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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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sie bestanden. -- Gackeleia übergab die verehrten Hühner dem
Alektryo, der sie sogleich in Eid und Pflicht nahm und nebst
der übrigen Hühnergemeinde in den Hühnerhof führte, wo
ihnen ein Hochzeitsschmaus von Waitzenkörnern, Brodsamen,
allerlei Grünem, Maikäfern, Regenwürmern und andern De¬
likatessen zubereitet war. -- Während allem diesem wurden
fortwährend die Glocken geläutet, lief die Kunstfigur immer
mit dem Klingelbeutel umher und endeten der Organist und
die Primadonna ihre Fuge nicht. -- Hierauf setzte sich der
Zug in Bewegung, den Wappenfahnen folgten die blumen¬
tragenden Knaben, die blumenstreuenden Mägdlein, die Jüng¬
linge mit den Geschenken Salomos; -- dann Kronovus und
Gackeleia, welche die Kunstfigur im Arm trug, und zu¬
letzt Gockel und Hinkel, welchen, als sie die Thüre verlie¬
ßen, Alektryo und Gallina auf die Schulter flogen. -- So
kam der Zug in den herrlichen Raugräflich-Gockelschen Spei¬
sesaal, wo eine vortreffliche Mahlzeit aufgetragen war. Im
ganzen Schlosse gieng es lustig zu, viele gute Leute aus
Gelnhausen, die sich damals über Gockels Pallast so ver¬
wundert hatten, waren Extrapost hergefahren. Der Herr
Postmeister hatte nichts zu thun, als einzuspannen, der Herr
Schirrmeister schmierte unerschöpflich, die Herrn Postillone
bliesen sich schier den Athem aus. Alles was in Gelnhausen
kurfähig war, wurde zur gräflichen Tafel gezogen, und sogar
der geheime Oberhof-Osterhaas, alle Ritter und Ritterinnen
des hohen Eierordens; auch viele reisende Künstler und Gelehrte
und Standespersonen, welche gerade zu der Frankfurter-Messe
durchpassirten, benutzten die seltene Gelegenheit, alle die
Herrlichkeit mit anzusehen. -- Es wurden der Gäste so viel,
daß Gackeleia alle Augenblicke den Ring drehen mußte, um
den Tisch zu verlängern. Einen großen Tisch allein bedurfte
der Oberhof-Osterhaas, denn er hatte eine ihm empfohlene
großmächtige, breite Schottländerinn bei sich, deren Gefolge
aus einem lebensgroßen Lebkuchenfiguren-Kabinet und ei¬

ſie beſtanden. — Gackeleia uͤbergab die verehrten Huͤhner dem
Alektryo, der ſie ſogleich in Eid und Pflicht nahm und nebſt
der uͤbrigen Huͤhnergemeinde in den Huͤhnerhof fuͤhrte, wo
ihnen ein Hochzeitsſchmaus von Waitzenkoͤrnern, Brodſamen,
allerlei Gruͤnem, Maikaͤfern, Regenwuͤrmern und andern De¬
likateſſen zubereitet war. — Waͤhrend allem dieſem wurden
fortwaͤhrend die Glocken gelaͤutet, lief die Kunſtfigur immer
mit dem Klingelbeutel umher und endeten der Organiſt und
die Primadonna ihre Fuge nicht. — Hierauf ſetzte ſich der
Zug in Bewegung, den Wappenfahnen folgten die blumen¬
tragenden Knaben, die blumenſtreuenden Maͤgdlein, die Juͤng¬
linge mit den Geſchenken Salomos; — dann Kronovus und
Gackeleia, welche die Kunſtfigur im Arm trug, und zu¬
letzt Gockel und Hinkel, welchen, als ſie die Thuͤre verlie¬
ßen, Alektryo und Gallina auf die Schulter flogen. — So
kam der Zug in den herrlichen Raugraͤflich-Gockelſchen Spei¬
ſeſaal, wo eine vortreffliche Mahlzeit aufgetragen war. Im
