Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

genug wäre es auch -- aber das Muster des Gewebes ist
mir zuwider." -- Sie schwieg und war sehr traurig, sie
weinte still, ich fragte: "was fehlt dir? sage es geschwind,
ich muß dort in das Zelt gehen, um zu schlafen;" da erhob
ich mich, ordnete meine Arbeit und zündete die Leuchte an. --
Die Unweise entsetzte mich, sie zitterte, sank auf die Kniee
und sprach: "du mußt uns eine Gnade erweisen, und bis
du sie mir bewilligest, soll diese Kohle auf meiner Hand
glühen;" da nahm sie eine glühende Kohle aus dem Feuer
in die Rechte und hielt sie mir entgegen und flehte: "stifte
mir und den Schwestern ein Kloster Lilienthal, daß ich mich
verberge und dir vor Gott danke!" -- Ihre That empörte
mich, doch schlug ich ihr die Kohle nicht aus der Hand,
ich that, als gehe mich das nicht an; ich rief die Schwe¬
stern, die warfen die Kohle weg und fanden ihre Hand heil
und ohne Brandmal und knieten nieder und baten wie die
Unweise um ein Kloster Lilienthal. -- Es lag mir aber et¬
was Gewaltthätiges in der Art des Begehrens, ich sprach:
"gut Nacht, ich werde mich besinnen," und gieng zitternd
und bebend zu meinem Zelt. -- Mein Lager war von Heu
und ein Teppich darüber; ach! wie war ich so müde, und
schwer und bang, es war schon spät und tiefe Stille umher.
Nur Eulen schrieen im nahen Walde. Vor meiner Seele
flimmerten noch die Fackeln, tönten noch die Schallmeien,
dazwischen die wunderlichen Reden der Unweisen und die
glühende Kohle und Alles. Mir war so schwer und traurig,
als sollte ich bald von Allem scheiden, woran mein Herz
noch hieng. -- Ich entschlief und hatte einen schweren
Traum. -- Ich war auf einer Wiese und pflückte feuerrothe
Röselein, da überfielen mich grausame wilde Löwen und tru¬
gen mich weit, weit hinweg in einen dichten Wald. Unter
einer breiten Linde war meine Angst am größten, die Löwen
wollten mir die Achselbänder von den Schultern reißen, da
fiel mirs bang aufs Herz -- "das ist die Strafe deiner Härte,

18 *

genug waͤre es auch — aber das Muſter des Gewebes iſt
mir zuwider.“ — Sie ſchwieg und war ſehr traurig, ſie
weinte ſtill, ich fragte: „was fehlt dir? ſage es geſchwind,
ich muß dort in das Zelt gehen, um zu ſchlafen;“ da erhob
ich mich, ordnete meine Arbeit und zuͤndete die Leuchte an. —
Die Unweiſe entſetzte mich, ſie zitterte, ſank auf die Kniee
und ſprach: „du mußt uns eine Gnade erweiſen, und bis
du ſie mir bewilligeſt, ſoll dieſe Kohle auf meiner Hand
gluͤhen;“ da nahm ſie eine gluͤhende Kohle aus dem Feuer
in die Rechte und hielt ſie mir entgegen und flehte: „ſtifte
mir und den Schweſtern ein Kloſter Lilienthal, daß ich mich
verberge und dir vor Gott danke!“ — Ihre That empoͤrte
mich, doch ſchlug ich ihr die Kohle nicht aus der Hand,
ich that, als gehe mich das nicht an; ich rief die Schwe¬
ſtern, die warfen die Kohle weg und fanden ihre Hand heil
und ohne Brandmal und knieten nieder und baten wie die
Unweiſe um ein Kloſter Lilienthal. — Es lag mir aber et¬
was Gewaltthaͤtiges in der Art des Begehrens, ich ſprach:
„gut Nacht, ich werde mich beſinnen,“ und gieng zitternd
und bebend zu meinem Zelt. — Mein Lager war von Heu
und ein Teppich daruͤber; ach! wie war ich ſo muͤde, und
ſchwer und bang, es war ſchon ſpaͤt und tiefe Stille umher.
