Da ja bekannt genug, daß in der Menge Geist-reicher, lieblicher, vortrefflicher Gesänge, Die wir im Lutherthum vor andern Christen haben, Ein grosser Teil des GOttes-Dienst's besteht, Und viele Selen sich daran recht herzlich laben. Stimmt nicht so mancher Handwerks-Mann Ein frohes Lied bey seiner Arbeit an? Versüsset er sich nicht dadurch die saure Müh? Er fül't nicht einst den Schweiß; Es mehrt in ihm die Poesie Die Lust zusammt dem Fleiß, Und mindert ihm sein Unvergnügen. Wie würde nicht Verdrießlichkeit Und oftermals die lange Zeit, Bey ihrem stillen Werk, das Frauen-Volk besiegen, Wenn nicht ein Vers in süsser Melodie Und etwan ein: wer nur den lieben GOTT lässt walten; Die sonst ausschweifenden Gedanken Jn ihren angewies'nen Schranken, Beschäfftig wären, zu erhalten.
Dergleichen Lieder nun sind kräftig, GOttes Werke, Und in denselbigen des Schöpfers Weis heit, Stärke, Huld, Lieb' und Güt' uns beyzubringen; Wovon man leider selten spricht, Wovon wir ja so selten schreiben, Und die dahero fast uns ganz verborgen bleiben. Jn Schulen treibt mans nicht, Und ist es gar dahin gebracht, Daß fast kein Geistlicher des Schöpfers Wunder-Macht
Jn
Da ja bekannt genug, daß in der Menge Geiſt-reicher, lieblicher, vortrefflicher Geſaͤnge, Die wir im Lutherthum vor andern Chriſten haben, Ein groſſer Teil des GOttes-Dienſt’s beſteht, Und viele Selen ſich daran recht herzlich laben. Stimmt nicht ſo mancher Handwerks-Mann Ein frohes Lied bey ſeiner Arbeit an? Verſuͤſſet er ſich nicht dadurch die ſaure Muͤh? Er fuͤl’t nicht einſt den Schweiß; Es mehrt in ihm die Poeſie Die Luſt zuſammt dem Fleiß, Und mindert ihm ſein Unvergnuͤgen. Wie wuͤrde nicht Verdrießlichkeit Und oftermals die lange Zeit, Bey ihrem ſtillen Werk, das Frauen-Volk beſiegen, Wenn nicht ein Vers in ſuͤſſer Melodie Und etwan ein: wer nur den lieben GOTT laͤſſt walten; Die ſonſt ausſchweifenden Gedanken Jn ihren angewieſ’nen Schranken, Beſchaͤfftig waͤren, zu erhalten.
Dergleichen Lieder nun ſind kraͤftig, GOttes Werke, Und in denſelbigen des Schoͤpfers Weiſ heit, Staͤrke, Huld, Lieb’ und Guͤt’ uns beyzubringen; Wovon man leider ſelten ſpricht, Wovon wir ja ſo ſelten ſchreiben, Und die dahero faſt uns ganz verborgen bleiben. Jn Schulen treibt mans nicht, Und iſt es gar dahin gebracht, Daß faſt kein Geiſtlicher des Schoͤpfers Wunder-Macht
Jn
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Da ja bekannt genug, daß in der Menge</l><lb/><l>Geiſt-reicher, lieblicher, vortrefflicher Geſaͤnge,</l><lb/><l>Die wir im Lutherthum vor andern Chriſten haben,</l><lb/><l>Ein groſſer Teil des GOttes-Dienſt’s beſteht,</l><lb/><l>Und viele Selen ſich daran recht herzlich laben.</l><lb/><l>Stimmt nicht ſo mancher Handwerks-Mann</l><lb/><l>Ein frohes Lied bey ſeiner Arbeit an?</l><lb/><l>Verſuͤſſet er ſich nicht dadurch die ſaure Muͤh?</l><lb/><l>Er fuͤl’t nicht einſt den Schweiß;</l><lb/><l>Es mehrt in ihm die Poeſie</l><lb/><l>Die Luſt zuſammt dem Fleiß,</l><lb/><l>Und mindert ihm ſein Unvergnuͤgen.</l><lb/><l>Wie wuͤrde nicht Verdrießlichkeit</l><lb/><l>Und oftermals die lange Zeit,</l><lb/><l>Bey ihrem ſtillen Werk, das Frauen-Volk beſiegen,</l><lb/><l>Wenn nicht ein Vers in ſuͤſſer Melodie</l><lb/><l>Und etwan ein: <hirendition="#fr">wer nur den lieben GOTT laͤſſt walten;</hi></l><lb/><l>Die ſonſt ausſchweifenden Gedanken</l><lb/><l>Jn ihren angewieſ’nen Schranken,</l><lb/><l>Beſchaͤfftig waͤren, zu erhalten.</l></lg><lb/><lgn="170"><l>Dergleichen Lieder nun ſind kraͤftig, GOttes Werke,</l><lb/><l>Und in denſelbigen des Schoͤpfers Weiſ heit, Staͤrke,</l><lb/><l>Huld, Lieb’ und Guͤt’ uns beyzubringen;</l><lb/><l>Wovon man leider ſelten ſpricht,</l><lb/><l>Wovon wir ja ſo ſelten ſchreiben,</l><lb/><l>Und die dahero faſt uns ganz verborgen bleiben.</l><lb/><l>Jn Schulen treibt mans nicht,</l><lb/><l>Und iſt es gar dahin gebracht,</l><lb/><l>Daß faſt kein Geiſtlicher des Schoͤpfers Wunder-Macht</l><lb/><l><fwplace="bottom"type="catch">Jn</fw><lb/></l></lg></div></div></body></text></TEI>
[509/0545]
Da ja bekannt genug, daß in der Menge
Geiſt-reicher, lieblicher, vortrefflicher Geſaͤnge,
Die wir im Lutherthum vor andern Chriſten haben,
Ein groſſer Teil des GOttes-Dienſt’s beſteht,
Und viele Selen ſich daran recht herzlich laben.
Stimmt nicht ſo mancher Handwerks-Mann
Ein frohes Lied bey ſeiner Arbeit an?
Verſuͤſſet er ſich nicht dadurch die ſaure Muͤh?
Er fuͤl’t nicht einſt den Schweiß;
Es mehrt in ihm die Poeſie
Die Luſt zuſammt dem Fleiß,
Und mindert ihm ſein Unvergnuͤgen.
Wie wuͤrde nicht Verdrießlichkeit
Und oftermals die lange Zeit,
Bey ihrem ſtillen Werk, das Frauen-Volk beſiegen,
Wenn nicht ein Vers in ſuͤſſer Melodie
Und etwan ein: wer nur den lieben GOTT laͤſſt walten;
Die ſonſt ausſchweifenden Gedanken
Jn ihren angewieſ’nen Schranken,
Beſchaͤfftig waͤren, zu erhalten.
Dergleichen Lieder nun ſind kraͤftig, GOttes Werke,
Und in denſelbigen des Schoͤpfers Weiſ heit, Staͤrke,
Huld, Lieb’ und Guͤt’ uns beyzubringen;
Wovon man leider ſelten ſpricht,
Wovon wir ja ſo ſelten ſchreiben,
Und die dahero faſt uns ganz verborgen bleiben.
Jn Schulen treibt mans nicht,
Und iſt es gar dahin gebracht,
Daß faſt kein Geiſtlicher des Schoͤpfers Wunder-Macht
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/545>, abgerufen am 22.11.2024.
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