Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.
Mich treibet meine Pflicht, mit Andacht nachzudenken, Wenn mancher also denkt: Wie geh'ts auf Erden zu? Betrug und Bosheit herrsch't, die Tugend wird gedrücket. Wenn sich die Frömmigkeit als Sclavinn, ohne Ruh, Mit trocknem Brodt kaum lab't, mit Wasser kaum erqvicket; So schwimm't die Tyranney in einem Wollust-Meer, Gesegnet und gekrön't mit Reichtum und mit Ehr'. Jst nicht das Geld Unwidersprechlich itzt ein Herr, ein Gott der Welt? Die Armut ist allein, kein Laster, eine Schande. T .., der der gröste Schelm und Dieb im ganzen Lande, Regiert des Fürsten Hof. Er drück't, er press't, er plag't, Was fromm und redlich ist. Er qvälet, er verjag't Das, was nicht lasterhaft. Berauben, Blut-vergiessen, Jst ihm ein Kinder-Spiel. Der Wittwen Thränen fliessen Vergebens über ihn. Der Unterthanen Schweiß Bethaut und düngt sein Feld. Jhr ängstlich-bitt'rer Fleiß, Jhr Hunger nähret ihn Wit Kummer-vollem Weh und täglichem Bemühn. Sein Fürst glaubt der verdammten Lehre, Die E e 5
Mich treibet meine Pflicht, mit Andacht nachzudenken, Wenn mancher alſo denkt: Wie geh’ts auf Erden zu? Betrug und Boſheit herrſch’t, die Tugend wird gedruͤcket. Wenn ſich die Froͤmmigkeit als Sclavinn, ohne Ruh, Mit trocknem Brodt kaum lab’t, mit Waſſer kaum erqvicket; So ſchwimm’t die Tyranney in einem Wolluſt-Meer, Geſegnet und gekroͤn’t mit Reichtum und mit Ehr’. Jſt nicht das Geld Unwiderſprechlich itzt ein Herr, ein Gott der Welt? Die Armut iſt allein, kein Laſter, eine Schande. T .., der der groͤſte Schelm und Dieb im ganzen Lande, Regiert des Fuͤrſten Hof. Er druͤck’t, er preſſ’t, er plag’t, Was fromm und redlich iſt. Er qvaͤlet, er verjag’t Das, was nicht laſterhaft. Berauben, Blut-vergieſſen, Jſt ihm ein Kinder-Spiel. Der Wittwen Thraͤnen flieſſen Vergebens uͤber ihn. Der Unterthanen Schweiß Bethaut und duͤngt ſein Feld. Jhr aͤngſtlich-bitt’rer Fleiß, Jhr Hunger naͤhret ihn Wit Kummer-vollem Weh und taͤglichem Bemuͤhn. Sein Fuͤrſt glaubt der verdammten Lehre, Die E e 5
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Mich treibet meine Pflicht, mit Andacht nachzudenken,
Ob nicht der Menſchliche Verſtand dahin zu lenken,
Daß er ohn Wider-Sinn und Murren faſſen lerne,
Wie es von Billigkeit und Recht ſich nicht entferne,
Ob man gleich oftmals ſieht, daß es in dieſer Welt
Den Boͤſen meiſtens gut, den Frommen uͤbel, gehe;
Wie gottlos folglich ſey, wenn mancher gar daher
Erbaͤrmlich folgern will, als wenn kein GOtt nicht waͤr,
Daß alles auf der Welt bloß durch ein Ungefehr,
Daß nichts durch GOttes Macht und weiſen Raht, geſchehe.
Wenn mancher alſo denkt: Wie geh’ts auf Erden zu?
Betrug und Boſheit herrſch’t, die Tugend wird gedruͤcket.
Wenn ſich die Froͤmmigkeit als Sclavinn, ohne Ruh,
Mit trocknem Brodt kaum lab’t, mit Waſſer kaum erqvicket;
So ſchwimm’t die Tyranney in einem Wolluſt-Meer,
Geſegnet und gekroͤn’t mit Reichtum und mit Ehr’.
Jſt nicht das Geld
Unwiderſprechlich itzt ein Herr, ein Gott der Welt?
Die Armut iſt allein, kein Laſter, eine Schande.
T .., der der groͤſte Schelm und Dieb im ganzen Lande,
Regiert des Fuͤrſten Hof. Er druͤck’t, er preſſ’t, er plag’t,
Was fromm und redlich iſt. Er qvaͤlet, er verjag’t
Das, was nicht laſterhaft. Berauben, Blut-vergieſſen,
Jſt ihm ein Kinder-Spiel. Der Wittwen Thraͤnen flieſſen
Vergebens uͤber ihn. Der Unterthanen Schweiß
Bethaut und duͤngt ſein Feld. Jhr aͤngſtlich-bitt’rer Fleiß,
Jhr Hunger naͤhret ihn
Wit Kummer-vollem Weh und taͤglichem Bemuͤhn.
Sein Fuͤrſt glaubt der verdammten Lehre,
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