Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.daß aber am Saum dieses ernsten Bandes alle die kleinen "Feuerrothe Blümelein, Dieses Lied lockte Amey ans Fenster und als sie den tief¬Aus dem Blute springt der Schein, Aus der Erde dringt der Wein, Roth schwing ich mein Fähnelein." rothen Fleck im Abendschein auf der Wiese funkeln sah, konnte sie der Begierde nicht wiederstehen; sie mußte hineilen, und sich auf die Decke niedersetzen, und so entschlummerte sie. Da zogen die Räuber mit verborgenen Schnüren plötzlich die Decke über ihr zusammen, banden sie auf ein Pferd und entführten sie bis hieher unter die Hennenlinde, wo Urgo¬ ckel sie auf ihr Hülfsgeschrei befreite. -- Sieh, sie ist ganz in ein weites amaranthseidenes Gewand gehüllt, das deutet daß aber am Saum dieſes ernſten Bandes alle die kleinen „Feuerrothe Bluͤmelein, Dieſes Lied lockte Amey ans Fenſter und als ſie den tief¬Aus dem Blute ſpringt der Schein, Aus der Erde dringt der Wein, Roth ſchwing ich mein Faͤhnelein.“ rothen Fleck im Abendſchein auf der Wieſe funkeln ſah, konnte ſie der Begierde nicht wiederſtehen; ſie mußte hineilen, und ſich auf die Decke niederſetzen, und ſo entſchlummerte ſie. Da zogen die Raͤuber mit verborgenen Schnuͤren ploͤtzlich die Decke uͤber ihr zuſammen, banden ſie auf ein Pferd und entfuͤhrten ſie bis hieher unter die Hennenlinde, wo Urgo¬ ckel ſie auf ihr Huͤlfsgeſchrei befreite. — Sieh, ſie iſt ganz in ein weites amaranthſeidenes Gewand gehuͤllt, das deutet <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0253" n="201"/> daß aber am Saum dieſes ernſten Bandes alle die kleinen<lb/> artigen Spielſachen, Quaſten, Gloͤckchen, Troddeln haͤngen,<lb/> deutet wieder auf unſchuldige Freude am Saum des ernſten<lb/> Tagwerks, ſo wie die Beete eines Gartens, den wir muͤh¬<lb/> ſelig bauen, mit kleinen lieblichen Blumen eingefaßt ſind.<lb/> Sieh Gackeleia, wegen der tiefen Bedeutung der Amaran¬<lb/> thenfarbe hatte die gute Ahnfrau auch wohl eine ſo tiefe<lb/> Ruͤhrung bei ihrem Anblick, denn ſie konnte ſich oft gar<lb/> nicht zuruͤckhalten, wenn ſie dieſe Farbe ſah; oder entſprang<lb/> die Macht dieſer Farbe uͤber ſie aus einem Vorgefuͤhl des<lb/> Schickſals, das ihr durch dieſelbe bevorſtand? — ich<lb/> kann es nicht entſcheiden — nur muß ich dich ermahnen,<lb/> liebe Gackeleia, nie eine Hinneigung zu irgend einer Sache<lb/> allzu heftig werden zu laſſen, damit ſie dich nicht endlich<lb/> uͤberwaͤltige; denn ſieh — die gute Ahnfrau wurde durch<lb/> dieſe Farbe gefangen und aus Hennegau hieher nach Go¬<lb/> ckelsruh entfuͤhrt. Die Raͤuber, welche wußten, daß ſie<lb/> dieſer Farbe nicht wiederſtehen konnte, breiteten auf einer<lb/> gruͤnen Wieſe, auf der ſie oft ſpazieren gieng, eine amaranth¬<lb/> farbige, ſeidene Decke aus, und ſangen ein Lied in der Naͤhe,<lb/> das ſie ſehr liebte:<lb/><lg type="poem"><l>„Feuerrothe Bluͤmelein,</l><lb/><l>Aus dem Blute ſpringt der Schein,</l><lb/><l>Aus der Erde dringt der Wein,</l><lb/><l>Roth ſchwing ich mein Faͤhnelein.“</l><lb/></lg> Dieſes Lied lockte Amey ans Fenſter und als ſie den tief¬<lb/> rothen Fleck im Abendſchein auf der Wieſe funkeln ſah,<lb/> konnte ſie der Begierde nicht wiederſtehen; ſie mußte hineilen,<lb/> und ſich auf die Decke niederſetzen, und ſo entſchlummerte ſie.<lb/> Da zogen die Raͤuber mit verborgenen Schnuͤren ploͤtzlich<lb/> die Decke uͤber ihr zuſammen, banden ſie auf ein Pferd und<lb/> entfuͤhrten ſie bis hieher unter die Hennenlinde, wo Urgo¬<lb/> ckel ſie auf ihr Huͤlfsgeſchrei befreite. — Sieh, ſie iſt ganz<lb/> in ein weites amaranthſeidenes Gewand gehuͤllt, das deutet<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [201/0253]
daß aber am Saum dieſes ernſten Bandes alle die kleinen
artigen Spielſachen, Quaſten, Gloͤckchen, Troddeln haͤngen,
deutet wieder auf unſchuldige Freude am Saum des ernſten
Tagwerks, ſo wie die Beete eines Gartens, den wir muͤh¬
ſelig bauen, mit kleinen lieblichen Blumen eingefaßt ſind.
Sieh Gackeleia, wegen der tiefen Bedeutung der Amaran¬
thenfarbe hatte die gute Ahnfrau auch wohl eine ſo tiefe
Ruͤhrung bei ihrem Anblick, denn ſie konnte ſich oft gar
nicht zuruͤckhalten, wenn ſie dieſe Farbe ſah; oder entſprang
die Macht dieſer Farbe uͤber ſie aus einem Vorgefuͤhl des
Schickſals, das ihr durch dieſelbe bevorſtand? — ich
kann es nicht entſcheiden — nur muß ich dich ermahnen,
liebe Gackeleia, nie eine Hinneigung zu irgend einer Sache
allzu heftig werden zu laſſen, damit ſie dich nicht endlich
uͤberwaͤltige; denn ſieh — die gute Ahnfrau wurde durch
dieſe Farbe gefangen und aus Hennegau hieher nach Go¬
ckelsruh entfuͤhrt. Die Raͤuber, welche wußten, daß ſie
dieſer Farbe nicht wiederſtehen konnte, breiteten auf einer
gruͤnen Wieſe, auf der ſie oft ſpazieren gieng, eine amaranth¬
farbige, ſeidene Decke aus, und ſangen ein Lied in der Naͤhe,
das ſie ſehr liebte:
„Feuerrothe Bluͤmelein,
Aus dem Blute ſpringt der Schein,
Aus der Erde dringt der Wein,
Roth ſchwing ich mein Faͤhnelein.“
Dieſes Lied lockte Amey ans Fenſter und als ſie den tief¬
rothen Fleck im Abendſchein auf der Wieſe funkeln ſah,
konnte ſie der Begierde nicht wiederſtehen; ſie mußte hineilen,
und ſich auf die Decke niederſetzen, und ſo entſchlummerte ſie.
Da zogen die Raͤuber mit verborgenen Schnuͤren ploͤtzlich
die Decke uͤber ihr zuſammen, banden ſie auf ein Pferd und
entfuͤhrten ſie bis hieher unter die Hennenlinde, wo Urgo¬
ckel ſie auf ihr Huͤlfsgeſchrei befreite. — Sieh, ſie iſt ganz
in ein weites amaranthſeidenes Gewand gehuͤllt, das deutet
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |