Brosamen aus, was mit großem Beifall von allen den Vö¬ geln aufgenommen ward.
Hierauf zogen sie in die alte verfallene Schloßkapelle, knieten neben den wilden Waldblumen am Altare dicht bei dem Grabstein des alten Urgockels von Hanau nieder, sag¬ ten Gott für ihre glückliche Reise Dank, und flehten ihn um fernern Schutz und Segen an. Während ihres Gebetes wa¬ ren alle Vögel ganz stille, und da sie sich von den Knieen erhoben, lockten Alektryo und Gallina, als Schloßhauptmann und Schlüsseldame, an der Thüre, sie sollten ihnen nach dem ausgesuchten Gemache folgen. Sie thaten dieß, und der Hahn und die Henne schritten gackernd und majestätisch über den Schloßhof auf den sehr kunstreich von Stein er¬ bauten Hühnerstall zu, dessen Dach allein im Schloße bis auf einige Lücken im Stande war. Als Alektryo über die Schwelle schritt, bückte er sich tief mit dem Kopf, als be¬ fürchtete er, mit seinem hohen rothen Kamme oben anzu¬ stossen, da die Thüre doch für einen starken Mann hoch ge¬ nug war; aber dieses war im Gefühle seines Adels, denn alle hohen Adeligen und alle gekrönten Häupter pflegten in den guten alten Zeiten es so zu machen, wenn sie durch ein Thor schritten; das kam aber von den erstaunlich hohen Fe¬ derbüschen her, welche ihre Vorfahren auf den Helmen getragen hatten.
In diesem Hühnerstalle nun, dessen Fenster in ein klei¬ nes Gärtchen giengen, richteten sie sich ein, so gut sie konn¬ ten; Gockel hängte seine Erbhühnertrage an einen Haken hoch an der Wand auf, stellte die Hühnersteige daran, und Alektryo und Gallina sagten gute Nacht und spazierten so¬ gleich fein ordentlich hintereinander hinauf und setzten sich still zusammen und ließen sich was träumen. -- Frau Hinkel stellte den Korb, den Spinnrocken, den Bratspieß, die Pfanne, die Schüssel, den Topf und den Wasserkrug an ihre Stelle, und Gackeleia setzte das Hühnernest, wo es hin
Broſamen aus, was mit großem Beifall von allen den Voͤ¬ geln aufgenommen ward.
Hierauf zogen ſie in die alte verfallene Schloßkapelle, knieten neben den wilden Waldblumen am Altare dicht bei dem Grabſtein des alten Urgockels von Hanau nieder, ſag¬ ten Gott fuͤr ihre gluͤckliche Reiſe Dank, und flehten ihn um fernern Schutz und Segen an. Waͤhrend ihres Gebetes wa¬ ren alle Voͤgel ganz ſtille, und da ſie ſich von den Knieen erhoben, lockten Alektryo und Gallina, als Schloßhauptmann und Schluͤſſeldame, an der Thuͤre, ſie ſollten ihnen nach dem ausgeſuchten Gemache folgen. Sie thaten dieß, und der Hahn und die Henne ſchritten gackernd und majeſtaͤtiſch uͤber den Schloßhof auf den ſehr kunſtreich von Stein er¬ bauten Huͤhnerſtall zu, deſſen Dach allein im Schloße bis auf einige Luͤcken im Stande war. Als Alektryo uͤber die Schwelle ſchritt, buͤckte er ſich tief mit dem Kopf, als be¬ fuͤrchtete er, mit ſeinem hohen rothen Kamme oben anzu¬ ſtoſſen, da die Thuͤre doch fuͤr einen ſtarken Mann hoch ge¬ nug war; aber dieſes war im Gefuͤhle ſeines Adels, denn alle hohen Adeligen und alle gekroͤnten Haͤupter pflegten in den guten alten Zeiten es ſo zu machen, wenn ſie durch ein Thor ſchritten; das kam aber von den erſtaunlich hohen Fe¬ derbuͤſchen her, welche ihre Vorfahren auf den Helmen getragen hatten.
