Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Von den fühlbaren Vorwürffen. Lasst uns auf gleiche Art, dergleichen Licht zu kriegen, Anitzt beflissen seyn, um gleichfalls zu verstehn Die Dinge, die uns hier vor Augen liegen, Um auch dieselben zu empfinden, Und ihre Züg', ihr Wesen zu ergründen. Ein fast unendliches Gemisch ist hier auf Erden, Viel tausend tausend Ding'empfindet unser Sinn. Wenn dieses uns erschreckt; zieht das uns nach sich hin|, Da wir von allen bald vergnüget, Bald aber auch bekrieget, Ergetzet bald, und bald verletzet werden: Bald stürmet gegen uns der Elementen Wuth, Bald schütten sie auf uns hingegen all ihr Gut. Bald siehet man den lauen Lentzen Sich mit den holden Bluhmen kräntzen. Bald suchen uns mit Ceres blonden Schätzen Die fetten Furchen zu ergetzen. Die Gärten sind mit Früchten angefüllt. Den Winter bringen drauf die strengen Norden-Winde, Die Felder sind in Schnee und Eys gehüllt. Der Flüsse klare Fluth fliesst itzo, strömt gelinde Und schwängert Feld und Land; Bald aber, weiß vom Schaum, verschlinget sie den Strand, Und überströmt das Feld. Jtzt übergüldet, mahlet, Das heitre Sonnen-Licht die Wolcken: aber bald Scheint durch der Stürme Grimm und wütende Gewalt Sie S 2
Von den fuͤhlbaren Vorwuͤrffen. Laſſt uns auf gleiche Art, dergleichen Licht zu kriegen, Anitzt befliſſen ſeyn, um gleichfalls zu verſtehn Die Dinge, die uns hier vor Augen liegen, Um auch dieſelben zu empfinden, Und ihre Zuͤg’, ihr Weſen zu ergruͤnden. Ein faſt unendliches Gemiſch iſt hier auf Erden, Viel tauſend tauſend Ding’empfindet unſer Sinn. Wenn dieſes uns erſchreckt; zieht das uns nach ſich hin|, Da wir von allen bald vergnuͤget, Bald aber auch bekrieget, Ergetzet bald, und bald verletzet werden: Bald ſtuͤrmet gegen uns der Elementen Wuth, Bald ſchuͤtten ſie auf uns hingegen all ihr Gut. Bald ſiehet man den lauen Lentzen Sich mit den holden Bluhmen kraͤntzen. Bald ſuchen uns mit Ceres blonden Schaͤtzen Die fetten Furchen zu ergetzen. Die Gaͤrten ſind mit Fruͤchten angefuͤllt. Den Winter bringen drauf die ſtrengen Norden-Winde, Die Felder ſind in Schnee und Eys gehuͤllt. Der Fluͤſſe klare Fluth flieſſt itzo, ſtroͤmt gelinde Und ſchwaͤngert Feld und Land; Bald aber, weiß vom Schaum, verſchlinget ſie den Strand, Und uͤberſtroͤmt das Feld. Jtzt uͤberguͤldet, mahlet, Das heitre Sonnen-Licht die Wolcken: aber bald Scheint durch der Stuͤrme Grimm und wuͤtende Gewalt Sie S 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0305" n="275"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von den fuͤhlbaren Vorwuͤrffen.</hi> </fw><lb/> <lg type="poem"> <l>Laſſt uns auf gleiche Art, dergleichen Licht zu kriegen,</l><lb/> <l>Anitzt befliſſen ſeyn, um gleichfalls zu verſtehn</l><lb/> <l>Die Dinge, die uns hier vor Augen liegen,</l><lb/> <l>Um auch dieſelben zu empfinden,</l><lb/> <l>Und ihre Zuͤg’, ihr Weſen zu ergruͤnden.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">E</hi>in faſt unendliches Gemiſch iſt hier auf Erden,</l><lb/> <l>Viel tauſend tauſend Ding’empfindet unſer Sinn.</l><lb/> <l>Wenn dieſes uns erſchreckt; zieht das uns nach ſich hin|,</l><lb/> <l>Da wir von allen bald vergnuͤget,</l><lb/> <l>Bald aber auch bekrieget,</l><lb/> <l>Ergetzet bald, und bald verletzet werden:</l><lb/> <l>Bald ſtuͤrmet gegen uns der Elementen Wuth,</l><lb/> <l>Bald ſchuͤtten ſie auf uns hingegen all ihr Gut.</l><lb/> <l>Bald ſiehet man den lauen Lentzen</l><lb/> <l>Sich mit den holden Bluhmen kraͤntzen.</l><lb/> <l>Bald ſuchen uns mit Ceres blonden Schaͤtzen</l><lb/> <l>Die fetten Furchen zu ergetzen.</l><lb/> <l>Die Gaͤrten ſind mit Fruͤchten angefuͤllt.</l><lb/> <l>Den Winter bringen drauf die ſtrengen Norden-Winde,</l><lb/> <l>Die Felder ſind in Schnee und Eys gehuͤllt.</l><lb/> <l>Der Fluͤſſe klare Fluth flieſſt itzo, ſtroͤmt gelinde</l><lb/> <l>Und ſchwaͤngert Feld und Land;</l><lb/> <l>Bald aber, weiß vom Schaum, verſchlinget ſie den Strand,</l><lb/> <l>Und uͤberſtroͤmt das Feld. Jtzt uͤberguͤldet, mahlet,</l><lb/> <l>Das heitre Sonnen-Licht die Wolcken: aber bald</l><lb/> <l>Scheint durch der Stuͤrme Grimm und wuͤtende Gewalt</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">S 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [275/0305]
Von den fuͤhlbaren Vorwuͤrffen.
Laſſt uns auf gleiche Art, dergleichen Licht zu kriegen,
Anitzt befliſſen ſeyn, um gleichfalls zu verſtehn
Die Dinge, die uns hier vor Augen liegen,
Um auch dieſelben zu empfinden,
Und ihre Zuͤg’, ihr Weſen zu ergruͤnden.
Ein faſt unendliches Gemiſch iſt hier auf Erden,
Viel tauſend tauſend Ding’empfindet unſer Sinn.
Wenn dieſes uns erſchreckt; zieht das uns nach ſich hin|,
Da wir von allen bald vergnuͤget,
Bald aber auch bekrieget,
Ergetzet bald, und bald verletzet werden:
Bald ſtuͤrmet gegen uns der Elementen Wuth,
Bald ſchuͤtten ſie auf uns hingegen all ihr Gut.
Bald ſiehet man den lauen Lentzen
Sich mit den holden Bluhmen kraͤntzen.
Bald ſuchen uns mit Ceres blonden Schaͤtzen
Die fetten Furchen zu ergetzen.
Die Gaͤrten ſind mit Fruͤchten angefuͤllt.
Den Winter bringen drauf die ſtrengen Norden-Winde,
Die Felder ſind in Schnee und Eys gehuͤllt.
Der Fluͤſſe klare Fluth flieſſt itzo, ſtroͤmt gelinde
Und ſchwaͤngert Feld und Land;
Bald aber, weiß vom Schaum, verſchlinget ſie den Strand,
Und uͤberſtroͤmt das Feld. Jtzt uͤberguͤldet, mahlet,
Das heitre Sonnen-Licht die Wolcken: aber bald
Scheint durch der Stuͤrme Grimm und wuͤtende Gewalt
Sie
S 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |