken, brauchen wir doch kein Scheffel Salz mit diesen kurio¬
sen Grafen zu essen, bis wir sie kennen lernen."

Nach diesen Worten wachte ich auf und trug die Mäus¬
chen geschwind, geschwind in meinem Korb in die Kirche
nach Urbs; der Gedanke, dem lieben Ring so nah zu seyn,
lehrte mich so schnelle zu laufen, als da ich die Puppe und
mich die Ruthe verfolgte. -- O liebe Eltern, welche Kirche!
welches Wunder der Architekto-Natürlichkeit, der ungeheure
große gothische Säulenwald mit unzählichem Schnitz-, Spitz-,
Glitz-, Blitz-, Ritz-, Kritz- und Spritzwerk im vorgothischen
und hintergelnhausenschen Spitzbubenschenkel-Katzenellenbo¬
gen-Styl übertraf das Unerhörte. -- Alles, alles war von
Salz, die Kirche war ein Salzkrystall, die Fenster waren
Salzscheiben, die Kanzel war ein Salzfaß; das Merkwür¬
digste aber war die Erbauung dieser Kirche: ein eifriger Mann
hatte hier vom Krystalismus predigend gesagt: wer die
Hand an den Pflug gelegt, der solle sich nicht mehr um¬
schauen, die Weiber sollten an Loths Weib denken, die durch
das Umschauen in eine Salzsäule verwandelt worden; "ach!"
rief er aus, "wollte Gott ein Wunder zur Erbauung der
Kirche thun, an eurem Umschauen fehlt es nicht, so hätten
wir einen Wald von Säulen, ehe man sich umsieht, um
eine Kirche darauf zu stützen." In demselben Augenblick kam
die Frau Salzinspektorin mit einem neuen Hut in die Kirche,

und vor einander ſelbſt. Sie fuͤrchten des Ringes halber ge¬
toͤdtet zu werden; damit man nun nicht merken moͤge, wo
ihr großer Reichthum herkoͤmmt, haben ſie hier die großen
Salzbergwerke gekauft und ſind Salzverſchwaͤrzer, Salzver¬
ſilberer, Salzjunker und endlich Salzgrafen geworden; ſie ha¬
ben ſich einen ſalzgraͤflichen Pallaſt erbaut, ſie ſagen, daß ſie
Gold machen koͤnnen; aber Alles iſt durch den Ring Salomonis.
Trage mich und Siſſi nur gleich in die Kirche und bete einſt¬
weilen, daß Gott uns hilft, ſo wollen wir den Ring bald
erwiſchen. So gern ich und Siſſi und alle Maͤuſe Salz le¬
cken, brauchen wir doch kein Scheffel Salz mit dieſen kurio¬
ſen Grafen zu eſſen, bis wir ſie kennen lernen.“

Nach dieſen Worten wachte ich auf und trug die Maͤus¬
chen geſchwind, geſchwind in meinem Korb in die Kirche
nach Urbs; der Gedanke, dem lieben Ring ſo nah zu ſeyn,
lehrte mich ſo ſchnelle zu laufen, als da ich die Puppe und
mich die Ruthe verfolgte. — O liebe Eltern, welche Kirche!
welches Wunder der Architekto-Natuͤrlichkeit, der ungeheure
große gothiſche Saͤulenwald mit unzaͤhlichem Schnitz-, Spitz-,
Glitz-, Blitz-, Ritz-, Kritz- und Spritzwerk im vorgothiſchen
und hintergelnhauſenſchen Spitzbubenſchenkel-Katzenellenbo¬
gen-Styl uͤbertraf das Unerhoͤrte. — Alles, alles war von
Salz, die Kirche war ein Salzkryſtall, die Fenſter waren
Salzſcheiben, die Kanzel war ein Salzfaß; das Merkwuͤr¬
digſte aber war die Erbauung dieſer Kirche: ein eifriger Mann
hatte hier vom Kryſtalismus predigend geſagt: wer die
Hand an den Pflug gelegt, der ſolle ſich nicht mehr um¬
ſchauen, die Weiber ſollten an Loths Weib denken, die durch
das Umſchauen in eine Salzſaͤule verwandelt worden; „ach!“
rief er aus, „wollte Gott ein Wunder zur Erbauung der
Kirche thun, an eurem Umſchauen fehlt es nicht, ſo haͤtten
wir einen Wald von Saͤulen, ehe man ſich umſieht, um
eine Kirche darauf zu ſtuͤtzen.“ In demſelben Augenblick kam
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[172/0220] und vor einander ſelbſt. Sie fuͤrchten des Ringes halber ge¬ toͤdtet zu werden; damit man nun nicht merken moͤge, wo ihr großer Reichthum herkoͤmmt, haben ſie hier die großen Salzbergwerke gekauft und ſind Salzverſchwaͤrzer, Salzver¬ ſilberer, Salzjunker und endlich Salzgrafen geworden; ſie ha¬ ben ſich einen ſalzgraͤflichen Pallaſt erbaut, ſie ſagen, daß ſie Gold machen koͤnnen; aber Alles iſt durch den Ring Salomonis. Trage mich und Siſſi nur gleich in die Kirche und bete einſt¬ weilen, daß Gott uns hilft, ſo wollen wir den Ring bald erwiſchen. So gern ich und Siſſi und alle Maͤuſe Salz le¬ cken, brauchen wir doch kein Scheffel Salz mit dieſen kurio¬ ſen Grafen zu eſſen, bis wir ſie kennen lernen.“ Nach dieſen Worten wachte ich auf und trug die Maͤus¬ chen geſchwind, geſchwind in meinem Korb in die Kirche nach Urbs; der Gedanke, dem lieben Ring ſo nah zu ſeyn, lehrte mich ſo ſchnelle zu laufen, als da ich die Puppe und mich die Ruthe verfolgte. — O liebe Eltern, welche Kirche! welches Wunder der Architekto-Natuͤrlichkeit, der ungeheure große gothiſche Saͤulenwald mit unzaͤhlichem Schnitz-, Spitz-, Glitz-, Blitz-, Ritz-, Kritz- und Spritzwerk im vorgothiſchen und hintergelnhauſenſchen Spitzbubenſchenkel-Katzenellenbo¬ gen-Styl uͤbertraf das Unerhoͤrte. — Alles, alles war von Salz, die Kirche war ein Salzkryſtall, die Fenſter waren Salzſcheiben, die Kanzel war ein Salzfaß; das Merkwuͤr¬ digſte aber war die Erbauung dieſer Kirche: ein eifriger Mann hatte hier vom Kryſtalismus predigend geſagt: wer die Hand an den Pflug gelegt, der ſolle ſich nicht mehr um¬ ſchauen, die Weiber ſollten an Loths Weib denken, die durch das Umſchauen in eine Salzſaͤule verwandelt worden; „ach!“ rief er aus, „wollte Gott ein Wunder zur Erbauung der Kirche thun, an eurem Umſchauen fehlt es nicht, ſo haͤtten wir einen Wald von Saͤulen, ehe man ſich umſieht, um eine Kirche darauf zu ſtuͤtzen.“ In demſelben Augenblick kam die Frau Salzinſpektorin mit einem neuen Hut in die Kirche,

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/220>, abgerufen am 24.11.2024.