Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

Bild:
<< vorherige Seite

Da all' an einer Seite stehen,
Da all' auf einen Vorwurf sehen.
Sie hängen unter sich, sie scheinen sich allein
Und ihre Niedrigkeit in Demut zu betrachten.
Ach lasset sie auch uns ein Bild der Demut seyn,
Ach lasset uns viel lieber in uns gehn,
Als neben andern uns erheben, sie verachten!
Man überhebe sich der eig'nen Gaben nicht,
Und sehe mehr auf sich, als auf des Nächsten Fehler!
Erweg't, wie öfters es geschicht,
Daß GOtt sowol die niedren Thäler
Als Berge fruchtbar werden ließ!

Aus unsers Blühmchens Kelchen quillet
Ein angenemes Bitter-süß,
So unser Hirn mit Nutz und Lust erfüllet.
Man hat es lange schon bemerkt,
Wie dieser Bluhmen Kraft so Hirn als Nerven stärkt.
Wie in der Arzeney
Jhr Nutz so mannichfaltig sey;
Hat sich schon oftermals gewiesen.
Sie öffnet unser Haupt im Niesen,
Vertreib't den Schlag, verjag't die Gicht.
Jndem ich also denk', und bey den Bluhmen stehe,
Die Kraft erweg', und ihre Schönheit sehe;
So deucht mich, daß dieß Blühmchen spricht:
Gedenk an GOtt und Seine Macht,
Der dich und mich hervor gebracht,
Der gegenwärtig bey uns beiden,
Der allenthalben, nirgends nicht,
Und Dem durch deine Freuden
Der allerliebste Dienst geschicht!


Die

Da all’ an einer Seite ſtehen,
Da all’ auf einen Vorwurf ſehen.
Sie haͤngen unter ſich, ſie ſcheinen ſich allein
Und ihre Niedrigkeit in Demut zu betrachten.
Ach laſſet ſie auch uns ein Bild der Demut ſeyn,
Ach laſſet uns viel lieber in uns gehn,
Als neben andern uns erheben, ſie verachten!
Man uͤberhebe ſich der eig’nen Gaben nicht,
Und ſehe mehr auf ſich, als auf des Naͤchſten Fehler!
Erweg’t, wie oͤfters es geſchicht,
Daß GOtt ſowol die niedren Thaͤler
Als Berge fruchtbar werden ließ!

Aus unſers Bluͤhmchens Kelchen quillet
Ein angenemes Bitter-ſuͤß,
So unſer Hirn mit Nutz und Luſt erfuͤllet.
Man hat es lange ſchon bemerkt,
Wie dieſer Bluhmen Kraft ſo Hirn als Nerven ſtaͤrkt.
Wie in der Arzeney
Jhr Nutz ſo mannichfaltig ſey;
Hat ſich ſchon oftermals gewieſen.
Sie oͤffnet unſer Haupt im Nieſen,
Vertreib’t den Schlag, verjag’t die Gicht.
Jndem ich alſo denk’, und bey den Bluhmen ſtehe,
Die Kraft erweg’, und ihre Schoͤnheit ſehe;
So deucht mich, daß dieß Bluͤhmchen ſpricht:
Gedenk an GOtt und Seine Macht,
Der dich und mich hervor gebracht,
Der gegenwaͤrtig bey uns beiden,
Der allenthalben, nirgends nicht,
Und Dem durch deine Freuden
Der allerliebſte Dienſt geſchicht!


Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="6">
            <l><pb facs="#f0080" n="44"/>
Da all&#x2019; an einer Seite &#x017F;tehen,</l><lb/>
            <l>Da all&#x2019; auf einen Vorwurf &#x017F;ehen.</l><lb/>
            <l>Sie ha&#x0364;ngen unter &#x017F;ich, &#x017F;ie &#x017F;cheinen &#x017F;ich allein</l><lb/>
            <l>Und ihre Niedrigkeit in Demut zu betrachten.</l><lb/>
            <l>Ach la&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ie auch uns ein Bild der Demut &#x017F;eyn,</l><lb/>
            <l>Ach la&#x017F;&#x017F;et uns viel lieber in uns gehn,</l><lb/>
            <l>Als neben andern uns erheben, &#x017F;ie verachten!</l><lb/>
            <l>Man u&#x0364;berhebe &#x017F;ich der eig&#x2019;nen Gaben nicht,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ehe mehr auf &#x017F;ich, als auf des Na&#x0364;ch&#x017F;ten Fehler!</l><lb/>
            <l>Erweg&#x2019;t, wie o&#x0364;fters es ge&#x017F;chicht,</l><lb/>
            <l>Daß GOtt &#x017F;owol die niedren Tha&#x0364;ler</l><lb/>
            <l>Als Berge fruchtbar werden ließ!</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="7">
            <l>Aus un&#x017F;ers Blu&#x0364;hmchens Kelchen quillet</l><lb/>
            <l>Ein angenemes Bitter-&#x017F;u&#x0364;ß,</l><lb/>
            <l>So un&#x017F;er Hirn mit Nutz und Lu&#x017F;t erfu&#x0364;llet.</l><lb/>
            <l>Man hat es lange &#x017F;chon bemerkt,</l><lb/>
            <l>Wie die&#x017F;er Bluhmen Kraft &#x017F;o Hirn als Nerven &#x017F;ta&#x0364;rkt.</l><lb/>
            <l>Wie in der Arzeney</l><lb/>
            <l>Jhr Nutz &#x017F;o mannichfaltig &#x017F;ey;</l><lb/>
            <l>Hat &#x017F;ich &#x017F;chon oftermals gewie&#x017F;en.</l><lb/>
            <l>Sie o&#x0364;ffnet un&#x017F;er Haupt im Nie&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Vertreib&#x2019;t den Schlag, verjag&#x2019;t die Gicht.</l><lb/>
            <l>Jndem ich al&#x017F;o denk&#x2019;, und bey den Bluhmen &#x017F;tehe,</l><lb/>
            <l>Die Kraft erweg&#x2019;, und ihre Scho&#x0364;nheit &#x017F;ehe;</l><lb/>
            <l>So deucht mich, daß dieß Blu&#x0364;hmchen &#x017F;pricht:</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="8">
            <l>Gedenk an GOtt und Seine Macht,</l><lb/>
            <l>Der dich und mich hervor gebracht,</l><lb/>
            <l>Der gegenwa&#x0364;rtig bey uns beiden,</l><lb/>
            <l>Der allenthalben, nirgends nicht,</l><lb/>
            <l>Und Dem durch deine Freuden</l><lb/>
            <l>Der allerlieb&#x017F;te Dien&#x017F;t ge&#x017F;chicht!</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Die</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0080] Da all’ an einer Seite ſtehen, Da all’ auf einen Vorwurf ſehen. Sie haͤngen unter ſich, ſie ſcheinen ſich allein Und ihre Niedrigkeit in Demut zu betrachten. Ach laſſet ſie auch uns ein Bild der Demut ſeyn, Ach laſſet uns viel lieber in uns gehn, Als neben andern uns erheben, ſie verachten! Man uͤberhebe ſich der eig’nen Gaben nicht, Und ſehe mehr auf ſich, als auf des Naͤchſten Fehler! Erweg’t, wie oͤfters es geſchicht, Daß GOtt ſowol die niedren Thaͤler Als Berge fruchtbar werden ließ! Aus unſers Bluͤhmchens Kelchen quillet Ein angenemes Bitter-ſuͤß, So unſer Hirn mit Nutz und Luſt erfuͤllet. Man hat es lange ſchon bemerkt, Wie dieſer Bluhmen Kraft ſo Hirn als Nerven ſtaͤrkt. Wie in der Arzeney Jhr Nutz ſo mannichfaltig ſey; Hat ſich ſchon oftermals gewieſen. Sie oͤffnet unſer Haupt im Nieſen, Vertreib’t den Schlag, verjag’t die Gicht. Jndem ich alſo denk’, und bey den Bluhmen ſtehe, Die Kraft erweg’, und ihre Schoͤnheit ſehe; So deucht mich, daß dieß Bluͤhmchen ſpricht: Gedenk an GOtt und Seine Macht, Der dich und mich hervor gebracht, Der gegenwaͤrtig bey uns beiden, Der allenthalben, nirgends nicht, Und Dem durch deine Freuden Der allerliebſte Dienſt geſchicht! Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/80
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/80>, abgerufen am 31.10.2024.