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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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und wo dieß Büblein sey, und was es eigentlich thue, be¬
friedigt hätte. Verena war mir auch durch eine eigne
Gewohnheit, die sie wie eine strenge Pflicht in meiner Jugend
übte, eine sehr geheimnißvolle Person. Mir wurde immer
empfohlen, auf der rechten Seite liegend zu schlafen, und
oft wurde ich Nachts aufgeweckt und sah dann Verena an
meinem Bettchen, die mich von der linken auf die rechte
Seite legte, und dann mit dem Finger drohend sagte: "das
fromme Hühnlein schickt mich, es weiß Alles." -- Dann
fragte ich gewöhnlich: "Vrenchen, was macht das Büblein?"
und sie antwortete ihre ewige Antwort: "es macht sein Sach"
und kehrte ins Gallinarium zurück. Besonders aber war
mir auch der Gang zu Verena feierlich, weil sie mich zu meiner
ersten Buße vorbereitet hatte, und ich mich immer bei solcher
Gelegenheit von ihr ermahnen ließ. Da nun das fromme
Hühnlein vom Hahne Petri abstammte, der bei dessen
Schuld gekräht hatte, so glaubten wir Kinder, das Hühn¬
chen wisse Alles, und wenn wir es im Vorübergehen gack¬
sen hörten, meinten wir, es mahne, oder beschuldige uns,
und so erforschten wir unser Gewissen mit größerem Ernste.
Einigemahl in meiner Jugend kam Verena sogar plötzlich zu
mir, während ich in Versuchung zu irgend einem Vergehen
war, und immer sagte sie: "das fromme Hühnlein hat mich
gesendet." Durch Alles das ist sie mir selbst bis jetzt in mein
erwachsenes Alter eine sehr achtbare, geheimnißvolle Person
geblieben, und da ich heute mit meinen Gespielen zur Kirche
gehen wollte, um morgen das hohe Fest zu halten, so schlüpfte
ich mit meiner gewöhnlichen Scheu der Wohnung des frommen
Hühnleins vorüber die kleine Treppe zu Verena hinauf. --
Die fromme Seele war gar lieb und freundlich, sie war
ganz wie neubelebt und rüstig in ihrem Bereiten der Ostereier,
und ich half ihr nach Kräften. Dann erzählte ich ihr von
den Ermahnungen des Jakob von Guise, und wie ich ent¬
schlossen sey, am Ostermontag mit meinen Gespielen einen

und wo dieß Buͤblein ſey, und was es eigentlich thue, be¬
friedigt haͤtte. Verena war mir auch durch eine eigne
Gewohnheit, die ſie wie eine ſtrenge Pflicht in meiner Jugend
uͤbte, eine ſehr geheimnißvolle Perſon. Mir wurde immer
empfohlen, auf der rechten Seite liegend zu ſchlafen, und
oft wurde ich Nachts aufgeweckt und ſah dann Verena an
meinem Bettchen, die mich von der linken auf die rechte
Seite legte, und dann mit dem Finger drohend ſagte: „das
fromme Huͤhnlein ſchickt mich, es weiß Alles.“ — Dann
fragte ich gewoͤhnlich: „Vrenchen, was macht das Buͤblein?“
und ſie antwortete ihre ewige Antwort: „es macht ſein Sach“
und kehrte ins Gallinarium zuruͤck. Beſonders aber war
mir auch der Gang zu Verena feierlich, weil ſie mich zu meiner
erſten Buße vorbereitet hatte, und ich mich immer bei ſolcher
Gelegenheit von ihr ermahnen ließ. Da nun das fromme
Huͤhnlein vom Hahne Petri abſtammte, der bei deſſen
Schuld gekraͤht hatte, ſo glaubten wir Kinder, das Huͤhn¬
chen wiſſe Alles, und wenn wir es im Voruͤbergehen gack¬
ſen hoͤrten, meinten wir, es mahne, oder beſchuldige uns,
und ſo erforſchten wir unſer Gewiſſen mit groͤßerem Ernſte.
Einigemahl in meiner Jugend kam Verena ſogar ploͤtzlich zu
mir, waͤhrend ich in Verſuchung zu irgend einem Vergehen
war, und immer ſagte ſie: „das fromme Huͤhnlein hat mich
geſendet.“ Durch Alles das iſt ſie mir ſelbſt bis jetzt in mein
erwachſenes Alter eine ſehr achtbare, geheimnißvolle Perſon
geblieben, und da ich heute mit meinen Geſpielen zur Kirche
gehen wollte, um morgen das hohe Feſt zu halten, ſo ſchluͤpfte
ich mit meiner gewoͤhnlichen Scheu der Wohnung des frommen
Huͤhnleins voruͤber die kleine Treppe zu Verena hinauf. —
Die fromme Seele war gar lieb und freundlich, ſie war
ganz wie neubelebt und ruͤſtig in ihrem Bereiten der Oſtereier,
und ich half ihr nach Kraͤften. Dann erzaͤhlte ich ihr von
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ſchloſſen ſey, am Oſtermontag mit meinen Geſpielen einen

