Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

Schloß wieder seyn möchte, wie es einst im höchsten Glanze
bei unsern Vorältern gewesen; auch wünschte ich euch als
schöne Leute in den besten Jahren und mich als eine schöne
vernünftige Jungfrau, über die Puppen -- wollt' ich sagen
Kunstfiguren-Jahre hinaus zu sehen; zürnet nicht lieber Vater,
aber der Gedanke an die Kunstfigur von Birkenreis kann
mich noch jetzt erbittern." -- Gockel lachte und sagte: "Ga¬
ckeleia dreh' den Ring nur noch einmal, um verständig zu
werden, es steckt noch viel vom eigensiunigen Kind in der
erwachsenen Jungfrau, du willst die Ruthe noch nicht kü¬
ßen!" -- da küßte Gackeleia ihm die Hand und fuhr fort:
"Als nun Alles nach meinem Wunsche geworden war, schlich
ich zu euch in den Hühnerstall und drückte mich in einen
Winkel, um eure Ueberraschung recht zu genießen. Sissi aber
wollte mit aller Gewalt unter die Puppe gebunden seyn,
um euch zu wecken; da lief sie über euer Stroh und als ihr
aufriefet: "die Puppe! die Puppe!" sagte ich:

"Keine Puppe, es ist nur
Eine schöne Kunstfigur."

"Das Andre wißt ihr Alles."

Nach dieser Erzählung umarmten Gockel und Hinkel die
Gackeleia unter Freudenthränen und sagten: "Dank, tausend
Dank, liebes Kind; du sollst zum Lohne deiner Güte nun auch
den Ring immer am Finger haben, du sollst Alles wünschen,
was du willst!"

Gackeleia sagte: "ich nehme es an, vor Allem wollen
wir die drei Esel, welche im Hofe stehen mit Allem bepa¬
cken; was ich dem guten Mäusekönig versprochen habe und
dann sollt ihr sehen, wie vernünftig ich wünschen will"

Nun giengen sie hinab und wünschten, nachdem die Käse
und die Schinken den Eseln auf den Rücken gepackt waren,
den Königsberger Marzipan, den Thornischen Pfefferkuchen,
die Jauerischen Bratwürste, die Spandauer Zimmetbretzeln,

Schloß wieder ſeyn moͤchte, wie es einſt im hoͤchſten Glanze
bei unſern Voraͤltern geweſen; auch wuͤnſchte ich euch als
ſchoͤne Leute in den beſten Jahren und mich als eine ſchoͤne
vernuͤnftige Jungfrau, uͤber die Puppen — wollt' ich ſagen
Kunſtfiguren-Jahre hinaus zu ſehen; zuͤrnet nicht lieber Vater,
aber der Gedanke an die Kunſtfigur von Birkenreis kann
mich noch jetzt erbittern.“ — Gockel lachte und ſagte: „Ga¬
ckeleia dreh' den Ring nur noch einmal, um verſtaͤndig zu
werden, es ſteckt noch viel vom eigenſiunigen Kind in der
erwachſenen Jungfrau, du willſt die Ruthe noch nicht kuͤ¬
ßen!“ — da kuͤßte Gackeleia ihm die Hand und fuhr fort:
„Als nun Alles nach meinem Wunſche geworden war, ſchlich
ich zu euch in den Huͤhnerſtall und druͤckte mich in einen
Winkel, um eure Ueberraſchung recht zu genießen. Siſſi aber
wollte mit aller Gewalt unter die Puppe gebunden ſeyn,
um euch zu wecken; da lief ſie uͤber euer Stroh und als ihr
aufriefet: „die Puppe! die Puppe!“ ſagte ich:

„Keine Puppe, es iſt nur
Eine ſchoͤne Kunſtfigur.“

„Das Andre wißt ihr Alles.“

Nach dieſer Erzaͤhlung umarmten Gockel und Hinkel die
Gackeleia unter Freudenthraͤnen und ſagten: „Dank, tauſend
Dank, liebes Kind; du ſollſt zum Lohne deiner Guͤte nun auch
den Ring immer am Finger haben, du ſollſt Alles wuͤnſchen,
was du willſt!“

Gackeleia ſagte: „ich nehme es an, vor Allem wollen
wir die drei Eſel, welche im Hofe ſtehen mit Allem bepa¬
cken; was ich dem guten Maͤuſekoͤnig verſprochen habe und
dann ſollt ihr ſehen, wie vernuͤnftig ich wuͤnſchen will“