In dieſem Huͤhnerſtalle nun, deſſen Fenſter in ein klei¬ nes Gaͤrtchen giengen, richteten ſie ſich ein, ſo gut ſie konn¬ ten; Gockel haͤngte ſeine Erbhuͤhnertrage an einen Haken hoch an der Wand auf, ſtellte die Huͤhnerſteige daran, und Alektryo und Gallina ſagten gute Nacht und ſpazierten ſo¬ gleich fein ordentlich hintereinander hinauf und ſetzten ſich ſtill zuſammen und ließen ſich was traͤumen. — Frau Hinkel ſtellte den Korb, den Spinnrocken, den Bratſpieß, die Pfanne, die Schuͤſſel, den Topf und den Waſſerkrug an ihre Stelle, und Gackeleia ſetzte das Huͤhnerneſt, wo es hin
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0044"n="18"/>
Broſamen aus, was mit großem Beifall von allen den Voͤ¬<lb/>
geln aufgenommen ward.</p><lb/><p>Hierauf zogen ſie in die alte verfallene Schloßkapelle,<lb/>
knieten neben den wilden Waldblumen am Altare dicht bei<lb/>
dem Grabſtein des alten Urgockels von Hanau nieder, ſag¬<lb/>
ten Gott fuͤr ihre gluͤckliche Reiſe Dank, und flehten ihn um<lb/>
fernern Schutz und Segen an. Waͤhrend ihres Gebetes wa¬<lb/>
ren alle Voͤgel ganz ſtille, und da ſie ſich von den Knieen<lb/>
erhoben, lockten Alektryo und Gallina, als Schloßhauptmann<lb/>
und Schluͤſſeldame, an der Thuͤre, ſie ſollten ihnen nach<lb/>
dem ausgeſuchten Gemache folgen. Sie thaten dieß, und<lb/>
der Hahn und die Henne ſchritten gackernd und majeſtaͤtiſch<lb/>
uͤber den Schloßhof auf den ſehr kunſtreich von Stein er¬<lb/>
bauten Huͤhnerſtall zu, deſſen Dach allein im Schloße bis<lb/>
auf einige Luͤcken im Stande war. Als Alektryo uͤber die<lb/>
Schwelle ſchritt, buͤckte er ſich tief mit dem Kopf, als be¬<lb/>
fuͤrchtete er, mit ſeinem hohen rothen Kamme oben anzu¬<lb/>ſtoſſen, da die Thuͤre doch fuͤr einen ſtarken Mann hoch ge¬<lb/>
nug war; aber dieſes war im Gefuͤhle ſeines Adels, denn<lb/>
alle hohen Adeligen und alle gekroͤnten Haͤupter pflegten in<lb/>
den guten alten Zeiten es ſo zu machen, wenn ſie durch ein<lb/>
Thor ſchritten; das kam aber von den erſtaunlich hohen Fe¬<lb/>
derbuͤſchen her, welche ihre Vorfahren auf den Helmen<lb/>
getragen hatten.</p><lb/><p>In dieſem Huͤhnerſtalle nun, deſſen Fenſter in ein klei¬<lb/>
nes Gaͤrtchen giengen, richteten ſie ſich ein, ſo gut ſie konn¬<lb/>
ten; Gockel haͤngte ſeine Erbhuͤhnertrage an einen Haken<lb/>
hoch an der Wand auf, ſtellte die Huͤhnerſteige daran, und<lb/>
Alektryo und Gallina ſagten gute Nacht und ſpazierten ſo¬<lb/>
gleich fein ordentlich hintereinander hinauf und ſetzten ſich<lb/>ſtill zuſammen und ließen ſich was traͤumen. — Frau Hinkel<lb/>ſtellte den Korb, den Spinnrocken, den Bratſpieß, die<lb/>
Pfanne, die Schuͤſſel, den Topf und den Waſſerkrug an<lb/>
ihre Stelle, und Gackeleia ſetzte das Huͤhnerneſt, wo es hin<lb/></p></div></body></text></TEI>
[18/0044]
Broſamen aus, was mit großem Beifall von allen den Voͤ¬
geln aufgenommen ward.
Hierauf zogen ſie in die alte verfallene Schloßkapelle,
knieten neben den wilden Waldblumen am Altare dicht bei
dem Grabſtein des alten Urgockels von Hanau nieder, ſag¬
ten Gott fuͤr ihre gluͤckliche Reiſe Dank, und flehten ihn um
fernern Schutz und Segen an. Waͤhrend ihres Gebetes wa¬
ren alle Voͤgel ganz ſtille, und da ſie ſich von den Knieen
erhoben, lockten Alektryo und Gallina, als Schloßhauptmann
und Schluͤſſeldame, an der Thuͤre, ſie ſollten ihnen nach
dem ausgeſuchten Gemache folgen. Sie thaten dieß, und
der Hahn und die Henne ſchritten gackernd und majeſtaͤtiſch
uͤber den Schloßhof auf den ſehr kunſtreich von Stein er¬
bauten Huͤhnerſtall zu, deſſen Dach allein im Schloße bis
auf einige Luͤcken im Stande war. Als Alektryo uͤber die
Schwelle ſchritt, buͤckte er ſich tief mit dem Kopf, als be¬
fuͤrchtete er, mit ſeinem hohen rothen Kamme oben anzu¬
ſtoſſen, da die Thuͤre doch fuͤr einen ſtarken Mann hoch ge¬
nug war; aber dieſes war im Gefuͤhle ſeines Adels, denn
alle hohen Adeligen und alle gekroͤnten Haͤupter pflegten in
den guten alten Zeiten es ſo zu machen, wenn ſie durch ein
Thor ſchritten; das kam aber von den erſtaunlich hohen Fe¬
derbuͤſchen her, welche ihre Vorfahren auf den Helmen
getragen hatten.
In dieſem Huͤhnerſtalle nun, deſſen Fenſter in ein klei¬
nes Gaͤrtchen giengen, richteten ſie ſich ein, ſo gut ſie konn¬
ten; Gockel haͤngte ſeine Erbhuͤhnertrage an einen Haken
hoch an der Wand auf, ſtellte die Huͤhnerſteige daran, und
Alektryo und Gallina ſagten gute Nacht und ſpazierten ſo¬
gleich fein ordentlich hintereinander hinauf und ſetzten ſich
ſtill zuſammen und ließen ſich was traͤumen. — Frau Hinkel
ſtellte den Korb, den Spinnrocken, den Bratſpieß, die
Pfanne, die Schuͤſſel, den Topf und den Waſſerkrug an
ihre Stelle, und Gackeleia ſetzte das Huͤhnerneſt, wo es hin
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/44>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.