Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

Bild:
<< vorherige Seite

Vergnüg'te mich so sehr, daß ich verschied'ne nam,
Und zwischen zwey papir'nen Blättern leg'te,
Woselbst, von aller Luft und Feuchtigkeit befreit,
Sie Form und Farben lange Zeit
Ohn' Aenderung behielten;
Da sie denn oftmals mein Gesicht
Vergnüg'ten, wenn zumal beym Licht
Desselben Stralen durch sie spielten:
Doch reichet nichts an ihren Schimmer,
Wenn man dergleichen bunte Blätter,
Bey heiterm Wetter,
Ans Fenster kleb't von einem Zimmer,
Das von der Sonnen Licht bestral't wird. Dann entdecket
Sich nicht allein der Schmuck, der in denselben stecket;
Der Adern bunte Meng' und zierliches Gewebe,
Die Farben, brennen recht. Man kann mit tausend Freuden
An ihrer bunten Gluht Gesicht und Sele weiden.
Versuch' es einer nur! Er wird gestehn,
Daß auf der Welt fast nichts so schön.
Es wird kein Gold so zart, so rein,
Wie künstlich man's auch spinn't, gesponnen,
Als wie vom gelben Laub' im hellen Stral der Sonnen
Die zartesten durchsicht'gen Adern seyn,
Die, wenn wir sie mit Achtsamkeit besehen,
Recht lieblich durch einander gehen;
So daß es kein Verstand, kein Fleiß
So zierlich nachzuweben weiß.
Man kann, wie ich es denn probiret,
Da ein Versuch uns immer weiter führet,

Die

Vergnuͤg’te mich ſo ſehr, daß ich verſchied’ne nam,
Und zwiſchen zwey papir’nen Blaͤttern leg’te,
Woſelbſt, von aller Luft und Feuchtigkeit befreit,
Sie Form und Farben lange Zeit
Ohn’ Aenderung behielten;
Da ſie denn oftmals mein Geſicht
Vergnuͤg’ten, wenn zumal beym Licht
Deſſelben Stralen durch ſie ſpielten:
Doch reichet nichts an ihren Schimmer,
Wenn man dergleichen bunte Blaͤtter,
Bey heiterm Wetter,
Ans Fenſter kleb’t von einem Zimmer,
Das von der Sonnen Licht beſtral’t wird. Dann entdecket
Sich nicht allein der Schmuck, der in denſelben ſtecket;
Der Adern bunte Meng’ und zierliches Gewebe,
Die Farben, brennen recht. Man kann mit tauſend Freuden
An ihrer bunten Gluht Geſicht und Sele weiden.
Verſuch’ es einer nur! Er wird geſtehn,
Daß auf der Welt faſt nichts ſo ſchoͤn.
Es wird kein Gold ſo zart, ſo rein,
Wie kuͤnſtlich man’s auch ſpinn’t, geſponnen,
Als wie vom gelben Laub’ im hellen Stral der Sonnen
Die zarteſten durchſicht’gen Adern ſeyn,
Die, wenn wir ſie mit Achtſamkeit beſehen,
Recht lieblich durch einander gehen;
So daß es kein Verſtand, kein Fleiß
So zierlich nachzuweben weiß.
Man kann, wie ich es denn probiret,
Da ein Verſuch uns immer weiter fuͤhret,

Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="3">
            <l><pb facs="#f0435" n="399"/>
Vergnu&#x0364;g&#x2019;te mich &#x017F;o &#x017F;ehr, daß ich ver&#x017F;chied&#x2019;ne nam,</l><lb/>
            <l>Und zwi&#x017F;chen zwey papir&#x2019;nen Bla&#x0364;ttern leg&#x2019;te,</l><lb/>
            <l>Wo&#x017F;elb&#x017F;t, von aller Luft und Feuchtigkeit befreit,</l><lb/>
            <l>Sie Form und Farben lange Zeit</l><lb/>
            <l>Ohn&#x2019; Aenderung behielten;</l><lb/>
            <l>Da &#x017F;ie denn oftmals mein Ge&#x017F;icht</l><lb/>
            <l>Vergnu&#x0364;g&#x2019;ten, wenn zumal beym Licht</l><lb/>
            <l>De&#x017F;&#x017F;elben Stralen durch &#x017F;ie &#x017F;pielten:</l><lb/>
            <l>Doch reichet nichts an ihren Schimmer,</l><lb/>
            <l>Wenn man dergleichen bunte Bla&#x0364;tter,</l><lb/>
            <l>Bey heiterm Wetter,</l><lb/>
            <l>Ans Fen&#x017F;ter kleb&#x2019;t von einem Zimmer,</l><lb/>
            <l>Das von der Sonnen Licht be&#x017F;tral&#x2019;t wird. Dann entdecket</l><lb/>
            <l>Sich nicht allein der Schmuck, der in den&#x017F;elben &#x017F;tecket;</l><lb/>
            <l>Der Adern bunte Meng&#x2019; und zierliches Gewebe,</l><lb/>
            <l>Die Farben, brennen recht. Man kann mit tau&#x017F;end Freuden</l><lb/>
            <l>An ihrer bunten Gluht Ge&#x017F;icht und Sele weiden.</l><lb/>
            <l>Ver&#x017F;uch&#x2019; es einer nur! Er wird ge&#x017F;tehn,</l><lb/>
            <l>Daß auf der Welt fa&#x017F;t nichts &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n.</l><lb/>
            <l>Es wird kein Gold &#x017F;o zart, &#x017F;o rein,</l><lb/>
            <l>Wie ku&#x0364;n&#x017F;tlich man&#x2019;s auch &#x017F;pinn&#x2019;t, ge&#x017F;ponnen,</l><lb/>
            <l>Als wie vom gelben Laub&#x2019; im hellen Stral der Sonnen</l><lb/>
            <l>Die zarte&#x017F;ten durch&#x017F;icht&#x2019;gen Adern &#x017F;eyn,</l><lb/>
            <l>Die, wenn wir &#x017F;ie mit Acht&#x017F;amkeit be&#x017F;ehen,</l><lb/>
            <l>Recht lieblich durch einander gehen;</l><lb/>
            <l>So daß es kein Ver&#x017F;tand, kein Fleiß</l><lb/>
            <l>So zierlich nachzuweben weiß.</l><lb/>
            <l>Man kann, wie ich es denn probiret,</l><lb/>
            <l>Da ein Ver&#x017F;uch uns immer weiter fu&#x0364;hret,</l><lb/>
            <l>
              <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
            </l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[399/0435] Vergnuͤg’te mich ſo ſehr, daß ich verſchied’ne nam, Und zwiſchen zwey papir’nen Blaͤttern leg’te, Woſelbſt, von aller Luft und Feuchtigkeit befreit, Sie Form und Farben lange Zeit Ohn’ Aenderung behielten; Da ſie denn oftmals mein Geſicht Vergnuͤg’ten, wenn zumal beym Licht Deſſelben Stralen durch ſie ſpielten: Doch reichet nichts an ihren Schimmer, Wenn man dergleichen bunte Blaͤtter, Bey heiterm Wetter, Ans Fenſter kleb’t von einem Zimmer, Das von der Sonnen Licht beſtral’t wird. Dann entdecket Sich nicht allein der Schmuck, der in denſelben ſtecket; Der Adern bunte Meng’ und zierliches Gewebe, Die Farben, brennen recht. Man kann mit tauſend Freuden An ihrer bunten Gluht Geſicht und Sele weiden. Verſuch’ es einer nur! Er wird geſtehn, Daß auf der Welt faſt nichts ſo ſchoͤn. Es wird kein Gold ſo zart, ſo rein, Wie kuͤnſtlich man’s auch ſpinn’t, geſponnen, Als wie vom gelben Laub’ im hellen Stral der Sonnen Die zarteſten durchſicht’gen Adern ſeyn, Die, wenn wir ſie mit Achtſamkeit beſehen, Recht lieblich durch einander gehen; So daß es kein Verſtand, kein Fleiß So zierlich nachzuweben weiß. Man kann, wie ich es denn probiret, Da ein Verſuch uns immer weiter fuͤhret, Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/435
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/435>, abgerufen am 26.11.2024.