Hahn und Hinkel im Walde versteckt gewesen, um das Desert zu besehen, es war eine Wüste. Nichts war ihm geblieben, er konnte sein Schloß nicht mehr herstellen und übergab es daher gratis an die Verschönerungs-Com¬ mission der vier Jahrszeiten, des Windes und des Wetters, welche es auch in Jahr und Tag mit Gras und Kraut und Moos und Epheu und Büschen und Bäumen so reichlich austapezierten, daß es ein rechtes Paradies aller Waldvöge¬ lein und andern Wildpretts ward. -- Er selbst zog nach Gelnhausen und nahm die Stelle eines Erb-Hühner und Fasa¬ nenministers bei dem dortigen König an. Sein Sohn trat nach ihm in dieselbe Stelle, und nach dessen Absterben un¬ ser Gockel, der gewiß auch als Hühnerminister mit Tod ab¬ gegangen wäre, wenn ihn nicht sein Menschen- oder viel¬ mehr Hühnergefühl gezwungen hätte, noch lebendig von Gelnhausen Abschied zu nehmen. Dieses aber gieng folgen¬ dermaßen zu.
Der König Eifrasius von Gelnhausen überließ sich der Leidenschaft des Eieressens so unmäßig, daß keine Brut Hüh¬ ner mehr aufkommen konnte. Dies war gegen den Eid Gockels und gegen das Landesgesetz, Artikel Hühnerzucht. Gockel machte eine allerunterthänigste vergebliche Vorstellung nach der andern. Eifrasius errichtete den rührenden Eieror¬ den verschiedener Grade und ließ von seinem Leibredner eine Rede dabei halten, die einer Schmeichelei so ähnlich sah, wie ein Ei dem andern. Er sagte, Eifrasius esse nur allein so viele Eier, um die Hühner zu vermindern, damit die Franzosen nicht ins Land kämen. Dabei machte er bekannt, daß man künftig nicht Ihro Majestät, sondern Ihre Eießtät König Eifrasius sagen solle und vieles Aehnliche. Auch wußte er sehr viele hinreißende Stellen großer Dichter in seiner Rede anzubringen, z. B.:
Ein Huhn und ein Hahn, Meine Rede geht an;
Hahn und Hinkel im Walde verſteckt geweſen, um das Deſert zu beſehen, es war eine Wuͤſte. Nichts war ihm geblieben, er konnte ſein Schloß nicht mehr herſtellen und uͤbergab es daher gratis an die Verſchoͤnerungs-Com¬ miſſion der vier Jahrszeiten, des Windes und des Wetters, welche es auch in Jahr und Tag mit Gras und Kraut und Moos und Epheu und Buͤſchen und Baͤumen ſo reichlich austapezierten, daß es ein rechtes Paradies aller Waldvoͤge¬ lein und andern Wildpretts ward. — Er ſelbſt zog nach Gelnhauſen und nahm die Stelle eines Erb-Huͤhner und Faſa¬ nenminiſters bei dem dortigen Koͤnig an. Sein Sohn trat nach ihm in dieſelbe Stelle, und nach deſſen Abſterben un¬ ſer Gockel, der gewiß auch als Huͤhnerminiſter mit Tod ab¬ gegangen waͤre, wenn ihn nicht ſein Menſchen- oder viel¬ mehr Huͤhnergefuͤhl gezwungen haͤtte, noch lebendig von Gelnhauſen Abſchied zu nehmen. Dieſes aber gieng folgen¬ dermaßen zu.
Der Koͤnig Eifraſius von Gelnhauſen uͤberließ ſich der Leidenſchaft des Eiereſſens ſo unmaͤßig, daß keine Brut Huͤh¬ ner mehr aufkommen konnte. Dies war gegen den Eid Gockels und gegen das Landesgeſetz, Artikel Huͤhnerzucht. Gockel machte eine allerunterthaͤnigſte vergebliche Vorſtellung nach der andern. Eifraſius errichtete den ruͤhrenden Eieror¬ den verſchiedener Grade und ließ von ſeinem Leibredner eine Rede dabei halten, die einer Schmeichelei ſo aͤhnlich ſah, wie ein Ei dem andern. Er ſagte, Eifraſius eſſe nur allein ſo viele Eier, um die Huͤhner zu vermindern, damit die Franzoſen nicht ins Land kaͤmen. Dabei machte er bekannt, daß man kuͤnftig nicht Ihro Majeſtaͤt, ſondern Ihre Eießtaͤt Koͤnig Eifraſius ſagen ſolle und vieles Aehnliche. Auch wußte er ſehr viele hinreißende Stellen großer Dichter in ſeiner Rede anzubringen, z. B.:
Ein Huhn und ein Hahn, Meine Rede geht an;
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Hahn und Hinkel im Walde verſteckt geweſen, um das
Deſert zu beſehen, es war eine Wuͤſte. Nichts war ihm
geblieben, er konnte ſein Schloß nicht mehr herſtellen und
uͤbergab es daher gratis an die Verſchoͤnerungs-Com¬
miſſion der vier Jahrszeiten, des Windes und des Wetters,
welche es auch in Jahr und Tag mit Gras und Kraut und
Moos und Epheu und Buͤſchen und Baͤumen ſo reichlich
austapezierten, daß es ein rechtes Paradies aller Waldvoͤge¬
lein und andern Wildpretts ward. — Er ſelbſt zog nach
Gelnhauſen und nahm die Stelle eines Erb-Huͤhner und Faſa¬
nenminiſters bei dem dortigen Koͤnig an. Sein Sohn trat
nach ihm in dieſelbe Stelle, und nach deſſen Abſterben un¬
ſer Gockel, der gewiß auch als Huͤhnerminiſter mit Tod ab¬
gegangen waͤre, wenn ihn nicht ſein Menſchen- oder viel¬
mehr Huͤhnergefuͤhl gezwungen haͤtte, noch lebendig von
Gelnhauſen Abſchied zu nehmen. Dieſes aber gieng folgen¬
dermaßen zu.
Der Koͤnig Eifraſius von Gelnhauſen uͤberließ ſich der
Leidenſchaft des Eiereſſens ſo unmaͤßig, daß keine Brut Huͤh¬
ner mehr aufkommen konnte. Dies war gegen den Eid
Gockels und gegen das Landesgeſetz, Artikel Huͤhnerzucht.
Gockel machte eine allerunterthaͤnigſte vergebliche Vorſtellung
nach der andern. Eifraſius errichtete den ruͤhrenden Eieror¬
den verſchiedener Grade und ließ von ſeinem Leibredner eine
Rede dabei halten, die einer Schmeichelei ſo aͤhnlich ſah,
wie ein Ei dem andern. Er ſagte, Eifraſius eſſe nur allein
ſo viele Eier, um die Huͤhner zu vermindern, damit die
Franzoſen nicht ins Land kaͤmen. Dabei machte er bekannt,
daß man kuͤnftig nicht Ihro Majeſtaͤt, ſondern Ihre Eießtaͤt
Koͤnig Eifraſius ſagen ſolle und vieles Aehnliche. Auch wußte
er ſehr viele hinreißende Stellen großer Dichter in ſeiner Rede
anzubringen, z. B.:
Ein Huhn und ein Hahn,
Meine Rede geht an;
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/27>, abgerufen am 03.12.2024.
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