Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.Da trat Alektryo zu den Gebeinen der Gallina und "Ach Herr, schau diese Gebeinlein an, Das war mein Weib und meine Brut, Die Katze zerriß sie und trank ihr Blut. Zeter über Schurrimurri und Gog, Mack, Benack, Magog, Demagog; Zeter und Weh und aber Weh, Und immer und ewig Herr Jemine!" Bei diesen Worten krähte er wieder gar betrübt, und "Alektryo, du mein edler Hahn, Ich hörte, du hättest es selbst gethan. Nun bringe du mir auch Zeugen bei, Daß deine Klage wahrhaftig sey." Da antwortete Alektryo: "Hier war ich schon lange ein lästiger Gast,
Sie haben den redlichen Wächter gehaßt; Oft mußte ich hören den Wiegengesang, Der mir, wie ein Messer, die Kehle durchdrang: "Ha heia, popeia, schlag's Kickelchen todt, Es legt keine Eier und frißt mir mein Brod, Dann rupfen wir ihm seine Federchen aus, Und machen Gackeleia ein Bettchen daraus!" O wär ich gestorben! wie wär' mir jetzt gut Mit meiner Gallina und mit meiner Brut, Bei dir lieber Hiob, bei dir Salomo In himmlischen Höfen auf goldenem Stroh! Doch fehlte der Muth hier zu blutiger That, Ich sollte verderben durch Lug und Verrath. Weil oft ich zu früh das Gewissen erweckt, Ward mit dem Gewissen in Sack ich gesteckt. So hab ich gehört nur und hab nicht gesehn, Wie hier ist die gräßliche Unthat geschehn, Und lad' drum die lieben Schloßvögelein ein, Sie sollen wahrhaftige Zeugen mir seyn." Da trat Alektryo zu den Gebeinen der Gallina und „Ach Herr, ſchau dieſe Gebeinlein an, Das war mein Weib und meine Brut, Die Katze zerriß ſie und trank ihr Blut. Zeter uͤber Schurrimurri und Gog, Mack, Benack, Magog, Demagog; Zeter und Weh und aber Weh, Und immer und ewig Herr Jemine!“ Bei dieſen Worten kraͤhte er wieder gar betruͤbt, und „Alektryo, du mein edler Hahn, Ich hoͤrte, du haͤtteſt es ſelbſt gethan. Nun bringe du mir auch Zeugen bei, Daß deine Klage wahrhaftig ſey.“ Da antwortete Alektryo: „Hier war ich ſchon lange ein laͤſtiger Gaſt,
Sie haben den redlichen Waͤchter gehaßt; Oft mußte ich hoͤren den Wiegengeſang, Der mir, wie ein Meſſer, die Kehle durchdrang: „Ha heia, popeia, ſchlag's Kickelchen todt, Es legt keine Eier und frißt mir mein Brod, Dann rupfen wir ihm ſeine Federchen aus, Und machen Gackeleia ein Bettchen daraus!“ O waͤr ich geſtorben! wie waͤr' mir jetzt gut Mit meiner Gallina und mit meiner Brut, Bei dir lieber Hiob, bei dir Salomo In himmliſchen Hoͤfen auf goldenem Stroh! Doch fehlte der Muth hier zu blutiger That, Ich ſollte verderben durch Lug und Verrath. Weil oft ich zu fruͤh das Gewiſſen erweckt, Ward mit dem Gewiſſen in Sack ich geſteckt. So hab ich gehoͤrt nur und hab nicht geſehn, Wie hier iſt die graͤßliche Unthat geſchehn, Und lad' drum die lieben Schloßvoͤgelein ein, Sie ſollen wahrhaftige Zeugen mir ſeyn.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0088" n="62"/> <p>Da trat Alektryo zu den Gebeinen der Gallina und<lb/> kraͤhte Zeter mit zitternder Stimme.</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Ach Herr, ſchau dieſe Gebeinlein an,</l><lb/> <l>Das war mein Weib und meine Brut,</l><lb/> <l>Die Katze zerriß ſie und trank ihr Blut.