Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

hinter der Ehre her gewesen, und hätte sich lieber an
unsern lieben Gott gehalten, hätte ihn nie von sich ge¬
lassen, in aller Noth, und hätte seinetwillen Schande und
Verachtung ertragen, statt ihrer Menschenehre. Der
Herr hätte sich gewiß erbarmt, und wird es auch noch,
ach, sie kommen gewiß zusammen, Gottes Wille geschehe!

Der Uhlan stand wieder in Frankreich, er hatte
lange nicht geschrieben, und wir glaubten ihn fast todt
und weinten oft um ihn. Er war aber im Hospital an
einer schweren Blessur krank gelegen und als er wieder
zu seinen Kameraden kam, und zum Unteroffizier ernannt
wurde, fiel ihm ein, daß ihm vor zwei Jahren sein
Stiefbruder so über's Maul gefahren: er sey nur Ge¬
meiner und der Vater Korporal, und dann die Geschichte
von dem französischen Unteroffizier und wie er seinem
Annerl von der Ehre so viel geredet, als er Abschied
genommen. Da verlor er seine Ruhe und kriegte das
Heimweh und sagte zu seinem Rittmeister, der ihn um
sein Leid fragte: ach, Herr Rittmeister, es ist, als ob es
mich mit den Zähnen nach Hause zöge. Da ließen sie
ihn heimreiten mit seinem Pferd, denn alle seine Offiziere
trauten ihm. Er kriegte auf drei Monate Urlaub und
sollte mit der Remonte wieder zurück kommen. Er eilte

hinter der Ehre her geweſen, und hätte ſich lieber an
unſern lieben Gott gehalten, hätte ihn nie von ſich ge¬
laſſen, in aller Noth, und hätte ſeinetwillen Schande und
Verachtung ertragen, ſtatt ihrer Menſchenehre. Der
Herr hätte ſich gewiß erbarmt, und wird es auch noch,
ach, ſie kommen gewiß zuſammen, Gottes Wille geſchehe!

Der Uhlan ſtand wieder in Frankreich, er hatte
lange nicht geſchrieben, und wir glaubten ihn faſt todt
und weinten oft um ihn. Er war aber im Hospital an
einer ſchweren Bleſſur krank gelegen und als er wieder
zu ſeinen Kameraden kam, und zum Unteroffizier ernannt
wurde, fiel ihm ein, daß ihm vor zwei Jahren ſein
Stiefbruder ſo über's Maul gefahren: er ſey nur Ge¬
meiner und der Vater Korporal, und dann die Geſchichte
von dem franzöſiſchen Unteroffizier und wie er ſeinem
Annerl von der Ehre ſo viel geredet, als er Abſchied
genommen. Da verlor er ſeine Ruhe und kriegte das
Heimweh und ſagte zu ſeinem Rittmeiſter, der ihn um
ſein Leid fragte: ach, Herr Rittmeiſter, es iſt, als ob es
mich mit den Zähnen nach Hauſe zöge. Da ließen ſie
ihn heimreiten mit ſeinem Pferd, denn alle ſeine Offiziere
trauten ihm. Er kriegte auf drei Monate Urlaub und
ſollte mit der Remonte wieder zurück kommen. Er eilte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0035" n="25"/>
hinter der Ehre her gewe&#x017F;en, und hätte &#x017F;ich lieber an<lb/>
un&#x017F;ern lieben Gott gehalten, hätte ihn nie von &#x017F;ich ge¬<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, in aller Noth, und hätte &#x017F;einetwillen Schande und<lb/>
Verachtung ertragen, &#x017F;tatt ihrer Men&#x017F;chenehre. Der<lb/>
Herr hätte &#x017F;ich gewiß erbarmt, und wird es auch noch,<lb/>
ach, &#x017F;ie kommen gewiß zu&#x017F;ammen, Gottes Wille ge&#x017F;chehe!</p><lb/>
        <p>Der Uhlan &#x017F;tand wieder in Frankreich, er hatte<lb/>
lange nicht ge&#x017F;chrieben, und wir glaubten ihn fa&#x017F;t todt<lb/>
und weinten oft um ihn. Er war aber im Hospital an<lb/>
einer &#x017F;chweren Ble&#x017F;&#x017F;ur krank gelegen und als er wieder<lb/>
zu &#x017F;einen Kameraden kam, und zum Unteroffizier ernannt<lb/>
wurde, fiel ihm ein, daß ihm vor zwei Jahren &#x017F;ein<lb/>
Stiefbruder &#x017F;o über's Maul gefahren: er &#x017F;ey nur Ge¬<lb/>
meiner und der Vater Korporal, und dann die Ge&#x017F;chichte<lb/>
von dem franzö&#x017F;i&#x017F;chen Unteroffizier und wie er &#x017F;einem<lb/>
Annerl von der Ehre &#x017F;o viel geredet, als er Ab&#x017F;chied<lb/>
genommen. Da verlor er &#x017F;eine Ruhe und kriegte das<lb/>
Heimweh und &#x017F;agte zu &#x017F;einem Rittmei&#x017F;ter, der ihn um<lb/>
&#x017F;ein Leid fragte: ach, Herr Rittmei&#x017F;ter, es i&#x017F;t, als ob es<lb/>
mich mit den Zähnen nach Hau&#x017F;e zöge. Da ließen &#x017F;ie<lb/>
ihn heimreiten mit &#x017F;einem Pferd, denn alle &#x017F;eine Offiziere<lb/>
trauten ihm. Er kriegte auf drei Monate Urlaub und<lb/>
&#x017F;ollte mit der Remonte wieder zurück kommen. Er eilte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0035] hinter der Ehre her geweſen, und hätte ſich lieber an unſern lieben Gott gehalten, hätte ihn nie von ſich ge¬ laſſen, in aller Noth, und hätte ſeinetwillen Schande und Verachtung ertragen, ſtatt ihrer Menſchenehre. Der Herr hätte ſich gewiß erbarmt, und wird es auch noch, ach, ſie kommen gewiß zuſammen, Gottes Wille geſchehe! Der Uhlan ſtand wieder in Frankreich, er hatte lange nicht geſchrieben, und wir glaubten ihn faſt todt und weinten oft um ihn. Er war aber im Hospital an einer ſchweren Bleſſur krank gelegen und als er wieder zu ſeinen Kameraden kam, und zum Unteroffizier ernannt wurde, fiel ihm ein, daß ihm vor zwei Jahren ſein Stiefbruder ſo über's Maul gefahren: er ſey nur Ge¬ meiner und der Vater Korporal, und dann die Geſchichte von dem franzöſiſchen Unteroffizier und wie er ſeinem Annerl von der Ehre ſo viel geredet, als er Abſchied genommen. Da verlor er ſeine Ruhe und kriegte das Heimweh und ſagte zu ſeinem Rittmeiſter, der ihn um ſein Leid fragte: ach, Herr Rittmeiſter, es iſt, als ob es mich mit den Zähnen nach Hauſe zöge. Da ließen ſie ihn heimreiten mit ſeinem Pferd, denn alle ſeine Offiziere trauten ihm. Er kriegte auf drei Monate Urlaub und ſollte mit der Remonte wieder zurück kommen. Er eilte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_kasperl_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_kasperl_1838/35
Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_kasperl_1838/35>, abgerufen am 21.11.2024.