der Tag anbrach, standen die Gespielinnen darunter und san¬ gen mir ein Pfingstlied. Ich dankte und lud sie auf Mor¬ gen zum Fest unter die Maie.
Pfingstmontag. -- Meine Ordensgespielinnen führten am Nachmittag schier alle Kinder der Stadt unter die Maie; die Armen hatten den Vortritt, sie waren neu gekleidet, sie zogen alle mit Blumen bekränzt um die gedeckten Tische sin¬ gend umher und wurden mit Hirsenmus bewirthet, wir Or¬ densgespielen gossen allen den Honig darauf und dienten ih¬ nen. Hierauf sangen wir und tanzten Reihentänze und lie¬ ßen viele weiße Tauben fliegen, die mit bunten Bändern und Silberpfenningen geschmückt waren, wir waren sehr freudig.
Pfingstdienstag. -- Heute gegen Abend kam eine große Schaar unserer Pflegekinder mit grünen Zweigen und Blu¬ menkränzen geschmückt, sie zogen einen mit Laub verzierten Kin¬ derwagen, worauf die Pfingstbraut saß, in den Schloßhof. Die Pfingstbraut war eine der Ordensgespielinnen, sie hatten sie im Walde so mit Laub und Blumen verhüllt, daß sie, einem großen Blumenstrauß ähnlich, ganz und gar nicht zu erken¬ nen war. Ein Schleier von Siebenfarbenblumen bedeckte ihr Gesicht. Sie trug eine weiße Taube in den Händen. Nun mußte ich rathen, welche von meinen acht Gespielinnen die Pfingstbraut sey; die sieben andern folgten in einem dicht verlaubten Wagen dem Zuge. Da ich dreimal falsch rieth, ließ die Braut die Taube fliegen, welche ihren Namen auf einem Zettel anhängen hatte, nun mußte ich die Taube fangen, oder die Braut und alle Kinder beschenken. -- Die Taube aber flog hinaus und kreiste über einem schönen Klee¬ felde; da sagte ich zu der Pfingstbraut: "sage mir deinen Na¬ men, mit welchem die Taube das Feld umflogen hat, so schenke ich dir das Feld." Da stiegen die andern Gespielen aus dem Wagen und entschleierten Fräulein Esparsetta von Hahnenkämmchen, welche ich umarmte und mit dem Feld
der Tag anbrach, ſtanden die Geſpielinnen darunter und ſan¬ gen mir ein Pfingſtlied. Ich dankte und lud ſie auf Mor¬ gen zum Feſt unter die Maie.
Pfingſtmontag. — Meine Ordensgeſpielinnen fuͤhrten am Nachmittag ſchier alle Kinder der Stadt unter die Maie; die Armen hatten den Vortritt, ſie waren neu gekleidet, ſie zogen alle mit Blumen bekraͤnzt um die gedeckten Tiſche ſin¬ gend umher und wurden mit Hirſenmus bewirthet, wir Or¬ densgeſpielen goſſen allen den Honig darauf und dienten ih¬ nen. Hierauf ſangen wir und tanzten Reihentaͤnze und lie¬ ßen viele weiße Tauben fliegen, die mit bunten Baͤndern und Silberpfenningen geſchmuͤckt waren, wir waren ſehr freudig.
Pfingſtdienſtag. — Heute gegen Abend kam eine große Schaar unſerer Pflegekinder mit gruͤnen Zweigen und Blu¬ menkraͤnzen geſchmuͤckt, ſie zogen einen mit Laub verzierten Kin¬ derwagen, worauf die Pfingſtbraut ſaß, in den Schloßhof. Die Pfingſtbraut war eine der Ordensgeſpielinnen, ſie hatten ſie im Walde ſo mit Laub und Blumen verhuͤllt, daß ſie, einem großen Blumenſtrauß aͤhnlich, ganz und gar nicht zu erken¬ nen war. Ein Schleier von Siebenfarbenblumen bedeckte ihr Geſicht. Sie trug eine weiße Taube in den Haͤnden. Nun mußte ich rathen, welche von meinen acht Geſpielinnen die Pfingſtbraut ſey; die ſieben andern folgten in einem dicht verlaubten Wagen dem Zuge. Da ich dreimal falſch rieth, ließ die Braut die Taube fliegen, welche ihren Namen auf einem Zettel anhaͤngen hatte, nun mußte ich die Taube fangen, oder die Braut und alle Kinder beſchenken. — Die Taube aber flog hinaus und kreiſte uͤber einem ſchoͤnen Klee¬ felde; da ſagte ich zu der Pfingſtbraut: „ſage mir deinen Na¬ men, mit welchem die Taube das Feld umflogen hat, ſo ſchenke ich dir das Feld.“ Da ſtiegen die andern Geſpielen aus dem Wagen und entſchleierten Fraͤulein Esparſetta von Hahnenkaͤmmchen, welche ich umarmte und mit dem Feld
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der Tag anbrach, ſtanden die Geſpielinnen darunter und ſan¬
gen mir ein Pfingſtlied. Ich dankte und lud ſie auf Mor¬
gen zum Feſt unter die Maie.
Pfingſtmontag. — Meine Ordensgeſpielinnen fuͤhrten
am Nachmittag ſchier alle Kinder der Stadt unter die Maie;
die Armen hatten den Vortritt, ſie waren neu gekleidet, ſie
zogen alle mit Blumen bekraͤnzt um die gedeckten Tiſche ſin¬
gend umher und wurden mit Hirſenmus bewirthet, wir Or¬
densgeſpielen goſſen allen den Honig darauf und dienten ih¬
nen. Hierauf ſangen wir und tanzten Reihentaͤnze und lie¬
ßen viele weiße Tauben fliegen, die mit bunten Baͤndern
und Silberpfenningen geſchmuͤckt waren, wir waren ſehr
freudig.
Pfingſtdienſtag. — Heute gegen Abend kam eine
große Schaar unſerer Pflegekinder mit gruͤnen Zweigen und Blu¬
menkraͤnzen geſchmuͤckt, ſie zogen einen mit Laub verzierten Kin¬
derwagen, worauf die Pfingſtbraut ſaß, in den Schloßhof. Die
Pfingſtbraut war eine der Ordensgeſpielinnen, ſie hatten ſie
im Walde ſo mit Laub und Blumen verhuͤllt, daß ſie, einem
großen Blumenſtrauß aͤhnlich, ganz und gar nicht zu erken¬
nen war. Ein Schleier von Siebenfarbenblumen bedeckte
ihr Geſicht. Sie trug eine weiße Taube in den Haͤnden.
Nun mußte ich rathen, welche von meinen acht Geſpielinnen
die Pfingſtbraut ſey; die ſieben andern folgten in einem
dicht verlaubten Wagen dem Zuge. Da ich dreimal falſch
rieth, ließ die Braut die Taube fliegen, welche ihren Namen
auf einem Zettel anhaͤngen hatte, nun mußte ich die Taube
fangen, oder die Braut und alle Kinder beſchenken. — Die
Taube aber flog hinaus und kreiſte uͤber einem ſchoͤnen Klee¬
felde; da ſagte ich zu der Pfingſtbraut: „ſage mir deinen Na¬
men, mit welchem die Taube das Feld umflogen hat, ſo
ſchenke ich dir das Feld.“ Da ſtiegen die andern Geſpielen
aus dem Wagen und entſchleierten Fraͤulein Esparſetta von
Hahnenkaͤmmchen, welche ich umarmte und mit dem Feld
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/312>, abgerufen am 21.11.2024.
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