Nur Eulen ſchrieen im nahen Walde. Vor meiner Seele
flimmerten noch die Fackeln, toͤnten noch die Schallmeien,
dazwiſchen die wunderlichen Reden der Unweiſen und die
gluͤhende Kohle und Alles. Mir war ſo ſchwer und traurig,
als ſollte ich bald von Allem ſcheiden, woran mein Herz
noch hieng. — Ich entſchlief und hatte einen ſchweren
Traum. — Ich war auf einer Wieſe und pfluͤckte feuerrothe
Roͤſelein, da uͤberfielen mich grauſame wilde Loͤwen und tru¬
gen mich weit, weit hinweg in einen dichten Wald. Unter
einer breiten Linde war meine Angſt am groͤßten, die Loͤwen
wollten mir die Achſelbaͤnder von den Schultern reißen, da
fiel mirs bang aufs Herz — „das iſt die Strafe deiner Haͤrte,

18 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0329" n="275"/>
genug wa&#x0364;re es auch &#x2014; aber das Mu&#x017F;ter des Gewebes i&#x017F;t<lb/>
mir zuwider.&#x201C; &#x2014; Sie &#x017F;chwieg und war &#x017F;ehr traurig, &#x017F;ie<lb/>
weinte &#x017F;till, ich fragte: &#x201E;was fehlt dir? &#x017F;age es ge&#x017F;chwind,<lb/>
ich muß dort in das Zelt gehen, um zu &#x017F;chlafen;&#x201C; da erhob<lb/>
ich mich, ordnete meine Arbeit und zu&#x0364;ndete die Leuchte an. &#x2014;<lb/>
Die Unwei&#x017F;e ent&#x017F;etzte mich, &#x017F;ie zitterte, &#x017F;ank auf die Kniee<lb/>
und &#x017F;prach: &#x201E;du mußt uns eine Gnade erwei&#x017F;en, und bis<lb/>
du &#x017F;ie mir bewillige&#x017F;t, &#x017F;oll die&#x017F;e Kohle auf meiner Hand<lb/>
glu&#x0364;hen;&#x201C; da nahm &#x017F;ie eine glu&#x0364;hende Kohle aus dem Feuer<lb/>
in die Rechte und hielt &#x017F;ie mir entgegen <choice><sic>nnd</sic><corr>und</corr></choice> flehte: &#x201E;&#x017F;tifte<lb/>
mir und den Schwe&#x017F;tern ein Klo&#x017F;ter Lilienthal, daß ich mich<lb/>
verberge und dir vor Gott danke!&#x201C; &#x2014; Ihre That empo&#x0364;rte<lb/>
mich, doch &#x017F;chlug ich ihr die Kohle nicht aus der Hand,<lb/>
ich that, als gehe mich das nicht an; ich rief die Schwe¬<lb/>
&#x017F;tern, die warfen die Kohle weg und fanden ihre Hand heil<lb/>
und ohne Brandmal und knieten nieder und baten wie die<lb/>
Unwei&#x017F;e um ein Klo&#x017F;ter Lilienthal. &#x2014; Es lag mir aber et¬<lb/>
was Gewalttha&#x0364;tiges in der Art des Begehrens, ich &#x017F;prach:<lb/>
&#x201E;gut Nacht, ich werde mich be&#x017F;innen,&#x201C; und gieng zitternd<lb/>
und bebend zu meinem Zelt. &#x2014; Mein Lager war von Heu<lb/>
und ein Teppich daru&#x0364;ber; ach! wie war ich &#x017F;o mu&#x0364;de, und<lb/>
&#x017F;chwer und bang, es war &#x017F;chon &#x017F;pa&#x0364;t und tiefe Stille umher.<lb/>
Nur Eulen &#x017F;chrieen im nahen Walde. Vor meiner Seele<lb/>
flimmerten noch die Fackeln, to&#x0364;nten noch die Schallmeien,<lb/>
dazwi&#x017F;chen die wunderlichen Reden der Unwei&#x017F;en und die<lb/>
glu&#x0364;hende Kohle und Alles. Mir war &#x017F;o &#x017F;chwer und traurig,<lb/>