</l><lb/> <l>Zeter uͤber Schurrimurri und Gog,</l><lb/> <l>Mack, Benack, Magog, Demagog;</l><lb/> <l>Zeter und Weh und aber Weh,</l><lb/> <l>Und immer und ewig Herr Jemine!“</l><lb/> </lg> <p>Bei dieſen Worten kraͤhte er wieder gar betruͤbt, und<lb/> Gockel ſagte:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Alektryo, du mein edler Hahn,</l><lb/> <l>Ich hoͤrte, du haͤtteſt es ſelbſt gethan.</l><lb/> <l>Nun bringe du mir auch Zeugen bei,</l><lb/> <l>Daß deine Klage wahrhaftig ſey.“</l><lb/> </lg> <p>Da antwortete Alektryo:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Hier war ich ſchon lange ein laͤſtiger Gaſt,</l><lb/> <l>Sie haben den redlichen Waͤchter gehaßt;</l><lb/> <l>Oft mußte ich hoͤren den Wiegengeſang,</l><lb/> <l>Der mir, wie ein Meſſer, die Kehle durchdrang:</l><lb/> <l>„Ha heia, popeia, ſchlag's Kickelchen todt,</l><lb/> <l>Es legt keine Eier und frißt mir mein Brod,</l><lb/> <l>Dann rupfen wir ihm ſeine Federchen aus,</l><lb/> <l>Und machen Gackeleia ein Bettchen daraus!“</l><lb/> <l>O waͤr ich geſtorben! wie waͤr' mir jetzt gut</l><lb/> <l>Mit meiner Gallina und mit meiner Brut,</l><lb/> <l>Bei dir lieber Hiob, bei dir Salomo</l><lb/> <l>In himmliſchen Hoͤfen auf goldenem Stroh!</l><lb/> <l>Doch fehlte der Muth hier zu blutiger That,</l><lb/> <l>Ich ſollte verderben durch Lug und Verrath.</l><lb/> <l>Weil oft ich zu fruͤh das Gewiſſen erweckt,</l><lb/> <l>Ward mit dem Gewiſſen in Sack ich geſteckt.</l><lb/> <l>So hab ich gehoͤrt nur und hab nicht geſehn,</l><lb/> <l>Wie hier iſt die graͤßliche Unthat geſchehn,</l><lb/> <l>Und lad' drum die lieben Schloßvoͤgelein ein,</l><lb/> <l>Sie ſollen wahrhaftige Zeugen mir ſeyn.“</l><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [62/0088]
Da trat Alektryo zu den Gebeinen der Gallina und
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Das war mein Weib und meine Brut,
Die Katze zerriß ſie und trank ihr Blut.
Zeter uͤber Schurrimurri und Gog,
Mack, Benack, Magog, Demagog;
Zeter und Weh und aber Weh,
Und immer und ewig Herr Jemine!“
Bei dieſen Worten kraͤhte er wieder gar betruͤbt, und
Gockel ſagte:
„Alektryo, du mein edler Hahn,
Ich hoͤrte, du haͤtteſt es ſelbſt gethan.
Nun bringe du mir auch Zeugen bei,
Daß deine Klage wahrhaftig ſey.“
Da antwortete Alektryo:
„Hier war ich ſchon lange ein laͤſtiger Gaſt,
Sie haben den redlichen Waͤchter gehaßt;
Oft mußte ich hoͤren den Wiegengeſang,
Der mir, wie ein Meſſer, die Kehle durchdrang:
„Ha heia, popeia, ſchlag's Kickelchen todt,
Es legt keine Eier und frißt mir mein Brod,
Dann rupfen wir ihm ſeine Federchen aus,
Und machen Gackeleia ein Bettchen daraus!“
O waͤr ich geſtorben! wie waͤr' mir jetzt gut
Mit meiner Gallina und mit meiner Brut,
Bei dir lieber Hiob, bei dir Salomo
In himmliſchen Hoͤfen auf goldenem Stroh!
Doch fehlte der Muth hier zu blutiger That,
Ich ſollte verderben durch Lug und Verrath.
Weil oft ich zu fruͤh das Gewiſſen erweckt,
Ward mit dem Gewiſſen in Sack ich geſteckt.
So hab ich gehoͤrt nur und hab nicht geſehn,
Wie hier iſt die graͤßliche Unthat geſchehn,
Und lad' drum die lieben Schloßvoͤgelein ein,
Sie ſollen wahrhaftige Zeugen mir ſeyn.“
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