eine Sammlung kleiner, von Federn gemachter Hühnchen ge¬ sehen, und wünschte um Alles iu der Welt zu wissen, wo dieselben verfertigt werden, er könnte bei seinem ausgebrei¬ teten Handel wohl hundert Dutzend davon gebrauchen. "Gut, mein Freund," erwiederte Gockel, "ich kann sie Ihnen verschaffen, hier haben sie gleich zwei Dutzend von neuester Facon als eine Probe; wenn sie hier wieder vorbeifahren, legen sie nur dort in den hohlen Baum, was ihr Freund da¬ für bezahlt, sie sollen dort immer von Zeit zu Zeit einige Dutzend solchen Geflügels vorräthig finden. Wenn sie wieder kommen, bringen sie mir etwas Drath und Zwirn und eine halbe Elle rothes Tuch mit, die Beine und den Kamm an den Thierchen schöner machen zu können." Der Conducteur versprach Alles, und da Gockel fragte, wie denn das Hand¬ lungshaus in Nürnberg heiße, zog er eine leere Rauchta¬ baksdüte aus der Tasche, füllte die Hühnchen hinein und zeigte Gockel die Adresse: Gebrüder Portorico ohne Rippen. -- Da blies der Postillon recht ungeduldig. Gockel schüttelte dem Conducteur die Hand, der in den heil. römischen Reichs¬ postwagen kroch, der gewiß sehr schnell fortgefahren wäre, weil er so gut geschmiert war -- aber der Kasten war schwer, die Pferde müd, der Weg schlecht und der Postillon schlief.
Gockel packte sogleich von Allem, was er erhalten hatte, so viel auf, als er tragen konnte, das Uebrige verdeckte er dicht mit Zweigen, um es Morgen vollends nach Haus zu bringen. Als er in das Schloß kam, rief er sogleich: "ge¬ schwind Frau Hinkel! den Kessel übers Feuer, ich bringe Lebensmittel, und nun zeigte er, was er gebracht, und er¬ zählte Alles, was er erlebt." Frau Hinkel kochte Kartof¬ feln, machte gebrannte Mehlsuppe, backte Pfannkuchen. Sie assen fröhlich, streuten den Vögeln Brosamen und giengen zufrieden schlafen. Am andern Morgen holte Gockel den übrigen Vorrath und fuhr fort in dem wüsten Gebäude auf¬ zuräumen und einzurichten.
eine Sammlung kleiner, von Federn gemachter Huͤhnchen ge¬ ſehen, und wuͤnſchte um Alles iu der Welt zu wiſſen, wo dieſelben verfertigt werden, er koͤnnte bei ſeinem ausgebrei¬ teten Handel wohl hundert Dutzend davon gebrauchen. „Gut, mein Freund,“ erwiederte Gockel, „ich kann ſie Ihnen verſchaffen, hier haben ſie gleich zwei Dutzend von neueſter Façon als eine Probe; wenn ſie hier wieder vorbeifahren, legen ſie nur dort in den hohlen Baum, was ihr Freund da¬ fuͤr bezahlt, ſie ſollen dort immer von Zeit zu Zeit einige Dutzend ſolchen Gefluͤgels vorraͤthig finden. Wenn ſie wieder kommen, bringen ſie mir etwas Drath und Zwirn und eine halbe Elle rothes Tuch mit, die Beine und den Kamm an den Thierchen ſchoͤner machen zu koͤnnen.“ Der Conducteur verſprach Alles, und da Gockel fragte, wie denn das Hand¬ lungshaus in Nuͤrnberg heiße, zog er eine leere Rauchta¬ baksduͤte aus der Taſche, fuͤllte die Huͤhnchen hinein und zeigte Gockel die Adreſſe: Gebruͤder Portorico ohne Rippen. — Da blies der Poſtillon recht ungeduldig. Gockel ſchuͤttelte dem Conducteur die Hand, der in den heil. roͤmiſchen Reichs¬ poſtwagen kroch, der gewiß ſehr ſchnell fortgefahren waͤre, weil er ſo gut geſchmiert war — aber der Kaſten war ſchwer, die Pferde muͤd, der Weg ſchlecht und der Poſtillon ſchlief.