als &#x017F;ollte ich bald von Allem &#x017F;cheiden, woran mein Herz<lb/>
noch hieng. &#x2014; Ich ent&#x017F;chlief und hatte einen &#x017F;chweren<lb/>
Traum. &#x2014; Ich war auf einer Wie&#x017F;e und pflu&#x0364;ckte feuerrothe<lb/>
Ro&#x0364;&#x017F;elein, da u&#x0364;berfielen mich grau&#x017F;ame wilde Lo&#x0364;wen und tru¬<lb/>
gen mich weit, weit hinweg in einen dichten Wald. Unter<lb/>
einer breiten Linde war meine Ang&#x017F;t am gro&#x0364;ßten, die Lo&#x0364;wen<lb/>
wollten mir die Ach&#x017F;elba&#x0364;nder von den Schultern reißen, da<lb/>
fiel mirs bang aufs Herz &#x2014; &#x201E;das i&#x017F;t die Strafe deiner Ha&#x0364;rte,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">18 *<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[275/0329] genug waͤre es auch — aber das Muſter des Gewebes iſt mir zuwider.“ — Sie ſchwieg und war ſehr traurig, ſie weinte ſtill, ich fragte: „was fehlt dir? ſage es geſchwind, ich muß dort in das Zelt gehen, um zu ſchlafen;“ da erhob ich mich, ordnete meine Arbeit und zuͤndete die Leuchte an. — Die Unweiſe entſetzte mich, ſie zitterte, ſank auf die Kniee und ſprach: „du mußt uns eine Gnade erweiſen, und bis du ſie mir bewilligeſt, ſoll dieſe Kohle auf meiner Hand gluͤhen;“ da nahm ſie eine gluͤhende Kohle aus dem Feuer in die Rechte und hielt ſie mir entgegen und flehte: „ſtifte mir und den Schweſtern ein Kloſter Lilienthal, daß ich mich verberge und dir vor Gott danke!“ — Ihre That empoͤrte mich, doch ſchlug ich ihr die Kohle nicht aus der Hand, ich that, als gehe mich das nicht an; ich rief die Schwe¬ ſtern, die warfen die Kohle weg und fanden ihre Hand heil und ohne Brandmal und knieten nieder und baten wie die Unweiſe um ein Kloſter Lilienthal. — Es lag mir aber et¬ was Gewaltthaͤtiges in der Art des Begehrens, ich ſprach: „gut Nacht, ich werde mich beſinnen,“ und gieng zitternd und bebend zu meinem Zelt. — Mein Lager war von Heu und ein Teppich daruͤber; ach! wie war ich ſo muͤde, und ſchwer und bang, es war ſchon ſpaͤt und tiefe Stille umher. Nur Eulen ſchrieen im nahen Walde. Vor meiner Seele flimmerten noch die Fackeln, toͤnten noch die Schallmeien, dazwiſchen die wunderlichen Reden der Unweiſen und die gluͤhende Kohle und Alles. Mir war ſo ſchwer und traurig, als ſollte ich bald von Allem ſcheiden, woran mein Herz noch hieng. — Ich entſchlief und hatte einen ſchweren Traum. — Ich war auf einer Wieſe und pfluͤckte feuerrothe Roͤſelein, da uͤberfielen mich grauſame wilde Loͤwen und tru¬ gen mich weit, weit hinweg in einen dichten Wald. Unter einer breiten Linde war meine Angſt am groͤßten, die Loͤwen wollten mir die Achſelbaͤnder von den Schultern reißen, da fiel mirs bang aufs Herz — „das iſt die Strafe deiner Haͤrte, 18 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/329
Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/329>, abgerufen am 22.11.2024.