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[246/0300] und wo dieß Buͤblein ſey, und was es eigentlich thue, be¬ friedigt haͤtte. Verena war mir auch durch eine eigne Gewohnheit, die ſie wie eine ſtrenge Pflicht in meiner Jugend uͤbte, eine ſehr geheimnißvolle Perſon. Mir wurde immer empfohlen, auf der rechten Seite liegend zu ſchlafen, und oft wurde ich Nachts aufgeweckt und ſah dann Verena an meinem Bettchen, die mich von der linken auf die rechte Seite legte, und dann mit dem Finger drohend ſagte: „das fromme Huͤhnlein ſchickt mich, es weiß Alles.“ — Dann fragte ich gewoͤhnlich: „Vrenchen, was macht das Buͤblein?“ und ſie antwortete ihre ewige Antwort: „es macht ſein Sach“ und kehrte ins Gallinarium zuruͤck. Beſonders aber war mir auch der Gang zu Verena feierlich, weil ſie mich zu meiner erſten Buße vorbereitet hatte, und ich mich immer bei ſolcher Gelegenheit von ihr ermahnen ließ. Da nun das fromme Huͤhnlein vom Hahne Petri abſtammte, der bei deſſen Schuld gekraͤht hatte, ſo glaubten wir Kinder, das Huͤhn¬ chen wiſſe Alles, und wenn wir es im Voruͤbergehen gack¬ ſen hoͤrten, meinten wir, es mahne, oder beſchuldige uns, und ſo erforſchten wir unſer Gewiſſen mit groͤßerem Ernſte. Einigemahl in meiner Jugend kam Verena ſogar ploͤtzlich zu mir, waͤhrend ich in Verſuchung zu irgend einem Vergehen war, und immer ſagte ſie: „das fromme Huͤhnlein hat mich geſendet.“ Durch Alles das iſt ſie mir ſelbſt bis jetzt in mein erwachſenes Alter eine ſehr achtbare, geheimnißvolle Perſon geblieben, und da ich heute mit meinen Geſpielen zur Kirche gehen wollte, um morgen das hohe Feſt zu halten, ſo ſchluͤpfte ich mit meiner gewoͤhnlichen Scheu der Wohnung des frommen Huͤhnleins voruͤber die kleine Treppe zu Verena hinauf. — Die fromme Seele war gar lieb und freundlich, ſie war ganz wie neubelebt und ruͤſtig in ihrem Bereiten der Oſtereier, und ich half ihr nach Kraͤften. Dann erzaͤhlte ich ihr von den Ermahnungen des Jakob von Guiſe, und wie ich ent¬ ſchloſſen ſey, am Oſtermontag mit meinen Geſpielen einen

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/300>, abgerufen am 22.11.2024.