ganzen Schloſſe gieng es luſtig zu, viele gute Leute aus
Gelnhauſen, die ſich damals uͤber Gockels Pallaſt ſo ver¬
wundert hatten, waren Extrapoſt hergefahren. Der Herr
Poſtmeiſter hatte nichts zu thun, als einzuſpannen, der Herr
Schirrmeiſter ſchmierte unerſchoͤpflich, die Herrn Poſtillone
blieſen ſich ſchier den Athem aus. Alles was in Gelnhauſen
kurfaͤhig war, wurde zur graͤflichen Tafel gezogen, und ſogar
der geheime Oberhof-Oſterhaas, alle Ritter und Ritterinnen
des hohen Eierordens; auch viele reiſende Kuͤnſtler und Gelehrte
und Standesperſonen, welche gerade zu der Frankfurter-Meſſe
durchpaſſirten, benutzten die ſeltene Gelegenheit, alle die
Herrlichkeit mit anzuſehen. — Es wurden der Gaͤſte ſo viel,
daß Gackeleia alle Augenblicke den Ring drehen mußte, um
den Tiſch zu verlaͤngern. Einen großen Tiſch allein bedurfte
der Oberhof-Oſterhaas, denn er hatte eine ihm empfohlene
großmaͤchtige, breite Schottlaͤnderinn bei ſich, deren Gefolge
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[215/0267] ſie beſtanden. — Gackeleia uͤbergab die verehrten Huͤhner dem Alektryo, der ſie ſogleich in Eid und Pflicht nahm und nebſt der uͤbrigen Huͤhnergemeinde in den Huͤhnerhof fuͤhrte, wo ihnen ein Hochzeitsſchmaus von Waitzenkoͤrnern, Brodſamen, allerlei Gruͤnem, Maikaͤfern, Regenwuͤrmern und andern De¬ likateſſen zubereitet war. — Waͤhrend allem dieſem wurden fortwaͤhrend die Glocken gelaͤutet, lief die Kunſtfigur immer mit dem Klingelbeutel umher und endeten der Organiſt und die Primadonna ihre Fuge nicht. — Hierauf ſetzte ſich der Zug in Bewegung, den Wappenfahnen folgten die blumen¬ tragenden Knaben, die blumenſtreuenden Maͤgdlein, die Juͤng¬ linge mit den Geſchenken Salomos; — dann Kronovus und Gackeleia, welche die Kunſtfigur im Arm trug, und zu¬ letzt Gockel und Hinkel, welchen, als ſie die Thuͤre verlie¬ ßen, Alektryo und Gallina auf die Schulter flogen. — So kam der Zug in den herrlichen Raugraͤflich-Gockelſchen Spei¬ ſeſaal, wo eine vortreffliche Mahlzeit aufgetragen war. Im ganzen Schloſſe gieng es luſtig zu, viele gute Leute aus Gelnhauſen, die ſich damals uͤber Gockels Pallaſt ſo ver¬ wundert hatten, waren Extrapoſt hergefahren. Der Herr Poſtmeiſter hatte nichts zu thun, als einzuſpannen, der Herr Schirrmeiſter ſchmierte unerſchoͤpflich, die Herrn Poſtillone blieſen ſich ſchier den Athem aus. Alles was in Gelnhauſen kurfaͤhig war, wurde zur graͤflichen Tafel gezogen, und ſogar der geheime Oberhof-Oſterhaas, alle Ritter und Ritterinnen des hohen Eierordens; auch viele reiſende Kuͤnſtler und Gelehrte und Standesperſonen, welche gerade zu der Frankfurter-Meſſe durchpaſſirten, benutzten die ſeltene Gelegenheit, alle die Herrlichkeit mit anzuſehen. — Es wurden der Gaͤſte ſo viel, daß Gackeleia alle Augenblicke den Ring drehen mußte, um den Tiſch zu verlaͤngern. Einen großen Tiſch allein bedurfte der Oberhof-Oſterhaas, denn er hatte eine ihm empfohlene großmaͤchtige, breite Schottlaͤnderinn bei ſich, deren Gefolge aus einem lebensgroßen Lebkuchenfiguren-Kabinet und ei¬

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/267>, abgerufen am 24.11.2024.