Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.Das Getraide. Der bunt-beblühmte May war eben im Begriff, Dem warmen Junius die Herrschaft abzutreten, Als ich, um einst beym Korn den Schöpfer anzubeten, Mich nebst den Meinigen in einem kleinen Schiff' An einen Ort verfüg't, woselbst die fetten Felder, Rings um bekränzt durch Schatten-reicher Wälder Erhab'nes Eichen-Laub, ein rechtes Segens-Meer Voll lieblich wallender, doch trockner Wellen Den Augen such'ten vorzustellen. Es wankt die trockne Flut gemälig hin und her. Jch kann die Aeren hier vergnüglich wallen, Dort sich erheben, dorten fallen, Da wieder in die Höhe steigen, Dort schweben, dort sich neigen, Wie Wirbel sich in Kreise drehn, Bald eine Zeitlang stille stehn, Gleich aber wiederum sich schwingen, sehn. Dieß unaufhörliche, doch liebliche Gewül, Wodurch das Feld recht als zu leben schien, Jst dem Gesicht' ein angenemes Spiel. Der noch nicht reifen Halmen Grün Erheb't das Purpur-Grün der Aeren, Die sonsten nicht zu unterscheiden wären. Und eben dieses Spiel von Schatten und vom Licht, Das sich beständig unterbricht, Sich nahet, sich entfernt, sich teilet, sich vereinet, Zu fliehen, und sich selbst zu jagen scheinet, Jst eins der lieblichsten, so wir auf Erden finden. Ein sonst unachtsam Auge kann, Es anzusehn, sich nicht entbrechen, Und, K 4
Das Getraide. Der bunt-bebluͤhmte May war eben im Begriff, Dem warmen Junius die Herrſchaft abzutreten, Als ich, um einſt beym Korn den Schoͤpfer anzubeten, Mich nebſt den Meinigen in einem kleinen Schiff’ An einen Ort verfuͤg’t, woſelbſt die fetten Felder, Rings um bekraͤnzt durch Schatten-reicher Waͤlder Erhab’nes Eichen-Laub, ein rechtes Segens-Meer Voll lieblich wallender, doch trockner Wellen Den Augen ſuch’ten vorzuſtellen. Es wankt die trockne Flut gemaͤlig hin und her. Jch kann die Aeren hier vergnuͤglich wallen, Dort ſich erheben, dorten fallen, Da wieder in die Hoͤhe ſteigen, Dort ſchweben, dort ſich neigen, Wie Wirbel ſich in Kreiſe drehn, Bald eine Zeitlang ſtille ſtehn, Gleich aber wiederum ſich ſchwingen, ſehn. Dieß unaufhoͤrliche, doch liebliche Gewuͤl, Wodurch das Feld recht als zu leben ſchien, Jſt dem Geſicht’ ein angenemes Spiel. Der noch nicht reifen Halmen Gruͤn Erheb’t das Purpur-Gruͤn der Aeren, Die ſonſten nicht zu unterſcheiden waͤren. Und eben dieſes Spiel von Schatten und vom Licht, Das ſich beſtaͤndig unterbricht, Sich nahet, ſich entfernt, ſich teilet, ſich vereinet, Zu fliehen, und ſich ſelbſt zu jagen ſcheinet, Jſt eins der lieblichſten, ſo wir auf Erden finden. Ein ſonſt unachtſam Auge kann, Es anzuſehn, ſich nicht entbrechen, Und, K 4
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Das Getraide.
Der bunt-bebluͤhmte May war eben im Begriff,
Dem warmen Junius die Herrſchaft abzutreten,
Als ich, um einſt beym Korn den Schoͤpfer anzubeten,
Mich nebſt den Meinigen in einem kleinen Schiff’
An einen Ort verfuͤg’t, woſelbſt die fetten Felder,
Rings um bekraͤnzt durch Schatten-reicher Waͤlder
Erhab’nes Eichen-Laub, ein rechtes Segens-Meer
Voll lieblich wallender, doch trockner Wellen
Den Augen ſuch’ten vorzuſtellen.
Es wankt die trockne Flut gemaͤlig hin und her.
Jch kann die Aeren hier vergnuͤglich wallen,
Dort ſich erheben, dorten fallen,
Da wieder in die Hoͤhe ſteigen,
Dort ſchweben, dort ſich neigen,
Wie Wirbel ſich in Kreiſe drehn,
Bald eine Zeitlang ſtille ſtehn,
Gleich aber wiederum ſich ſchwingen, ſehn.
Dieß unaufhoͤrliche, doch liebliche Gewuͤl,
Wodurch das Feld recht als zu leben ſchien,
Jſt dem Geſicht’ ein angenemes Spiel.
Der noch nicht reifen Halmen Gruͤn
Erheb’t das Purpur-Gruͤn der Aeren,
Die ſonſten nicht zu unterſcheiden waͤren.
Und eben dieſes Spiel von Schatten und vom Licht,
Das ſich beſtaͤndig unterbricht,
Sich nahet, ſich entfernt, ſich teilet, ſich vereinet,
Zu fliehen, und ſich ſelbſt zu jagen ſcheinet,
Jſt eins der lieblichſten, ſo wir auf Erden finden.
Ein ſonſt unachtſam Auge kann,
Es anzuſehn, ſich nicht entbrechen,
Und,
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