Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.
Mit deiner Weber-Kunst wirst du nicht viel gewinnen, Es kann der kluge Mensch die Schiffahrt so bestellen, Daß er in Sicherheit das tiefe Reich der Wellen Durchreiset und zerteilt. Das ist zwar wahr; allein, Daß Gäns' und Endten noch dazu geschickter seyn, Vernein'st du ja wol nicht. Die Vögel aber fliegen, Und schiffen durch die Luft, durchstreichen mit Vergnügen Und sonder alle Müh den Kreis der untern Welt, Das dir mit aller Kunst durchaus unmöglich fällt. Jch sorg' aufs künftige; ich sammle reiche Schätze. Wie wenn ich dir hierauf der Ameis' Arbeit, Fleiß, Und kluge Sorg' entgegen setze? Was meyn'st du, wem gebührt von beyden wol der Preis, Da sie nicht, so wie du, bloß in den Ueberfluß Und in dasjenige, was sie nicht braucht, vernarret; Da sie ihr nötig Korn bloß sammlet zum Genuß; Da sie nicht so, wie du, bloß um zu scharren, scharret? Mich deucht, du fährest fort: Kein Thier gedenk't; ich denke. Ja
Mit deiner Weber-Kunſt wirſt du nicht viel gewinnen, Es kann der kluge Menſch die Schiffahrt ſo beſtellen, Daß er in Sicherheit das tiefe Reich der Wellen Durchreiſet und zerteilt. Das iſt zwar wahr; allein, Daß Gaͤnſ’ und Endten noch dazu geſchickter ſeyn, Vernein’ſt du ja wol nicht. Die Voͤgel aber fliegen, Und ſchiffen durch die Luft, durchſtreichen mit Vergnuͤgen Und ſonder alle Muͤh den Kreis der untern Welt, Das dir mit aller Kunſt durchaus unmoͤglich faͤllt. Jch ſorg’ aufs kuͤnftige; ich ſammle reiche Schaͤtze. Wie wenn ich dir hierauf der Ameiſ’ Arbeit, Fleiß, Und kluge Sorg’ entgegen ſetze? Was meyn’ſt du, wem gebuͤhrt von beyden wol der Preis, Da ſie nicht, ſo wie du, bloß in den Ueberfluß Und in dasjenige, was ſie nicht braucht, vernarret; Da ſie ihr noͤtig Korn bloß ſammlet zum Genuß; Da ſie nicht ſo, wie du, bloß um zu ſcharren, ſcharret? Mich deucht, du faͤhreſt fort: Kein Thier gedenk’t; ich denke. Ja
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Mit deiner Weber-Kunſt wirſt du nicht viel gewinnen,
Weil Thiere ja ſo gut, als du, und beſſer ſpinnen.
Schau’ eine Spinn’! Ein Wuͤrmchen wirk’t und web’t
Mit groͤſſ’rer Kunſt, als du. Es baut der Menſch Pallaͤſte
Zur Sicherheit ſo wol als zur Beqvemlichkeit.
Sprich: Trifft man alles dieß in einem Vogel-Neſte
Nicht mit Verwund’rung an? Ein kleiner Schnabel bau’t,
Was man nicht ſonder Luſt, nicht ohn’ Erſtaunen ſchau’t,
Ohn’ Hand und Werkzeug auf. Noch mehr, die kleinen Bienen
Die werden ſtaͤrker noch zur Ueberzeugung dienen,
Daß alles, was ein Menſch an Bauwerk je geſtift’t,
Kaum ihrem Bau ſich gleicht, und ihn nicht uͤbertrifft.
Es kann der kluge Menſch die Schiffahrt ſo beſtellen,
Daß er in Sicherheit das tiefe Reich der Wellen
Durchreiſet und zerteilt. Das iſt zwar wahr; allein,
Daß Gaͤnſ’ und Endten noch dazu geſchickter ſeyn,
Vernein’ſt du ja wol nicht. Die Voͤgel aber fliegen,
Und ſchiffen durch die Luft, durchſtreichen mit Vergnuͤgen
Und ſonder alle Muͤh den Kreis der untern Welt,
Das dir mit aller Kunſt durchaus unmoͤglich faͤllt.
Jch ſorg’ aufs kuͤnftige; ich ſammle reiche Schaͤtze.
Wie wenn ich dir hierauf der Ameiſ’ Arbeit, Fleiß,
Und kluge Sorg’ entgegen ſetze?
Was meyn’ſt du, wem gebuͤhrt von beyden wol der Preis,
Da ſie nicht, ſo wie du, bloß in den Ueberfluß
Und in dasjenige, was ſie nicht braucht, vernarret;
Da ſie ihr noͤtig Korn bloß ſammlet zum Genuß;
Da ſie nicht ſo, wie du, bloß um zu ſcharren, ſcharret?
Mich deucht, du faͤhreſt fort: Kein Thier gedenk’t; ich denke.
Ja
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