Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.Flügel träumend entfaltet, und rührt und ruft: o Blumen Nun umarmte Gackeleia Vater und Mutter und den "Salomo, du weiser König, Dem die Geister unterthänig, Setz' uns von dem stolzen Pferde, Ohne Fallen sanft zur Erde, Führ uns von dem hohen Stuhle Bei der Nachtigall zur Schule, Die mit ihrem süßen Lallen Gott und Menschen kann gefallen, Laß, das hohe Lied zu singen, Uns aufs Kinderstühlchen schwingen, Führ uns nicht in die Versuchung Unfruchtbarer Untersuchung; Nicht der Kelter ew'ge Schraube, Nein die Rebe bringt die Traube. Fluͤgel traͤumend entfaltet, und ruͤhrt und ruft: o Blumen Nun umarmte Gackeleia Vater und Mutter und den „Salomo, du weiſer Koͤnig, Dem die Geiſter unterthaͤnig, Setz' uns von dem ſtolzen Pferde, Ohne Fallen ſanft zur Erde, Fuͤhr uns von dem hohen Stuhle Bei der Nachtigall zur Schule, Die mit ihrem ſuͤßen Lallen Gott und Menſchen kann gefallen, Laß, das hohe Lied zu ſingen, Uns aufs Kinderſtuͤhlchen ſchwingen, Fuͤhr uns nicht in die Verſuchung Unfruchtbarer Unterſuchung; Nicht der Kelter ew'ge Schraube, Nein die Rebe bringt die Traube. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0273" n="221"/> Fluͤgel traͤumend entfaltet, und ruͤhrt und ruft: o Blumen<lb/> her, Roſen, Lilien, mich zu ſchauckeln! — o es war ruͤh¬<lb/> rend, leicht haͤtte er das Licht ſelbſt fuͤr eine in der Nacht<lb/> leuchtende Lilie halten und den Tod darin finden koͤnnen. —<lb/> Gackeleia fuͤhlte das Alles ſo tief, daß ſie die gute Samſo¬<lb/> nia Molle Gothol ans Herz druͤckte, mit den Worten: „ge¬<lb/> wiß, gewiß, du biſt die erſte liebſte Ordensgeſpielin des ar¬<lb/> men Kindes von Hennegau!“ — Da blickte Gackeleia den<lb/> Kronovus und Vater und Mutter und alle Gaͤſte gar lieblich,<lb/> ſchlau und kindlich laͤchelnd der Reihe nach an und hob den<lb/> Ring an dem Finger mit der Frage empor: „wollt ihr von<lb/> Herzen mit Allem zufrieden ſeyn, was ich wuͤnſche?“ und<lb/> alle riefen einſtimmig: „ja, ja, von Herzen zufrieden, wuͤnſche<lb/> Gackeleia, wuͤnſche!“</p><lb/> <p>Nun umarmte Gackeleia Vater und Mutter und den<lb/> Kronovus und druͤckte die ſchoͤne Kunſtfigur ans Herz und<lb/> reichte allen Gaͤſten der Reihe nach die Hand — dann ſchaute<lb/> ſie rings um uͤber das froͤhliche Volk, uͤber Schloß, Hof<lb/> und Garten, uͤber die ganze freudige Umgegend und ſprach:<lb/> „o wie iſt Alles ſo einig und freudig umher! nur Eines<lb/> bleibt zu wuͤnſchen uͤbrig — ich wuͤnſche es,“ da drehte ſie<lb/> den Ring Salomonis am Finger und ſprach:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Salomo, du weiſer Koͤnig,</l><lb/> <l>Dem die Geiſter unterthaͤnig,</l><lb/> <l>Setz' uns von dem ſtolzen Pferde,</l><lb/> <l>Ohne Fallen ſanft zur Erde,</l><lb/> <l>Fuͤhr uns von dem hohen Stuhle</l><lb/> <l>Bei der Nachtigall zur Schule,</l><lb/> <l>Die mit ihrem ſuͤßen Lallen</l><lb/> <l>Gott und Menſchen kann gefallen,</l><lb/> <l>Laß, das hohe Lied zu ſingen,</l><lb/> <l>Uns aufs Kinderſtuͤhlchen ſchwingen,</l><lb/> <l>Fuͤhr uns nicht in die Verſuchung</l><lb/> <l>Unfruchtbarer Unterſuchung;</l><lb/> <l>Nicht der Kelter ew'ge Schraube,</l><lb/> <l>Nein die Rebe bringt die Traube.</l><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [221/0273]
Fluͤgel traͤumend entfaltet, und ruͤhrt und ruft: o Blumen
her, Roſen, Lilien, mich zu ſchauckeln! — o es war ruͤh¬
rend, leicht haͤtte er das Licht ſelbſt fuͤr eine in der Nacht
leuchtende Lilie halten und den Tod darin finden koͤnnen. —
Gackeleia fuͤhlte das Alles ſo tief, daß ſie die gute Samſo¬
nia Molle Gothol ans Herz druͤckte, mit den Worten: „ge¬
wiß, gewiß, du biſt die erſte liebſte Ordensgeſpielin des ar¬
men Kindes von Hennegau!“ — Da blickte Gackeleia den
Kronovus und Vater und Mutter und alle Gaͤſte gar lieblich,
ſchlau und kindlich laͤchelnd der Reihe nach an und hob den
Ring an dem Finger mit der Frage empor: „wollt ihr von
Herzen mit Allem zufrieden ſeyn, was ich wuͤnſche?“ und
alle riefen einſtimmig: „ja, ja, von Herzen zufrieden, wuͤnſche
Gackeleia, wuͤnſche!“
Nun umarmte Gackeleia Vater und Mutter und den
Kronovus und druͤckte die ſchoͤne Kunſtfigur ans Herz und
reichte allen Gaͤſten der Reihe nach die Hand — dann ſchaute
ſie rings um uͤber das froͤhliche Volk, uͤber Schloß, Hof
und Garten, uͤber die ganze freudige Umgegend und ſprach:
„o wie iſt Alles ſo einig und freudig umher! nur Eines
bleibt zu wuͤnſchen uͤbrig — ich wuͤnſche es,“ da drehte ſie
den Ring Salomonis am Finger und ſprach:
„Salomo, du weiſer Koͤnig,
Dem die Geiſter unterthaͤnig,
Setz' uns von dem ſtolzen Pferde,
Ohne Fallen ſanft zur Erde,
Fuͤhr uns von dem hohen Stuhle
Bei der Nachtigall zur Schule,
Die mit ihrem ſuͤßen Lallen
Gott und Menſchen kann gefallen,
Laß, das hohe Lied zu ſingen,
Uns aufs Kinderſtuͤhlchen ſchwingen,
Fuͤhr uns nicht in die Verſuchung
Unfruchtbarer Unterſuchung;
Nicht der Kelter ew'ge Schraube,
Nein die Rebe bringt die Traube.
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