Gar oft, als ob man es mit Fleiß Mit Leib-Farb' überstrichen hätte, Recht artig anzusehn. Wenn sie das frische Gras Mit scharfen Zungen mäh'n; Erreget jeder Biß ein knarschendes Getön. Jn ihren halb-geschloss'nen Augen scheint Die Sanftmut mit der Ruh vereint, Gelassen, unbesorgt, und recht vergnüg't zu wohnen. Ach daß man euch mit ruhigem Gemüt Nicht oft zu unsrer Lehr' in solcher Stellung sieht!
Mit hin und her beweg'ten Kiefern stunden Verschied'ne glatte Küh' unangebunden, Und liessen aus der vollen Eiter Zitzen Die fette Milch zu uns'rer Nahrung spritzen.
Liebstes Vieh, da ich hier stehe, Und, wie man dich melket, sehe; Fällt mir bey, Auf was Weis' es möglich sey, Daß in dir das Gras für mich Auf so wundersame Weise So zum Trank als auch zur Speise Zubereitet werd', und sich, Als in lebendigen Oefen, gleichsam selber distillire. Sprich nun, Mensch, ob in der That Dem, Der es geordnet hat, Nicht unendlich Lob gebühre!
Der
Gar oft, als ob man es mit Fleiß Mit Leib-Farb’ uͤberſtrichen haͤtte, Recht artig anzuſehn. Wenn ſie das friſche Gras Mit ſcharfen Zungen maͤh’n; Erreget jeder Biß ein knarſchendes Getoͤn. Jn ihren halb-geſchloſſ’nen Augen ſcheint Die Sanftmut mit der Ruh vereint, Gelaſſen, unbeſorgt, und recht vergnuͤg’t zu wohnen. Ach daß man euch mit ruhigem Gemuͤt Nicht oft zu unſrer Lehr’ in ſolcher Stellung ſieht!
Mit hin und her beweg’ten Kiefern ſtunden Verſchied’ne glatte Kuͤh’ unangebunden, Und lieſſen aus der vollen Eiter Zitzen Die fette Milch zu unſ’rer Nahrung ſpritzen.
Liebſtes Vieh, da ich hier ſtehe, Und, wie man dich melket, ſehe; Faͤllt mir bey, Auf was Weiſ’ es moͤglich ſey, Daß in dir das Gras fuͤr mich Auf ſo wunderſame Weiſe So zum Trank als auch zur Speiſe Zubereitet werd’, und ſich, Als in lebendigen Oefen, gleichſam ſelber diſtillire. Sprich nun, Menſch, ob in der That Dem, Der es geordnet hat, Nicht unendlich Lob gebuͤhre!
Der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgn="1"><l><pbfacs="#f0207"n="171"/>
Gar oft, als ob man es mit Fleiß</l><lb/><l>Mit Leib-Farb’ uͤberſtrichen haͤtte,</l><lb/><l>Recht artig anzuſehn.</l><lb/><l>Wenn ſie das friſche Gras</l><lb/><l>Mit ſcharfen Zungen maͤh’n;</l><lb/><l>Erreget jeder Biß ein knarſchendes Getoͤn.</l><lb/><l>Jn ihren halb-geſchloſſ’nen Augen ſcheint</l><lb/><l>Die Sanftmut mit der Ruh vereint,</l><lb/><l>Gelaſſen, unbeſorgt, und recht vergnuͤg’t zu wohnen.</l><lb/><l>Ach daß man euch mit ruhigem Gemuͤt</l><lb/><l>Nicht oft zu unſrer Lehr’ in ſolcher Stellung ſieht!</l></lg><lb/><lgn="2"><l>Mit hin und her beweg’ten Kiefern ſtunden</l><lb/><l>Verſchied’ne glatte Kuͤh’ unangebunden,</l><lb/><l>Und lieſſen aus der vollen Eiter Zitzen</l><lb/><l>Die fette Milch zu unſ’rer Nahrung ſpritzen.</l></lg><lb/><lgtype="poem"><l>Liebſtes Vieh, da ich hier ſtehe,</l><lb/><l>Und, wie man dich melket, ſehe;</l><lb/><l>Faͤllt mir bey,</l><lb/><l>Auf was Weiſ’ es moͤglich ſey,</l><lb/><l>Daß in dir das Gras fuͤr mich</l><lb/><l>Auf ſo wunderſame Weiſe</l><lb/><l>So zum Trank als auch zur Speiſe</l><lb/><l>Zubereitet werd’, und ſich,</l><lb/><l>Als in lebendigen Oefen, gleichſam ſelber diſtillire.</l><lb/><l>Sprich nun, Menſch, ob in der That</l><lb/><l>Dem, Der es geordnet hat,</l><lb/><l>Nicht unendlich Lob gebuͤhre!</l></lg></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">Der</hi></fw><lb/></div></body></text></TEI>
[171/0207]
Gar oft, als ob man es mit Fleiß
Mit Leib-Farb’ uͤberſtrichen haͤtte,
Recht artig anzuſehn.
Wenn ſie das friſche Gras
Mit ſcharfen Zungen maͤh’n;
Erreget jeder Biß ein knarſchendes Getoͤn.
Jn ihren halb-geſchloſſ’nen Augen ſcheint
Die Sanftmut mit der Ruh vereint,
Gelaſſen, unbeſorgt, und recht vergnuͤg’t zu wohnen.
Ach daß man euch mit ruhigem Gemuͤt
Nicht oft zu unſrer Lehr’ in ſolcher Stellung ſieht!
Mit hin und her beweg’ten Kiefern ſtunden
Verſchied’ne glatte Kuͤh’ unangebunden,
Und lieſſen aus der vollen Eiter Zitzen
Die fette Milch zu unſ’rer Nahrung ſpritzen.
Liebſtes Vieh, da ich hier ſtehe,
Und, wie man dich melket, ſehe;
Faͤllt mir bey,
Auf was Weiſ’ es moͤglich ſey,
Daß in dir das Gras fuͤr mich
Auf ſo wunderſame Weiſe
So zum Trank als auch zur Speiſe
Zubereitet werd’, und ſich,
Als in lebendigen Oefen, gleichſam ſelber diſtillire.
Sprich nun, Menſch, ob in der That
Dem, Der es geordnet hat,
Nicht unendlich Lob gebuͤhre!
Der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/207>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.