Nun giengen ſie hinab und wuͤnſchten, nachdem die Kaͤſe
und die Schinken den Eſeln auf den Ruͤcken gepackt waren,
den Koͤnigsberger Marzipan, den Thorniſchen Pfefferkuchen,
die Jaueriſchen Bratwuͤrſte, die Spandauer Zimmetbretzeln,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0230" n="180"/>
Schloß wieder &#x017F;eyn mo&#x0364;chte, wie es ein&#x017F;t im ho&#x0364;ch&#x017F;ten Glanze<lb/>
bei un&#x017F;ern Vora&#x0364;ltern gewe&#x017F;en; auch wu&#x0364;n&#x017F;chte ich euch als<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ne Leute in den be&#x017F;ten Jahren und mich als eine &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
vernu&#x0364;nftige Jungfrau, u&#x0364;ber die Puppen &#x2014; wollt' ich &#x017F;agen<lb/>
Kun&#x017F;tfiguren-Jahre hinaus zu &#x017F;ehen; zu&#x0364;rnet nicht lieber Vater,<lb/>
aber der Gedanke an die Kun&#x017F;tfigur von Birkenreis kann<lb/>
mich noch jetzt erbittern.&#x201C; &#x2014; Gockel lachte und &#x017F;agte: &#x201E;Ga¬<lb/>
ckeleia dreh' den Ring nur noch einmal, um ver&#x017F;ta&#x0364;ndig zu<lb/>
werden, es &#x017F;teckt noch viel vom eigen&#x017F;iunigen Kind in der<lb/>
erwach&#x017F;enen Jungfrau, du will&#x017F;t die Ruthe noch nicht ku&#x0364;¬<lb/>
ßen!&#x201C; &#x2014; da ku&#x0364;ßte Gackeleia ihm die Hand und fuhr fort:<lb/>
&#x201E;Als nun Alles nach meinem Wun&#x017F;che geworden war, &#x017F;chlich<lb/>
ich zu euch in den Hu&#x0364;hner&#x017F;tall und dru&#x0364;ckte mich in einen<lb/>
Winkel, um eure Ueberra&#x017F;chung recht zu genießen. Si&#x017F;&#x017F;i aber<lb/>
wollte mit aller Gewalt unter die Puppe gebunden &#x017F;eyn,<lb/>
um euch zu wecken; da lief &#x017F;ie u&#x0364;ber euer Stroh und als ihr<lb/>
aufriefet: &#x201E;die Puppe! die Puppe!&#x201C; &#x017F;agte ich:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x201E;Keine Puppe, es i&#x017F;t nur<lb/></l>
          <l>Eine &#x017F;cho&#x0364;ne Kun&#x017F;tfigur.&#x201C;</l>
        </lg><lb/>
        <p>&#x201E;Das Andre wißt ihr Alles.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Nach die&#x017F;er Erza&#x0364;hlung umarmten Gockel und Hinkel die<lb/>
Gackeleia unter Freudenthra&#x0364;nen und &#x017F;agten: &#x201E;Dank, tau&#x017F;end<lb/>
Dank, liebes Kind; du &#x017F;oll&#x017F;t zum Lohne deiner Gu&#x0364;te nun auch<lb/>
den Ring immer am Finger haben, du &#x017F;oll&#x017F;t Alles wu&#x0364;n&#x017F;chen,<lb/>
was du will&#x017F;t!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Gackeleia &#x017F;agte: &#x201E;ich nehme es an, vor Allem wollen<lb/>
wir die drei E&#x017F;el, welche im Hofe &#x017F;tehen mit Allem bepa¬<lb/>
cken; was ich dem guten Ma&#x0364;u&#x017F;eko&#x0364;nig ver&#x017F;prochen habe und<lb/>
dann &#x017F;ollt ihr &#x017F;ehen, wie vernu&#x0364;nftig ich wu&#x0364;n&#x017F;chen will&#x201C;</p><lb/>
        <p>Nun giengen &#x017F;ie hinab und wu&#x0364;n&#x017F;chten, nachdem die Ka&#x0364;&#x017F;e<lb/>
und die Schinken den E&#x017F;eln auf den Ru&#x0364;cken gepackt waren,<lb/>
den Ko&#x0364;nigsberger Marzipan, den Thorni&#x017F;chen Pfefferkuchen,<lb/>
die Jaueri&#x017F;chen Bratwu&#x0364;r&#x017F;te, die Spandauer Zimmetbretzeln,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0230] Schloß wieder ſeyn moͤchte, wie es einſt im hoͤchſten Glanze bei unſern Voraͤltern geweſen; auch wuͤnſchte ich euch als ſchoͤne Leute in den beſten Jahren und mich als eine ſchoͤne vernuͤnftige Jungfrau, uͤber die Puppen — wollt' ich ſagen Kunſtfiguren-Jahre hinaus zu ſehen; zuͤrnet nicht lieber Vater, aber der Gedanke an die Kunſtfigur von Birkenreis kann mich noch jetzt erbittern.“ — Gockel lachte und ſagte: „Ga¬ ckeleia dreh' den Ring nur noch einmal, um verſtaͤndig zu werden, es ſteckt noch viel vom eigenſiunigen Kind in der erwachſenen Jungfrau, du willſt die Ruthe noch nicht kuͤ¬ ßen!“ — da kuͤßte Gackeleia ihm die Hand und fuhr fort: „Als nun Alles nach meinem Wunſche geworden war, ſchlich ich zu euch in den Huͤhnerſtall und druͤckte mich in einen Winkel, um eure Ueberraſchung recht zu genießen. Siſſi aber wollte mit aller Gewalt unter die Puppe gebunden ſeyn, um euch zu wecken; da lief ſie uͤber euer Stroh und als ihr aufriefet: „die Puppe! die Puppe!“ ſagte ich: „Keine Puppe, es iſt nur Eine ſchoͤne Kunſtfigur.“ „Das Andre wißt ihr Alles.“ Nach dieſer Erzaͤhlung umarmten Gockel und Hinkel die Gackeleia unter Freudenthraͤnen und ſagten: „Dank, tauſend Dank, liebes Kind; du ſollſt zum Lohne deiner Guͤte nun auch den Ring immer am Finger haben, du ſollſt Alles wuͤnſchen, was du willſt!“ Gackeleia ſagte: „ich nehme es an, vor Allem wollen wir die drei Eſel, welche im Hofe ſtehen mit Allem bepa¬ cken; was ich dem guten Maͤuſekoͤnig verſprochen habe und dann ſollt ihr ſehen, wie vernuͤnftig ich wuͤnſchen will“ Nun giengen ſie hinab und wuͤnſchten, nachdem die Kaͤſe und die Schinken den Eſeln auf den Ruͤcken gepackt waren, den Koͤnigsberger Marzipan, den Thorniſchen Pfefferkuchen, die Jaueriſchen Bratwuͤrſte, die Spandauer Zimmetbretzeln,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/230
Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/230>, abgerufen am 18.12.2024.