Gockel packte ſogleich von Allem, was er erhalten hatte, ſo viel auf, als er tragen konnte, das Uebrige verdeckte er dicht mit Zweigen, um es Morgen vollends nach Haus zu bringen. Als er in das Schloß kam, rief er ſogleich: „ge¬ ſchwind Frau Hinkel! den Keſſel uͤbers Feuer, ich bringe Lebensmittel, und nun zeigte er, was er gebracht, und er¬ zaͤhlte Alles, was er erlebt.“ Frau Hinkel kochte Kartof¬ feln, machte gebrannte Mehlſuppe, backte Pfannkuchen. Sie aſſen froͤhlich, ſtreuten den Voͤgeln Broſamen und giengen zufrieden ſchlafen. Am andern Morgen holte Gockel den uͤbrigen Vorrath und fuhr fort in dem wuͤſten Gebaͤude auf¬ zuraͤumen und einzurichten.
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eine Sammlung kleiner, von Federn gemachter Huͤhnchen ge¬
ſehen, und wuͤnſchte um Alles iu der Welt zu wiſſen, wo
dieſelben verfertigt werden, er koͤnnte bei ſeinem ausgebrei¬
teten Handel wohl hundert Dutzend davon gebrauchen.
„Gut, mein Freund,“ erwiederte Gockel, „ich kann ſie Ihnen
verſchaffen, hier haben ſie gleich zwei Dutzend von neueſter
Façon als eine Probe; wenn ſie hier wieder vorbeifahren,
legen ſie nur dort in den hohlen Baum, was ihr Freund da¬
fuͤr bezahlt, ſie ſollen dort immer von Zeit zu Zeit einige
Dutzend ſolchen Gefluͤgels vorraͤthig finden. Wenn ſie wieder
kommen, bringen ſie mir etwas Drath und Zwirn und eine
halbe Elle rothes Tuch mit, die Beine und den Kamm an
den Thierchen ſchoͤner machen zu koͤnnen.“ Der Conducteur
verſprach Alles, und da Gockel fragte, wie denn das Hand¬
lungshaus in Nuͤrnberg heiße, zog er eine leere Rauchta¬
baksduͤte aus der Taſche, fuͤllte die Huͤhnchen hinein und
zeigte Gockel die Adreſſe: Gebruͤder Portorico ohne Rippen. —
Da blies der Poſtillon recht ungeduldig. Gockel ſchuͤttelte
dem Conducteur die Hand, der in den heil. roͤmiſchen Reichs¬
poſtwagen kroch, der gewiß ſehr ſchnell fortgefahren waͤre,
weil er ſo gut geſchmiert war — aber der Kaſten war ſchwer,
die Pferde muͤd, der Weg ſchlecht und der Poſtillon ſchlief.
Gockel packte ſogleich von Allem, was er erhalten hatte,
ſo viel auf, als er tragen konnte, das Uebrige verdeckte er
dicht mit Zweigen, um es Morgen vollends nach Haus zu
bringen. Als er in das Schloß kam, rief er ſogleich: „ge¬
ſchwind Frau Hinkel! den Keſſel uͤbers Feuer, ich bringe
Lebensmittel, und nun zeigte er, was er gebracht, und er¬
zaͤhlte Alles, was er erlebt.“ Frau Hinkel kochte Kartof¬
feln, machte gebrannte Mehlſuppe, backte Pfannkuchen. Sie
aſſen froͤhlich, ſtreuten den Voͤgeln Broſamen und giengen
zufrieden ſchlafen. Am andern Morgen holte Gockel den
uͤbrigen Vorrath und fuhr fort in dem wuͤſten Gebaͤude auf¬
zuraͤumen und einzurichten.
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/58>, abgerufen am 04.12.2024.
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